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Rezension zu
Schweinebande!

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

FLEISCHFREIES FLEISCH – WILL ICH DAS WISSEN?

Von: Lotta
04.08.2017

Manchmal fragt man sich beim Lesen schon, ob man das, was man da gerade erfährt überhaupt so genau wissen will. Too much information – denke ich selbst dann. Aber als mündiger Erdbewohner sollte man halt nicht Augen und Ohren verschließen, sondern muss sich mit dem auseinandersetzen, was der Alltag einem bietet. Seien es Umweltkatastrophen, Terroranschläge – oder die zum Glück daneben doch fast harmlos wirkenden Lebensmittelskandale. Um so einen dreht es sich bei Franz Josef Voll und seiner „Schweinebande! Der Fleischreport. Ein Metzgermeister über die Praktiken seiner Zunft“ (Ludwig Verlag). Worum es genau geht, sagt einem ja bereits der Titel und dass es hier recht schmutzig zugeht, lässt sich leicht erahnen. Der Autor beschreibt die Inhalte und Erfahrungen seines Werdegangs vom Metzgerlehrling über den Meister und die Tätigkeit bei Konzernen und Schlachtereien bis zum Lebensmittelkontrolleur. Er weiß also sehr genau, wie das mit der Wurstproduktion zu laufen hätte und kennt andererseits auch allerlei Tricks der Industrie. Aber auch die Zunft selbst kommt nicht ungeschoren davon, denn, dass es immer weniger richtige Metzger und dafür immer mehr Massenproduktion gibt, haben sie mitverschuldet. In dem Bemühen, möglichst viele Kunden mit möglichst günstiger Ware zu versorgen, senkten etliche die Qualität der Ware und begannen zu tricksen. Minderwertiges Fleisch wurde mit Fett und Wasser gestreckt, Fertiggewürzmischungen sorgten für den runden Geschmack und die Salami reifte in Windeseile unter Vakuum. Während die Zaubermittelchen zunahmen, schrumpfte jedoch die Kenntnisse der Metzger, kritisiert Voll und berichtet von unwissenden Azubis und unfähigen Meistern. Das macht einem schon etwas Angst, aber es sind Dinge, die man mittlerweile (ich zumindest) schon einmal gehört oder gelesen hatte und, mit denen man sich irgendwie schon abgefunden hat. Möglich gemacht hat das alles die Industrie und wenn die dann auch noch direkt mitmischt, wird es grenzwertig. Metzgereien begannen plötzlich, industriell gefertigte Wurstkonserven anzubieten und sägten an ihrem eigenen Ast – schon pervers. Analogwurst, Toastie, Rügenwälder Mühle (ja, hier werden konkret Namen genannt, was ich sehr schätze!) und vieles mehr nimmt Voll unter die Lupe und informiert uns nicht nur, was da eigentlich drin steckt, sondern auch, was die damit verbundenen Risiken sind – für die Zunft, die Konsumenten und die Zukunft. Wir erhalten Einblicke in Massenschlachtungen, bei denen kranke Tiere unauffällig verarbeitet werden, weil es ja keiner mitbekommt, in denen das Blut mit Erbrochenem und Urin verunreinigt ist und trotzdem genutzt wird, weil man es am Ende nicht schmecken kann – bäh sag ich da nur. Das ist schon alles verdammt eklig. Dass das aber überhaupt so möglich ist, liegt auch an unmotivierten oder bestechlichen Kontrolleuren, die gar nicht sehen wollen, wenn etwas nicht stimmt. Wer also wirklich wissen will, wozu die Industrie fähig ist und, warum die Tage des Metzgerhandwerks womöglich gezählt sind, der findet hier etliche Antworten. Eine spannende, traurige, schockiernde und sehr offene Reportage, die uns nicht mit der Frage zurücklässt „will ich überhaupt noch Fleisch essen?“, sondern „will ich überhaupt noch etwas essen, das ich nicht selbst hergestellt habe?“

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