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Rezension zu
Irenas Liste oder Das Geheimnis des Apfelbaums

Eine furchtlose Frau in furchtbaren Zeiten: unbedingt empfehlenswert!

Von: Koreander.net
29.03.2017

Am ersten September 1939 beginnt für die Bevölkerung Polens das Grauen des Zweiten Weltkriegs und die Terrorherrschaft der deutschen Nationalsozialisten. Die selbsternannten Herrenmenschen errichten ein Regime des Hasses, der Zerstörung und des massenhaften Mordes. Bis Kriegsende werden drei Millionen polnische Juden ermordet werden, fast 90 Prozent der ursprünglichen jüdischen Bevölkerung Polens. Insgesamt werden etwa 5.675.000 polnische Zivilisten getötet. Unter den 6 Millionen im Holocaust ermordeten Juden sind 1,5 Millionen Kinder. Irenas Liste ist die Geschichte der Rettung von 2500 Kindern aus dem Warschauer Ghetto. Eine schier unvorstellbare Geschichte von Mut, Verrat, Verzweiflung, Liebe, Hass und den brutalsten Auswüchsen des faschistischen Massenmords. 1940 errichten die Nazis in Warschau einen abgeriegelten Bezirk für polnische und deutsche Juden: das Warschauer Ghetto. Eine drei Meter hohe Mauer mit Stacheldraht soll verhindern, dass die Juden in die „arischen“ Stadtteile gelangen können. Die SS bewacht die 22 Durchgänge. Das Ghetto dient vor allem als Durchgangslager auf dessen „Umschlagplatz“ die Juden in das Vernichtungslager Treblinka deportiert werden. Die Versorgung des völlig überfüllten Ghettos ist dermaßen schlecht, dass bereits nach kurzer Zeit Hungersnot und Seuchen grassieren. „Ludwig Fischer, der deutsche Gouverneur von Warschau, prahlte damit, das Aushungern sei die offizielle Strategie: ‚Die Juden werden vor Hunger und Elend krepieren. Dann bleibt vom ganzen Judenproblem nur noch der Friedhof übrig.‘“ Und während die Deutschen einen Vernichtungsfeldzug gegen die Menschlichkeit und gegen die Menschheit führen, verschwören sich einige Polen gegen die deutschen Faschisten und versuchen den Juden im Warschauer Ghetto zu helfen, allen voran den Kindern und hier insbesondere den Waisen. Irena Sendler ist Anfang 30 und arbeitet als Sozialarbeiterin als die Naziherrschaft beginnt. Von Anfang an nutzt sie ihre Position, um jüdischen Familien zu helfen. „Das System basierte einzig und allein auf manipulierten Akten und entsprechend angeforderten Geldern, die dann verstohlen in Irenas Suppenküchen an die Leute verteilt wurden.“ Nach der Errichtung des Warschauer Ghettos besorgt sie sich als Seuchenschutzbeauftragte der Sanitätskolonne einen Ausweis, der es ihr erlaubt die Sperren zum Ghetto zu durchqueren. Das Elend, das sie dort erlebt, verändert alles. Es reicht nicht mehr Gelder vom Sozialamt umzuleiten. Hier muss dringend geholfen werden. Zumal die ersten Gerüchte kursieren, die von der systematischen Ermordung von Juden handeln. Dr. Janusz Korczak war eine Koryphäe der Sozialarbeit und Kinderpädagogik und leitete im Warschauer Ghetto ein Waisenhaus. Als die Kinder des Waisenhauses deportiert werden sollten, wandten sie sich „Hilfe suchend Dr. Korczak zu.“ Dann geleitete er „die Kinder ruhig in den Waggon. Der Arzt stieg als Letzter ein, auf jeden Arm ein erschöpftes Fünfjähriges.“ Ein Zeuge sagt später aus: „Sie stiegen nicht einfach nur in den Waggon ein – es war ein organisierter, stiller Protest gegen die Barbarei.