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Rezension zu
Der stumme Zeuge

Bedrückender Einblick in den brasilianischen Alltag

Von: Ponine T
30.04.2017

São Paulo, Brasilien: Ein kleiner blonder Junge wird mit einer Luxuslimousine von der Schule abgeholt. Minuten später ist der Fahrer des Wagens tot, das Kind in der Gewalt einer Söldnertruppe. Mit der Entführung soll der Vater des Kindes, der mächtige Medienmogul Olavo Bettencourt, zur Aufdeckung eines Korruptionsskandals der brasilianischen Politikelite gezwungen werden. Doch Bettencourt reagiert nicht auf die Forderungen und den Entführern läuft die Zeit davon. Sie bekommen Zweifel: Haben sie den richtigen Jungen in ihrer Gewalt? Ein weiteres Mal habe ich mich für die Weltenbummlerchallenge mit einem Rezensionsexemplar eingedeckt, das ich nur wegen des Schauplatzes gewählt habe. Und schon wieder bin ich dabei in den Besitz eines Buches gelangt, das ich ohne diesen Anlass nie gelesen hätte und das ich nicht bereue, gelesen zu haben. Vorneweg sei gesagt, dass s sich hier nicht um einen klassischen Kriminalroman handelt. Die Geschichte der Entführung ist so etwas wie Aufhänger und Nebenhandlung. Vielmehr ist es ein Psychogramm einer Gesellschaft und ein sehr bedrückender Blick in das Leben in Brasilien. Die Olympischen Spiele letztes Jahre haben es ja immer mal wieder anklingen lassen, dass Brasilien ein Land ist, in dem die Schere zwischen Arm und Reich extrem auseinanderklafft, so sehr, dass man es sich hier in Europa eigentlich gar nicht wirklich vorstellen kann. Olavo und seine Frau gehören dieser Oberschicht an, die sich angenehm zurücklehnt in ihren bewachten Villen, deren Wohlstand in vielen Fällen aber nicht nur harter Arbeit sondern auch einem gehörigen Maß an Korruption und Verbrechen zuzuschreiben ist. Und wenn sich dann herausstellt, dass es sich bei dem entführten Kind eben nicht um den Spössling aus gutem Hause, sondern um den taubstummen Sohn der Putzfrau handelt, ist man schnell in der Überlegung, ob man sich dann für "so einen" vor den Karren der entführer spannen lässt oder nicht ... Olavos Ehefrau Mara stammt aus einem ganz anderen Hintergrund, der im Laufe der Handlung immer deutlicher wird. Silvestre arbeitet mit sehr gelungenen Erzählpassagen, in denen viele verschiedene Blickwinkel aufgegriffen werden. Beim Lesen muss man in der Hinsicht aber sehr am Ball bleiben, die Perspektivwechsel geschehen absatzweise und sind nicht immer direkt erkennbar. Das Buch ist allerdings kurz genug, um trotz dieser Erzählweise nicht die Lust zu verlieren, sondern sich immer mehr einzulassen auf die Figuren, ihren Hintergrund, ihre Motive und auch Silvestre sehr gelungene Schilderungen. Alles in allem also ein tolles Buch für dieses Jahr.

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