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Rezension zu
Fest der Finsternis

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein Fest es zu lesen

Von: WortGestalt-BuchBlog
25.04.2017

Mit diesem Thriller taucht man ein in das dreckige und raue Paris des frühen 19. Jahrhunderts. Autor Ulf Torreck gelingt es hier, eine gleichzeitig charmante wie auch niederträchtige Geschichte zu erzählen. Charmant in ihrer Figurenzusammenstellung und deren Ausgestaltung, niederträchtig in den Motiven und Taten der Antagonisten. Düster und dreckig Paris, auf dem Weg zur Metropole, präsentiert sich im »Fest der Finsternis« wunderbar düster und dreckig und erinnert in seinem Ambiente an Filme wie »From Hell«. Es liegt Unrat auf den Straßen, das Kopfsteinpflaster glänzt speckig, das Licht ist trübe und über der Stadt hängen die Ausdünstungen seiner Bewohner. Gelungen atmosphärisch kommt das Kopfkino daher. Es entsteht ein Szenenbild, das ich mir beim Lesen unheimlich gern vorgestellt habe. Neben der Stimmung trägt auch das Figurenensemble zu großen Teilen die Geschichte. Denn da sind zum einen die beiden Hauptakteure, der pflichtbewusste und konsequente Polizeiinspektor Louis Marais und der fast schon liebevoll gezeichnete Marquis de Sade. Der Marquis ist ein in die Jahre gekommener und umstrittener Schriftsteller, ein Freigeist, der ein nach damaligen Maßstäben zügelloses Leben führte, bevor er letztlich in der Irrenanstalt von Charenton landete. Die Figur des Marquis de Sade ist ebenso historisch belegt wie die des Inspektors Louis Marais. Auch eine Bekanntschaft der beiden Männer lag nachweislich vor, wie man im Nachwort des Romans erfahren kann. Kulturhistorisches Schreckgespenst Tatsächlich war mir die Person des Marquis de Sade bisher ausschließlich als eine Art kulturhistorisches Schreckgespenst bekannt. Ein französischer Adeliger, der sich mit vermeintlich pornografischen und blasphemischen Schriften und Gewaltfantasien den Unmut und die Empörung seiner Zeitgenossen sicherte. Und als Namenspatron für den später geprägten Begriff des Sadismus herhalten musste. Sicherlich ist die Charakterisierung der Figur des Marquis de Sade in diesem Roman vor allem eines, nämlich fiktiv und keine biografische Abhandlung. Dennoch gelingt es dem Autor, in mir ein grundsätzliches Interesse an dieser Person zu wecken und klassische Bilder hinterfragen zu wollen. Zudem spürt man neben der intensiven Recherchearbeit, die in diesen Roman eingeflossen ist, auch ein gewisse Sympathie des Autors für dieses alte Scheusal de Sade. Denn auch wenn dieser hier im »Fest der Finsternis« mit loser wie spitzer Zunge, selten um Gefallen, aber immer um Provokation bemüht, auftritt, so hat seine Darstellung doch auch durchaus etwas possierliches. Dramatis personae Vom Marquis de Sade und dem Polizeiinspektor Marais abgesehen, staffiert Ulf Torreck seine Geschichte noch mit einer ganzen Reihe weiterer Figuren aus. Die überzeugen in ihrer Gesamtheit, weil sie harmonieren. Da gibt es einige undurchsichtige Ärzte und Geistliche, den ehemaligen Sklaven und nun Kopfgeldjäger Nicolas Bonnechance, die Bordellbesitzerin und Herrin der Nacht Isabelle de la Tour nebst schöner und stummer Tochter Silhouette, dann noch das fahrende Volk, einige ambitionierte Staatsmänner mit guten wie schlechten Absichten und immer ganz eigenen Interessen. Dazu habe ich besonders an den Frauenfiguren in diesem Roman gefallen gefunden. Die wurden vom Autor angenehm vielschichtig angelegt. Zusammengehalten wird das Personal durch einen Plot, der eine Geschichte voller Hässlichkeiten erzählt. Er dringt tief in die Abgründe der Menschen, spielt aber auch geschickt mit Aberglaube und dem herrschenden Zeitgeist. Ich war am Ende von beidem fasziniert. Davon, wie sich der Plot, ein sehr dichtes und komplexes Konstrukt, darstellt. Und davon, wie sehr das Zusammenwirken der einzelnen Charaktere der Handlung Charisma verleiht. Das hat mir beim Lesen unheimlich viel Spaß gemacht. Schönheitsfehler Gleich zu Beginn hatte ich in diesem Roman noch mit einem unnötigen Schönheitsfehler zu kämpfen. Der Einstieg war für mein Empfinden holperig, was zu großen Teilen an dem sehr nachlässig redigierten Text lag. Auf den gut 60 ersten Seiten unterbrachen Tippfehler, Wortwiederholungen und ungelenke Satzkonstruktionen immer wieder den Lesefluss. Das brachte mich aus der Atmosphäre der beschriebenen Epoche heraus. Darauf reagiere ich ähnlich gereizt wie auch auf andere, äußere Störfaktoren beim Lesen. Das ist quasi die gedruckte Form von Baustellenlärm und wäre in diesem Fall vermeidbar gewesen. Allerdings flaut dieser Ärger im Verhältnis zur Gesamtseitenzahl bald ab. Denn das »Fest der Finsternis« wird mit jedem Kapitel stärker, opulenter, faszinierender und zieht einen – so abgedroschen diese Formulierung auch ist, hier hat sie Gültigkeit – in seinen Bann. Und das macht wirklich Freude. Der Autor Ulf Torreck, vielen Lesern auch als David Gray gut bekannt (»Kanakenblues«), vereint in seinem historischen Thriller viele interessante Elemente. Er bindet historisches, politisches, religiöses, kulturelles und gesellschaftliches in eine Geschichte ein, die mit sehr viel Herzblut erdacht, erarbeitet und geschrieben wurde, sodass dieser Roman alles in allem ein Fest ist. Ein Fest der Finsternis und ein Fest, ihn zu lesen. Fazit: »Fest der Finsternis« ist eine spannende Reise und ein dichtes, komplexes Abenteuer, eine Geschichte mit einem abwechslungsreichen und unterhaltsamen Figurenenemble im sehr stimmungsvoll beschriebenen Paris des frühen 19. Jahrhunderts.

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