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Rezension zu
Die Tiere von Picasso

Der Künstler und das liebe Vieh

Von: Anja Beisiegel
23.02.2017

Das kleine Bändchen über Picassos Tiere ist ein wahrer Schatz. Es führt in knapper, gut lesbarer Form in Picassos Leben und Werk ein. Man erfährt einiges über seine Frauen, Kinder und Liebschaften sowie über die Orte, an denen er arbeitete und lebte. Ganz nebenbei gelingt dem Kunsthistoriker Boris Friedewald eine Werkschau in nuce. Auch Menschen, die zur Kunst (oder gar zur Malerei Picassos) keinerlei Bezug haben, können Picassos künstlerischen Weg anhand dieses Büchleins und Picassos Tierdarstellungen besser verstehen. Die ersten Skizzen des kleinen Pablo aus dem Jahr 1892 zeigen, mit welcher Akribie und Begeisterung er die Tauben seines Vaters porträtiert. Anhand einer Serie von Stier-Darstellungen aus den Jahren 1946/47 kann man nachvollziehen, wie virtuos Picasso durch radikale Reduktion den Blick für das Wesentliche öffnete. Besonders interessant ist jedoch Picassos enges Verhältnis zu seinen vielen, vielen Haustieren und sein großes Interesse an Tieren allgemein. Ein Wermutstropfen vorweg für alle Tierfreunde: Picasso war — bei aller Liebe zum Tier im Allgemeinen – begeisterter Anhänger des Stierkampfs. Auf oben erwähntem frühen Blatt mit den liebevoll dargestellten Tauben ist – der Junge ging sparsam mit Papier um – auch eine Stierkampfszene skizziert. Ich lasse Pablo Picassos Haltung zum Stierkampf (die ich ausdrücklich nicht teile) hier beiseite – es würde zu weit weg vom Thema des Buches führen. Wesentlicher – und daher passt das Buch auch so hervorragend in diesen Blog – ist das innige Verhältnis das Picasso mit all seinen Tieren verband. Picasso machte die Taube mit seinem Plakat zum Friedenskongress 1962 zum Inbegriff der Friedensbewegung. Als Kind nahm er Tauben mit in die Schule, als Erwachsener hielt er Tauben in Volieren. Im Atelier flog seine Lieblingstaube frei herum, wenn sie nicht auf Schulter oder Kopf des Künstlers Platz nahm. Von Picasso ist folgende Aussage überliefert: „Nur Kinder und Tiere können das Atelier durchqueren ohne dabei etwas zu zerstören.“ So ist es nicht mehr als konsequent, dass Hunde aller Rassen, Katzen und Vögel mit ihm nicht nur seine Wohnung teilten, sondern auch sein Atelier bevölkerten. Vielfach porträtierte er seine Tiere. Den Mischlingsrüden Clipper, sein erster Hund, malte er bereits 1895. 13 Jahre alt verewigt er ihn in Öl auf einer Leinwand, auf der ursprünglich der Heilige Antonius abgebildet war. Picasso übermalte den Heiligen selbstbewusst. Clipper war ihm das lohnendere Porträt. Sein Dackel Lump war für Picasso Liebe auf den ersten Blick, der Dachshund avancierte zum unangefochtenen Star des Hauses. Picasso widmete ihm einen Porzellanteller mit Lumps Konterfei und gestaltete aus Papier einen Hasen für Lump. Als dieser den Kunsthasen zerfetzte, stellte Picassos damalige Geliebte Jacqueline Roque fest: „Lumpito dürfte das einzige Lebewesen sein, das einen echten Picasso verspeist hat.“ Boris Friedewald spürt weitere Tiere in Picassos Leben und Kunst auf: Das Äffchen Monina, ein junges Käuzchen, ein weißer Ziegenbock, eine Ziege namens Esmeralda: Alle durften in seinem Haus Leben. Es war dem Künstler egal, ob der Ziegenbock und das Käuzchen streng rochen oder das Haus mit ihren Hinterlassenschaften verunreinigt. „Wenn ich schon eine kleine Ziege habe, möchte ich sie überall umherlaufen sehen. Ich liebe sie wie eins meiner Kinder,“ verteidigte Picasso die Anwesenheit des stinkenden Bocks im Hause. „Ich liebe ihn mehr als dich,“ sagte er im Streit zu seiner Frau Francoise, als sie darum bat, das Tier aus dem Haus zu verbannen. Viele Anekdoten vereint Friedewald in seinem Picasso-Buch, die den Künstler erlebbar machen in seiner rastlosen Kreativität und als Mensch mit einer großen Achtung vor allen Kreaturen. Friedewald regt dazu an, Picasso aus einer anderen, neuen Sicht wahrzunehmen. Ein persönliches Vorwort steuert der Fotograf David Douglas Duncan bei. Er kannte Picasso persönlich und veröffentlichte mehrere Bildbände über Picasso (und Lump): „Es freut mich deshalb sehr, dass dieser Band sich auf jene wunderbaren Geschöpfe konzentrieren wird, die auch mir immer so viel bedeutet haben – und die dann durch Picasso berühmt wurden.“ Duncans Lob ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Boris Friedewald gelingt mit seinem kleinen Buch etwas Besonderes: Er vermittelt die enge Bildung von Künstler und Tier, Schöpfendem und Geschöpf. Damit verschafft er dem Kunstfreund Zugang zur Liebe zu allem Lebenden und dem Tierfreund eine Eintrittskarte in die Welt der modernen Kunst. Was will man mehr?

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