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Rezension zu
So viel Anfang war nie

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Die Welt ist ein Dorf

Von: YukBook
27.07.2017

Romane über die deutsche Wiedervereinigung hatte ich bisher nicht so im Visier. Eine Leseprobe aus diesem Buch machte mich jedoch neugierig auf die Protagonisten Hans und Linda Blumental, die mit ihrem 7er BMW von ihrer Heimat Düsseldorf nach Brandenburg reisen und ihre ersten Eindrücke schildern. Herzdorf – so heißt der Schauplatz des Geschehens, der in Christhard Läpples Roman nach der Wende eine wundersame Verwandlung durchmacht. Seit den frühen neunziger Jahren, so schreibt Läpple im Prolog, hat der Berliner die Menschen in dieser Region beobachtet, war selbst Teil davon, da seine Familie die Wochenenden auf dem Land verbrachte. Aus zahlreichen persönlichen Interviews, Beobachtungen und Erinnerungen ist das lebendige Porträt eines Musterdorfs entstanden. Doch zurück zu den Blumentals. Für Ehefrau Linda ist Herzdorf nicht mehr als ein trostloses Kaff in der brandenburgischen Provinz. Ihr Mann dagegen blüht förmlich auf, sieht als Landschaftsarchitekt all das Potenzial, das in diesem Fleckchen Erde steckt. Ursprünglich sollte er sich nur um die Sanierung einer baufälligen Kirche kümmern, doch kaum ist sein Abenteuergeist geweckt, will er gleich das ganze Dorf retten. Der Autor hat mit Blumental einen ganz unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Ablehnung und das Misstrauen der Bewohner stacheln den Mittfünfziger nur noch mehr an, die Dorferneuerung als Lebensaufgabe zu sehen und sich zu verwirklichen. Sein verklärter Blick und seine romantischen Visionen ließen mich immer wieder schmunzeln. Geplante Umbaumaßnahmen verpackt er in lyrische Zauberwörter und verkauft sie den Bewohnern als sanften Tourismus und ‚Integrierte Ländliche Entwicklung‘. Schließlich hat ihn Theodor Fontane inspiriert, der die Landschaft in der ostdeutschen Provinz ebenfalls pries und das Dorfleben mit Freiheit gleichsetzte. Damit unterscheidet sich der visionäre Landschaftsplaner zumindest von jenen arroganten Investoren, die großspurig schnelle satte Gewinne versprechen. Die Figur steht aber auch für all die Städter, die dem Konkurrenzdruck und Stress entfliehen wollen und sich nach Freiheit, Ruhe und einem beschaulichen ländlichen Leben sehnen. Unterdessen wandelt sich Herzdorf zusehends. In der restaurierten Kirche entsteht ein Theater, ein Hotel und ein Freizeitpark werden gebaut. Das Einzige, was sich nicht verändert, sind die Menschen. Der Kontrast zwischen dem tatkräftigen Blumental, der den Gründergeist verkörpert, und den scheuen, misstrauischen, fast apathischen Dorfbewohnern schien mir ein wenig übertrieben, doch offenbar trafen tatsächlich zwei Welten aufeinander. Dass Blumental sein Vorhaben über die Menschen hinweg durchzieht, wird ihm zum Verhängnis. Als er auch noch eine Affäre mit einer jüngeren Frau beginnt, bekommt der dokumentarische Bericht fast Züge einer Seifenoper. Neuanfänge zählen für mich zu den spannendsten Romanthemen überhaupt, ganz gleich ob sie Figuren oder Orte betreffen. Auch dieses Buch hat mich nicht enttäuscht. Treffender könnte der Titel für dieses historisch lehrreiche und feinsinnige Dorfporträt kaum sein.

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