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Rezension zu
Der Lügner und sein Henker

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Höhepunkt und würdiger Abschluss der Leo-Junker-Trilogie

Von: Büchermonster
16.07.2017

Es gibt in Spannungs-Genre sicherlich unzählige Ermittlerkarrieren, die glanzvoller verlaufen sind als jene von Leo Junker, Hauptfigur in Christoffer Carlssons Krimi-Trilogie – dabei sah lange vieles danach als, als könnte der junge Polizist eine Bilderbuch-Laufbahn hinlegen. Seit einem katastrophal gescheitertem Undercover-Einsatz, bei der Junker versehentlich einen Kollegen erschoss, liegt jedoch nicht nur seine Karriere, sondern auch sein Leben in Trümmern: Panikattacken haben ihn in die Tablettenabhängigkeit gestürzt und auch viele Monate nach den traumatischen Ereignissen kämpft Junker immer noch täglich gegen die eigenen Dämonen. Nach zwei recht beachtlichen Ermittlungserfolgen in den ersten beiden Bänden „Der Turm der toten Seelen“ und „Schmutziger Schnee“ scheint es für den ehemaligen Star-Ermittler nun immerhin beruflich wieder ein wenig bergauf zu gehen, auch wenn seiner neuen Chefin sein besorgniserregender Medikamentenkonsum nicht verborgen geblieben ist und er sich zu Beginn des Trilogie-Abschlusses „Der Lügner und sein Henker“ wieder einmal in einer unfreiwilligen dienstlichen Auszeit befindet. Und für die eigene Rehabilitation ist es sicherlich auch nicht gerade förderlich, dass Leo Junker einen Anruf erhält, der seine Welt wieder einmal ins Wanken bringt: Sein Mentor und väterlicher Freund Charles Levin ist tot aufgefunden worden und alles deutet darauf hin, dass es sich dabei um Mord handelt. Mord an einem Freund und Mentor Trotz Zwangsurlaubs und seines instabilen Zustandes lässt sich Junker natürlich nicht davon abhalten, den gewaltsamen Tod seines Freundes zu untersuchen und reist auf eigene Faust ins beschauliche Bruket, wohin sich Charles Levin nach seinem Pensionsantritt zurückgezogen hatte – und wo er am Tisch seines eigenen Hauses kaltblütig erschossen wurde. Weil die Polizei kurz vor dem schwedischen Mittsommerfest alle Hände voll zu tun hat und aufgrund der Feierlichkeiten dramatisch unterbesetzt ist, nutzt Leo das Chaos, um sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen in die Mordermittlung einzuschleusen – ein Schritt, der seine Karriere endgültig vor die Wand fahren lassen könnte. Doch wer den immer noch vergleichsweise jungen Ermittler aus den Vorgängerbänden kennt, dürfte von diesem Starrsinn und dem Hang zur Selbstzerstörung nicht überrascht sein, denn sonderlich viel Rücksicht auf das eigene Wohl hat Leo Junker in seinem Leben bisher ohnehin nicht genommen. Auf der einen Seite möchte man beim Lesen daher oft die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, andererseits kann man aber auch verstehen, dass Leo beim Mord an seinem Mentor nicht einfach stillhalten und die Kollegen ihr Arbeiten machen lassen kann. Alle Fäden laufen zusammen Während es bei vielen Krimireihen oft keine große Rolle spielt, ob man mitten in die Serie einsteigt, so verhält sich dies bei Christoffer Carlssons Leo-Junker-Reihe definitiv anders. Junkers Geschichte ist eindeutig bewusst als Trilogie angelegt und wer die Handlung von „Der Lügner und sein Henker“ im vollen Ausmaße verstehen will, für den ist die Kenntnis der ersten beiden Bände unerlässlich. Schon früh merkt man bei der Lektüre, dass sich hier der Kreis schließt und sich ein großes Gesamtgebilde zusammenfügt, nämlich wenn Leo Junker bei seinen Nachforschungen in Bruket auf die junge Polizistin Tove Waltersson trifft – welche ausgerechnet die Schwester des Mannes ist, der bei der eingangs erwähnten fehlgeschlagenen Polizeiaktion durch Leos Kugel den Tod fand. Doch auch viele andere Puzzleteile setzen sich im Verlauf dieses dritten Buches zusammen und so spielt zum Beispiel auch Junkers Jugendfreund Grim, der das Leben des Protagonisten maßgeblich geprägt hat, wieder eine wichtige Rolle. Freund oder Verräter? Zentraler Punkt der Geschichte ist jedoch die Figur Charles