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Rezension zu
Sechzehn Wörter

Die andere Heimat

Von: letteratura
08.04.2017

Monas Großmutter ist gestorben, und so fliegt sie zusammen mit ihrer Mutter nach Teheran zur Beerdigung. Es wird eine Reise zu ihrer Familie, die sie lange nicht gesehen hat und zu einer Kultur, die auch die ihre ist, in ein Land, dass sie Heimat nennen könnte, auch wenn sie in Deutschland aufwuchs und hier ihr Leben hat. Ein Leben, das sie nicht aufgeben will. Der Rückflug in wenigen Tagen ist bereits gebucht. „Sechzehn Wörter“, so der Titel des Debütromans von Nava Ebrahimi, diese sechzehn Wörter stehen exemplarisch für die andere Seite von Monas Identität, für die persische Kultur im Großen und ihre eigene persönliche Familiengeschichte im Kleinen. Der Roman ist folgerichtig in sechzehn Kapitel eingeteilt, die jeweils mit einem dieser Wörter überschrieben sind und die uns immer tiefer hineinführen in Monas Geschichte und in ihre Vergangenheit. Einige Jahre zuvor hat Mona bereits ein paar Monate im Iran verbracht, als sie über den Fall eines Deutschen berichtete, dem wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs die Todesstrafe drohte. Aus dieser Zeit hat sie noch Kontakte: Zu Ramin, der ihr Liebhaber wurde, und auch zu Siabasch, mit dem sie zusammenarbeitete. Mona hat immer gespürt, dass beide Welten, ihre beiden Welten, nicht recht zueinander passten, dass es ihr nicht möglich war, sie auf welche Weise auch immer miteinander zu verbinden, sich ihrer gleichzeitig bewusst zu sein. „Sechzehn Wörter“ zeigt – wie schon andere Romane zuvor – eine Heldin, die zwischen den Stühlen sitzt: Sie kennt Deutschland und den Iran, die Eigenheiten beider Länder, die Gepflogenheiten ihrer Einwohner. Doch wo gehört sie hin? Hier ist sie die Iranerin, fällt durch ihre Haut- und Haarfarbe auf, dort sieht man in ihr die Deutsche, die dazu noch ein holpriges Persisch spricht. Ebrahimi greift in ihrem Roman ein Thema auf, das mir zur Zeit tatsächlich recht präsent erscheint, sodass man ihr vorwerfen könnte, nicht unbedingt Neues zu liefern: Man kann nicht umhin, an Shida Bazyars wunderbaren Roman „Nachts ist es leise in Teheran“ zu denken und gerade vor wenigen Tagen erst beschäftigte sich auch Jonas Hassen Khemiris „Alles, was ich nicht erinnere“ mit jungen Menschen, die zwischen den Kulturen aufgewachsen sind, auch wenn der Fokus dort auf anderem liegt. So stößt man als Leser, der diese oder andere Romane mit ähnlichen Plots kennt, unweigerlich auf Bekanntes. Andere werden etwas über den Iran lernen können, über die Menschen dort und über das Leben in einem Land, in dem eine Sittenpolizei überprüft, ob Kopftücher richtig sitzen und ob das junge Paar, das zusammen im Auto sitzt, auch wirklich verheiratet ist. Vor allem ist „Sechzehn Wörter“ aber eine persönliche Geschichte, die sich vollkommen auf ihre Hauptfigur konzentriert. Mona erzählt aus der Ich-Perspektive. Nach der Beerdigung der Großmutter machen sie und ihre Mutter eine Reise mit jenem Ramin, dessen Rolle in Monas Leben nicht ganz klar ist. Und auf dieser Reise erinnert sich Mona immer wieder zurück. An ihre Kindheit. An ihren Vater, der nicht mehr lebt. Daran, wie sie schon früh erkannte, dass sie sich von ihren Klassenkameradinnen unterschied, dass etwas an ihr anders war. An frühere Reisen in den Iran, an Ereignisse in ihrer Vergangenheit, die erst mit der Zeit Sinn ergeben. „Sechzehn Wörter“ ist ein sehr lebendiges Buch, und ein sehr kurzweiliges, selbst wenn dem Leser Geschichte und Kultur des Irans nicht gänzlich unbekannt sind. Ebrahimi zeichnet auf sensible Weise ein Porträt ihrer Hauptfigur, lässt sie immer wieder fragen und zweifeln, ohne Antworten parat zu haben. Sie hält dem Leser manches Mal einen Spiegel vor, entlarvt Klischees und Vorurteile. Nava Ebrahimis Roman regt zum Nachdenken an, auch dazu, sich selbst zu hinterfragen. Die Autorin erschafft eine Figur wie aus Fleisch und Blut, über die ich noch lange hätte weiterlesen können.

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