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Rezension zu
Sechzehn Wörter

Sechzehn Wörter

Von: Miss.mesmerized
05.04.2017

Bestimmt die Sprache das Denken, wie es die Sapir-Whorf-Hypothese besagt? Mona fällt auf, dass sie in ihrer persischen Muttersprache Wörter hat, die sie nie ins Deutsche übersetzt hat, denn sie waren an die inzwischen fremde Heimat gebunden, Erlebnisse und Konzepte, die sie nur mit dem Iran verband und für die es in Deutschland und in der deutschen Sprache keinen Platz oder adäquaten Ersatz gab. „Sechzehn Wörter“ sind es, die sie mit dem Land im Nahen Osten verbindet, aus dem ihre Eltern einst flüchteten und in das sie jetzt anlässlich der Beerdigung der Großmutter zurückkehrt. Von „Maman-Bozorg“, dem Kosewort für die Großmutter, über das Schimpfwort „Kos“, dem für Iraner typischen Übergepäck, „Ezafebar“, bis hin zur geliebten Frucht „Anar“ – mit allen Begriffen verbindet sie etwas und anhand dieser Begriffe lässt die Ich-Erzählerin nicht nur die aktuelle Reise Revue passieren, sondern auch ihre Familiengeschichte und die Zeit, die sie Jahre zuvor schon einmal im Iran verbracht hatte. Nava Ebrahimis Roman „Sechzehn Wörter“ ist eine eigenwillige Annäherung an ihre eigene Heimat. Ähnlich wie ihre Protagonistin ist auch die Autorin im Iran geboren und seit vielen Jahren in Deutschland und als Journalistin tätig, man kann vermuten, dass viele ihre persönlichen Erfahrungen eingeflossen sind in dieses Kaleidoskop-artige Bild des Landes. Zwei Dinge sind an dem Roman gleichermaßen faszinierend. Zum einen die junge Frau, die zwischen den beiden Kulturen steckt, sich einerseits typisch deutsch verhält und in jeder Hinsicht dem Bild einer unabhängigen, modernen, westlich geprägten Frau entspricht; andererseits aber auch ihre Wurzeln sucht, fasziniert ihre Cousinen beobachtet und messerscharf die sprachlichen Unterschiede auch die Differenzen zwischen den beiden Ländern begreift. Daneben bekommt man den ganz privaten, persönlichen Iran zu Gesicht. Politische Aspekte spielen nur eine ganz marginale Rolle, sie sind für diese Geschichte nicht von Relevanz. Die Familienstrukturen, die Erwartungen an die Kinder, insbesondere die Töchter, aber auch die Art und Weise, wie man sich innerhalb den strikten Grenzen der Sittenwächter mit den Gegebenheiten arrangiert, um trotzdem ein in gewissem Maße freies Leben leben zu können, wird hier deutlich. Der Erzählton ist lebendig und locker, er passt zur Erzählerin, schwankt er zwischen abgeklärt-analytisch und fasziniert-naiv, wie sie ihre Umwelt beobachtet und ihre eigene Familiengeschichte ergründet. Es gibt Dinge, die ihr auch jenseits der 30 noch nicht offenbar wurden, doch mit dem Tod der Großmutter ist der Zeitpunkt gekommen, Klarheit zu erhalten, weshalb die Ehe der Eltern scheiterte und wie diese überhaupt nur zustande kommen konnte. Andere Romane der letzten Monate, die ebenfalls im Iran spielen und uns das Land etwas näher bringen, wie etwa Shida Bazyars „Nachts ist es leise in Teheran“ setzen einen anderen Fokus, so dass hier eine neue Komponente gefunden wird, die nochmals das Bild des Lesers gewinnend ergänzt. Selten hat man einen so intimen Blick in das Land bekommen, der jedoch nicht skandalös-voyeuristisch ist, sondern schlichtweg persönlich und mich in jeder Hinsicht überzeugen konnte.

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