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Rezension zu
Wannseekonferenz

Ganz normale Bürokraten

Von: Gospelsinger
14.02.2017

Die Villa am Wannsee ist ein luxuriöser Ort direkt am Seeufer, fast schon schlossartig. In dieser idyllischen Umgebung fanden sich fünfzehn Männer zusammen, um in einer angenehmen Arbeitsatmosphäre unterschiedliche Standpunkte zu einem gemeinsamen Konzept zu vereinigen. Der Gegenstand der Beratungen selbst wurde nicht in Frage gestellt. Nach der Besprechung gab es ein Frühstück. Zehn der Männer hatten ein abgeschlossenes Hochschulstudium, neun davon waren Juristen. Es handelte sich um Vertreter der „Zentralinstanzen“, also Spitzenbeamte, um Vertreter der zivilen Besatzungsbehörden und um Funktionäre der SS. Unter der Leitung von Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamtes, sollte auf der Konferenz der betroffene Personenkreis festgelegt, also der Umgang mit „Mischlingen“ geklärt werden. Außerdem ging es um die Deportierung von elf Millionen Menschen, um Zwangsarbeit bis zum Tod und um das Töten der Nichtarbeitsfähigen. Aus dem Protokoll wird ersichtlich, dass es über alle Machtstreitigkeiten und Kompetenzrangeleien einen gemeinsamen Nenner gab. Das Ziel war ein Gesamtplan zur Ermordung der Juden Europas, und es wurde von allen beteiligten Institutionen mitgetragen. Zum Zeitpunkt der Konferenz hatte das Morden längst begonnen, es ging nun darum, die einzelnen Maßnahmen zu bündeln und einzubinden. Somit diente die Konferenz für Heydrich dem Zweck, eine einheitliche Organisation unter seiner Leitung zu installieren. Das Buch beschreibt die Vorgeschichte der Wannseekonferenz, die bisherigen Maßnahmen zur „Entfernung der Juden“ in den Jahren 1933-1941, sowie die unterschiedlichen Ansätze und Ziele der beteiligten Stellen. Die Wannseekonferenz wird unter Zuhilfenahme des Protokolls in diesem Zusammenhang beleuchtet, und es wird beschrieben, wie die Ergebnisse des Treffens umgesetzt wurden. In diesem Buch werden die Beteiligten vorgestellt und die Entscheidungsprozesse aufgezeigt. Das vollständig abgedruckte Protokoll der Sitzung wird kommentiert und in den Gesamtzusammenhang gestellt. Es bringt neue Erkenntnisse über den Stellenwert der Wannseekonferenz und ist damit ein wertvoller Beitrag zum Verständnis der Entscheidungsprozesse. Vor allem wird deutlich, wie erschreckend „normal“ diese Konferenz war. Man saß zusammen, klärte Detailfragen, verabredete organisatorische Abläufe, verteilte Kompetenzen, kurz gesagt, man plante und verwaltete. Dass es hier nicht um Verwaltungsabläufe wie den Bau einer Schule ging, sondern um organisierten Massenmord an Menschen, berührte die Beteiligten offensichtlich nicht im Geringsten. Das ist nicht „nur“ Geschichte. Unmenschliches Verwaltungshandeln begegnet uns auch heute. Wir müssen dafür sorgen, dass sich das ändert.

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