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Rezension zu
Marlenes Geheimnis

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Was für ein großartiges Buch!

Von: Susanne Edelmann
11.09.2017

Als Lokaljournalistin berichte ich häufig über Gratulationstermine, wenn in unserer Gemeinde jemand einen runden Geburtstag (ab 90 Jahren aufwärts) oder ein besonderes Ehejubiläum feiert und der Bürgermeister zum Gratulieren kommt. Ich übernehme diese Termine immer gerne, weil die Jubilare meist viel zu erzählen haben. Ihrem Alter geschuldet, haben sie den Krieg miterlebt, mussten häufig Flucht und Vertreibung erleiden. Oft gehen die Jubilare beim Erzählen nicht sehr ins Detail, man erfährt nur, dass sie zum Beispiel aus dem Sudentenland stammen, nach dem Krieg vertrieben wurden und dann auf vielen Umwegen in unserer Gegend landeten, wo sie sich eine neue Existenz aufgebaut haben. Oft genug reichen aber schon diese wenigen Angaben aus, dass ich mir im Stillen denke: Aus dieser Lebensgeschichte könnte man einen Roman schreiben. Die Autorin Brigitte Riebe hat genau das getan. In ihrem Roman kommt Nane nach vielen Jahren zurück an den Bodensee, wo sie einst viele glückliche Ferien bei ihrer Tante Marlene und ihrer Großmutter Eva verbracht hat. Doch nun ist Eva gestorben und bei ihrer Beerdigung treffen Marlene, Nane und Nanes Mutter Vicky nach langer Zeit wieder aufeinander. Zwischen den ungleichen Schwestern Marlene und Vicky kommt es wie so oft zum Streit und Vicky reist bald wieder ab. Nane hingegen entschließt sich, noch eine Weile zu bleiben. Eva hat ihr ein altes Tagebuch vererbt, in dem sie ihr Leben festgehalten hat. So erfährt Nane, dass Eva in Reichenberg im Sudetenland aufgewachsen ist. Sie spricht deutsch und tschechisch und weder ihre Familie noch ihre Freunde machen einen Unterschied zwischen den beiden Volksstämmen, die hier leben. Das ändert sich jedoch schlagartig mit dem Zweiten Weltkrieg: Evas Vater wird zur Wehrmacht eingezogen, ihre große Liebe Jan hingegen taucht unter und schließt sich den Partisanen an. Als die Russen einmarschieren, kommt es zu einem tödlichen Zwischenfall. Mit dem Kriegsende ist die Leidenszeit noch nicht vorbei, ganz im Gegenteil: Die Tschechen machen in ihrem Hass auf alles Deutsche keinen Unterschied zwischen Nazis und denen, die gegen den Nationalsozialismus waren, es wird gemordet, vergewaltigt, gebrandschatzt. Eva, mittlerweile schwanger von Jan, gelingt zusammen mit ihrer kranken Mutter und ihrer Freundin die Flucht, die sie von einem Auffanglager zum nächsten führt. Eva muss viele Schicksalsschläge erleiden, bevor sie schließlich am Bodensee ankommt. Auch hier wird sie als Flüchtling und unverheiratete Mutter nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen, doch über die Jahre schafft sie es, sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Nane ist von der Geschichte ihrer Großmutter völlig in den Bann gezogen, denn das Tagebuch enthüllt auch einige streng gehütete Familiengeheimnisse. Dann trifft Nane ihren alten Jugendfreund Simon wieder, der seinerseits kurz zuvor seinen Großvater verloren hat. Er bittet Nane, ihm beim Sichten des Nachlasses zu helfen. Dabei stößt Nane auf Aufzeichnungen, die eng mit dem Schicksal ihrer eigenen Familie verknüpft sind. Die Geschichte dreier Generationen wird nach und nach enthüllt und Nane fasst endlich den Mut, auch einige Weichen in ihrem eigenen Leben neu zu stellen. Der Roman hat mich von Beginn an gefesselt. Durch die beiden verschiedenen Zeitebenen, die sich im Buch regelmäßig abwechseln, bleibt es stets spannend und jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger. Ich konnte das Buch gar nicht mehr weglegen, habe einen Tag lang beinahe nonstopp durchgelesen und es spät am Abend dann doch beinahe bedauert, als ich das Ende erreicht hatte. Nach dem Aufwachen am nächsten Morgen galten meine ersten Gedanken wieder diesem Buch und der Geschichte, über die ich noch lange nachgegrübelt habe. Mein persönliches Fazit: Wenn mir auf einem künftigen Gratulationstermin der Jubilar wieder von Flucht und Vertreibung erzählt, werde ich vor diesem Schicksal dann wohl noch mehr Respekt haben, als ich das bislang eh schon hatte. Denn durch diesen Roman sind diese schrecklichen Erlebnisse für mich, die ich das alles ja zum Glück nicht selber erlebt habe, noch greifbarer geworden – von verständlicher will ich angesichts dieser furchtbaren Zeit lieber nicht sprechen. Und so ganz nebenbei hat der Roman in mir schöne Erinnerungen an unseren herrlichen Bodensee-Urlaub im vergangenen Jahr geweckt.

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