“ Als er dann sah, „wie die Kinder stumm in die fensterlosen Güterwaggons kletterten, deren Boden mit dem gleichen ungelöschten Kalk bedeckt war, der sie nach ihrem Tod bedecken würde – als er sah, wie die Türen hinter den kleinen Kinderkörpern zugedrückt und mit Draht fest verschlossen wurden,“ brach er „hilflos auf dem Gleis zusammen“. Heinrich Himmler, Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei und damit verantwortlich für SS, Gestapo und SD, begründete vor Wehrmachtsgenerälen mit erbarmungs- und gewissenloser Offenheit, warum auch die Kinder ermordet werden mussten: „Die Kinder werden eines Tages groß werden. Dass dann dieser jüdische Hass heute kleiner, später groß gewordener Rächer sich an unseren Kindern und Enkeln vergreift, das können wir nicht verantworten. Deswegen haben wir eine klare Lösung vorgezogen, so schwer wie sie war.“ Irena Sendler und einige ihrer Kolleginnen beginnen daraufhin jüdische Kinder, meist Waisen aus dem Ghetto auf die „arische Seite“ zu schmuggeln. Dort werden sie mit neuen Identitäten, gefälschten Pässen und Geburtsurkunden, ausgestattet und in Waisenhäusern, Klöstern oder bei Pflegefamilien untergebracht. Babys werden betäubt und zum Beispiel in Werkzeugkisten herausgeschmuggelt. Größere Kinder werden in Säcke gesteckt und als „Kartoffelsäcke“ an den Wachen vorbeigeschleust. Andere Kinder klettern über die Mauer oder nutzen die Kanalisation zur Flucht. Einige hundert Kinder können auf diese Weise gerettet werden. Doch ab Herbst 1942 weiten die Deutschen die Kontrollen aus. Um dennoch mit ihrer Arbeit weiter zu machen, schließt sich Sendler der Untergrundorganisation Żegota an. Mit der Hilfe dieser Widerstandsgruppe können weitere hunderte Kinder dem Tod im Getto entkommen. Doch ist es nur eine Frage der Zeit bis die Gestapo unter Mithilfe von Kollaborateuren den Helfern auf die Spur kommt. Und so wird Irena Sendler am 20. Oktober 1943 von der Gestapo verhaftet. Sie wird gefoltert, brutal mit Knüppeln und Eisenstangen geschlagen bis ihr die Knochen brechen. Und dennoch verrät sie weder die Fluchtorte der Kinder noch ihre Mitverschwörer. Alles scheint aus zu sein, als sie zum Tode verurteilt zu ihrer Erschießung gebracht wird. Tilar J. Mazzeo würdigt Irena Sendler und zahlreiche weitere Untergrundaktivisten und Widerstandskämpfer in dieser unbedingt lesenswerten Hommage. Die Geschichte der „weiblichen Schindler“ war lange, zumal im Westen, in Vergessenheit geraten. 2006 wurde erstmals ein Werk ins Deutsche übersetzt, dass sich Irena Sendler widmete. Anna Mieszkowska: Die Mutter der Holocaust-Kinder. Irena Sendler und die geretteten Kinder aus dem Warschauer Ghetto. Deutsche Verlags-Anstalt. Das Buch ist allerdings nur noch gebraucht und zu Fantasiepreisen erhältlich. Insofern kommt Mazzeos Buch gerade richtig. Irena Sendler und ihre Gefährtinnen dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Sie machen Mut, selbst in Zeiten des menschenverachtenden Totalitarismus sind gute Menschen in der Lage, die Welt ein wenig besser zu machen. Für 2500 Kinder hieß das im nationalsozialistisch beherrschten Gebiet nicht weniger, als zu Überleben. Mazzeo endet mit Mahatma Ghandi. Und zwar dermaßen treffend und wohltuend, dass ich es hier wiederholen möchte: „Ein kleiner Körper mit entschlossenem Geist, der von einem unauslöschlichen Glauben an seine Aufgabe angetrieben wird, kann den Lauf der Geschichte verändern.“

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