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Rezension zu
Ein ganzes Leben

gelesen: Ein ganzes Leben von Robert Seethaler (inkl. Zitate)

Von: Bettina
08.05.2017

"Eggers Aufgabe bestand darin, in einem Holzsessel sitzend, das nur mit einer Sicherungsleine und einem per Hand bremsbaren Rollmechanismus an den Stahlseinen befestigt war, langsam talwärts zu rutschen, die Seile und Trägergelenke von Staub, Eis oder verkrustetem Vogelmist zu befreien und sie anschließend mit frischem Öl zu schmieren. Niemand riss sich um diese Aufgabe, es hatte sich herumgesprochen, dass in den Jahren zuvor zwei Männer, beide erfahrene Kletterer, abgestürzt und zu Tode gekommen waren, sei es aus Unachtsamkeit oder wegen eines Materialfehlers oder einfach nur wegen des Windes, der die Stahlseile manchmal meterweit nach beiden Seiten schwingen ließ. Aber Egger hatte keine Angst. Er wusste, sein Leben hing an einer dünnen Schnur, doch sobald er einen Träger erklommen, den Rollmechanismus angebracht und die Sicherheitskarabiner eingehakt hatte, fühlte er, wie es in ihm ruhig wurde und wie sich die wirren und verzweifelten Gedanken, die sein Herz wie eine schwarze Wolke umhüllten, in der Bergluft nach und nach auflösten, bis nichts mehr übrig blieb als reine Traurigkeit." Am liebsten würde ich dir einfach nur zurufen: Kauf dieses Buch, es ist super; und du würdest es kaufen, lesen und genauso lieben wie ich. Aber ich versuche es mit einer kurzen Beschreibung. Eine Lebensgeschichte eines Mannes in den Bergen. Ein Mann, den wir auf den Stationen seines Lebens begleiten. Seine Herkunft, die einzige Liebe seines Leben, seine Arbeit und der Krieg, das Dasein in einem Dorf in den Bergen und auch die Entwicklung des modernen Lebens, wie er Einzug hält in einem Dorf. Es sind schwere Momente und ein paar wenige schöne. Sie prägen ihn und formen ihn zu dem alten Mann, aus dessen Perspektive man zurückschaut. Es ist ein Rasen im Eil(lese)tempo durch die Tage und Zeiten. So leicht auf nur knapp über 150 Seiten erzählt. Seethaler zeigt, dass das Leben vielleicht gar nicht so komplex ist, wie wir oft glauben. Manchmal aber kompliziert und gleichzeitig so einfach. Es sind Worte wie diese, die mich berühren: "Für einen Augenblick horchte er in den lautlos fallenden Schnell hinaus. Die Stille war vollkommen. Es war das Schweigen der Berge, das er so gut kannte und das doch immer noch imstande war, sein Herz mit Angst zu füllen. Dann dachte er an seine Zukunft, die sich so unendlich weit vor ihm ausbreitete, gerade weil er nichts von ihr erwartete. Und manchmal, wenn er lange genug so dalag, hatte er das Gefühl, die Erde unter seinem Rücken würde sich ganz sachte heben und senken, und in diesen Momenten wusste er, dass die Berge atmeten." Seethaler verpackt diese traurige Geschichte in einfache Worte und schafft damit eine Distanz zum Erlebten und eine Leichtigkeit, die im Kontrast zu dem Leben des Protagonisten steht. Es ließ mich hinterfragen, wie ich mein Leben gestalte und wie mein eigenes Konzept von Glück aussieht. "Egger nahm alle diese Veränderungen mit stiller Verwunderung hin. Nachts hörte er in der Ferne das metallische Knarren der Metallstreben entlang der Hänge, die jetzt Pisten hießen, und morgens wurde er oft vom Lärmen der Schulkinder hinter der Wand am Kopfende seines Bettes geweckt, das schlagartig abriss, sobald der Lehrer das Klassenzimmer betrat. Er erinnerte sich an seine eigene Kindheit, an die wenigen Schuljahre, die sich damals so unendlich lang vor ihm ausgebreitet hatten und die ihm jetzt kurz und flüchtig vorkamen wie Wimpernschläge. Überhaupt verwirrte ihn die Zeit. Die Vergangenheit schien sich in alle Richtungen zu krümmen und in der Erinnerung gerieten die Abläufe durcheinander beziehungsweise formten und gewichteten sich auf eigentümliche Weise immer wieder neu."

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