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Rezension zu
Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Unbedingt lesen!

Von: Eva-Maria Obermann
01.06.2017

Ich kenne Essays vor alle als Texte, die eine klaren Ursprung haben, eine Frage, einen Moment, dem sie auf den Grund gehen wollen. Sie schweifen mal ab, sind mal sehr fokussiert oder auch mal einfach literarisch. Aber immer bewegen Essays zum Nachdenken, zum Überlegen und Infragestellen. Der Leser arbeitet mit. So ist es auch bei Nicht einmal das Schweigen gehört uns noch. Mit sehr unterschiedlichen Ansätzen berichtet Aslı Erdoğan aus der Türkei, aus ihrer Heimat, die sie liebt, die ihr entgleitet. Sie schreibt über Gräueltaten mit versteckten Worten, die unter die Haut gehen und von eigenen traumatischen Erlebnissen, die bewegen. Sie wird sachlich und nutzt gelungen Argumente. Kurz: Sie zeigt in diesen Essays eine gewaltige Bandbreite an schriftstellerischem Können. Das beeindruckt und bewegt. Gleichzeitig informiert es. Fußnoten erklären auf welche Ereignisse die Autorin anspielt und selbst in den literarischen Tendenzen zeigt sich vieles, was dem europäischen Beobachter in Bezug zur Türkei nicht klar ist. Einzelfälle, historische Ereignisse, Momente von Aslı Erdoğans Leben, die mit der aktuellen Geschichte der Türkei verwoben sind. Großartig geschrieben. So berichtet die Autorin vom jüngsten Putschversuch, von Diskriminierungen und den Andenken an Ermordete. Sie zeigt einen sehr persönlichen, liebevollen Blick auf Land und Leute, einen sehr kritischen und wachen auf politische Geschehnisse. Persönlich, also subjektiv und gewiss nicht wertfrei, aber so reflektiert, dass Raum für den Leser und seine eigene Meinung bleibt. Das ist sehr gut gemacht und steigert sowohl das Interesse an den Essays, als auch das spätere Auseinandersetzen mit ihnen. Cem Özdemir hat die Einführung geschrieben und die biografischen Eckdaten der Autorin eingearbeitet. Ihre Gefangennahme, ihr Ausreiseverbot, ihr kleiner Kampf, der groß geworden ist. Allein das ist schon faszinierend. Nicht einmal das Schweigen gehört noch uns spielt genau darauf an. Dass die Option, mit den Augen zu rollen und stumm zu bleiben, keine mehr ist. Schweigen ist für Aslı Erdoğan unmöglich geworden, so unmöglich wie das direkte Aussprechen. Und damit liefert und dieses Buch aktuelle Zeitgeschichte. Unbedingt lesen!

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