Levin, die vom Autor so umfassend beleuchtet wird, dass es häufig den Anschein hat, als wäre dieser die Hauptfigur dieses Buches und nicht etwa Leo Junker. Um Licht in die Geschehnisse um Leos Mentor zu bringen, greift Christoffer Carlsson auch diesmal wieder zu einem Mittel, welches schon „Der Turm der toten Seelen“ und „Schmutziger Schnee“ geprägt hat: Immer wieder springt der Autor zwischen mehreren Zeitebenen hin und her, was anfangs vielleicht noch ein wenig verwirrend sein mag, im späteren Verlauf aber viel zur Spannung dieses Buches beiträgt. So besucht man als Leser nämlich genau die entscheidenden Schicksalspunkte in Charles Levins Leben, die viele Jahrzehnte später zu seinem Tod geführt haben und kann dadurch nach und nach die einzelnen Teile dieses Rätsels zusammensetzen. Es ist zwar etwas schade, dass Leo Junker selbst dabei ein wenig in den Hintergrund treten muss, Charles Levin hat als Charakter aber so viel Potenzial, dass er ein mehr als würdiger „Ersatz“ ist. Auf den Spuren von Stieg Larsson und Henning Mankell? In seiner Heimat wurde Christoffer Carlsson längst als Erbe von Krimi-Legenden wie Henning Mankell und Stieg Larsson gefeiert und während man sich bei der Lektüre des ersten Bandes vielleicht noch etwas überrascht gefragt hat, wie es zu diesen Vergleichen kommen konnte, so zeigt „Der Lügner und sein Henker“ doch klar, warum Carlsson als Teil der nächsten Generation schwedischer Bestsellerautoren gehandelt wird. Der Autor erzeugt in seinen Büchern nämlich eine sehr ähnliche (oft deprimierende und hoffnungslose) Grundstimmung, die vor allem das politische und gesellschaftliche Bild Schwedens betrifft: So ging es in „Der Turm der toten Seelen“ um die von Drogen und Gewalt geprägten Brennpunkte Schwedens wie Leo Junkers Heimat Salem, in „Schmutziger Schnee“ um die Eskalation des Fremdenhasses und der finale Band liest sich in vielen Momenten fast wie ein Spionageroman des Kalten Krieges mit geheimen Intrigen, Korruption und Verrat – der Originaltitel des Buches „Mästare, Väktare, Lögnare, Vän“ (übersetzt so viel wie „Mentor, Beschützer, Lügner, Freund“) erinnert dabei sicherlich nicht von ungefähr an einen gewissen John Le Carré. Höhepunkt und würdiger Abschluss der Leo-Junker-Trilogie Trotzdem sollte man die Kirche im Dorf lassen: Christoffer Carlsson ist kein Stieg Larsson und wer von der Leo-Junker-Reihe einen neuen Mega-Erfolg wie die Milennium-Reihe erwartet, der wird vermutlich nicht nur enttäuscht werden, sondern tut dem Autor auch Unrecht. Carlssons Trilogie hat nicht das enorme Suchtpotenzial wie das vermeintliche Vorbild und auch keine derart schillernden Persönlichkeiten wie Lisbeth Salander oder Mikael Blomqvist, die ganz alleine eine Geschichte tragen können. Trotzdem sind die Bücher um Leo Junker nicht nur absolut lesenswert, sondern finden in „Der Lügner und sein Henker“ auch ihren würdigen Höhepunkt: Es ist einfach beeindruckend, wie sicher und gekonnt Christoffer Carlsson hier alle Fäden zusammenführt und die drei Teile seiner Trilogie zu einem faszinierenden und wuchtigen Gesamtbild zusammenfügt, das man noch nach dem ersten Band so wohl nicht unbedingt erwartet hätte. Der Mordfall Charles Levin mag an sich vielleicht nicht unbedingt spektakulär sein und brillante Ermittlerfähigkeiten erfordern, trotzdem erzeugt der Autor mit seinen kurzen Kapiteln und den Sprüngen in die Vergangenheit eine enorme Sogwirkung, der man sich erst dann entziehen kann, wenn jedes einzelne Puzzlestück an seinem Platz liegt. Christoffer Carlssons Leo-Junker-Reihe mag vielleicht nicht unbedingt aufgrund der einzelnen Fälle in Erinnerung bleiben – wohl aber aufgrund ihrer Charaktere und ihrer persönlichen Geschichten, die hier alle ihren Abschluss finden. Und so bleibt die Hoffnung, dass die letzten Worte des Buches vielleicht noch eine kleine Hintertür zu einer Fortsetzung um die Figur Leo Junker offen lassen – oder um es mit Christoffer Carlssons Worten zu sagen: „Ade, Leo, zumindest bis wir uns wiedersehen.“

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