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Rezension zu
Und wenn die Welt verbrennt

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ulla Scheler, die mit Worten malt

Von: Tintentraeume
26.09.2017

Inhalt: Wenn Felix tagsüber seine Kreide verteilt, die neugierig an ihm vorbeihuschenden Menschen betrachtet, eine Person unter ihnen auswählt und auf dem kalten Stein unter ihm verewigt, dann fühlt er sich in seinem Element, denn Malen ist sein Talent. Malen ist sein Leben. Malen ist das einzige, in dem er sich von seinem, scheinbar in allen Bereichen talentierteren großen Bruder abzuheben zu vermag. Wenn Alisa bei Nacht heimlich in den Park schleicht, um die bunten Kreidebilder auf dem Asphalt zu betrachten, dann nur, weil sie ihrem grauen Leben ein wenig Farbe verleihen möchte. Ein großes, dunkles Geheimnis hütend, verkriecht sie sich in ihrer eigenen Welt, in der nur sie und die Einsamkeit einen Platz haben. Als Felix und Alisa aufeinanderstoßen, zwei Welten, zwei Leben kollidieren, treffen zwei Seelen aufeinander, die sich gegenseitig mehr brauchen, als sie zunächst ahnen. Doch ihre Liebesgeschichte wird ins Dunkel getaucht, denn Alisas Leben wirft tiefe Schatten, die zu bekämpfen Felix alles abverlangt. Meinung: Ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern, an dem ich innerhalb weniger Stunden, das Debüt von Ulla Scheler "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" verschlang. Graue Wolken hingen bedrohlich am Himmel, der Geruch von Pfefferminztee dampfte in der Luft und ich lag eingekuschelt mit meiner Lieblingsdecke und Flauschesocken auf dem Bett und wurde durch die bunten Worte der Autorin tief hinter die Seiten, tief in die Geschichte gesogen. Meine Erwartungen an "Und wenn die Welt verbrennt", dem neusten Buch aus der Feder der Jungautorin, waren demnach hoch. Erzählt wird die Geschichte um Alisa und Felix aus je zwei Perspektiven, in insgesamt drei Akten. Je im Wechsel legen uns die zwei Protagonisten in der Ich-Perspektive ihre Welt und ihre Gefühle zu Füßen und ermöglichen so einen sehr tiefen, emotionalen und nahen Einstieg in die Buchwelt. Was der Protagonist mit Kreide auf den Asphalt zu zaubern vermag, vermag Ulla Scheler mit Worten. Bildgewaltig, von Metaphern und Vergleichen triefend, malt die Autorin mit Buchstaben und zaubert dabei eine sehr atmosphärische Geschichte auf die Seiten. Auch wenn es, gerade wegen des eher ungewöhnlichen Schreibstiles, einige Kapitel mehr braucht, bis man als Leser das Schlupfloch in die Welt von Felix und Alisa findet, wenn man sie einmal betreten hat, riecht man förmlich den Kaffee aus Carlos Café, schmeckt die von Felix gekochte Tomatensoße auf der Zunge und sieht seine Kreidebilder, wie Alisa sie sehen würde, als kleine Bilder der Wahrheit, welche hinter die Fassade der Menschen blicken und sie so verewigen, wie sie tief in ihrem Inneren wirklich sind. Auch die Figuren kommen durch den Schreibstil gut zur Geltung und werden sehr detailreich vorgestellt. Besonders Alisa, mit ihrer tiefgründigen Denkweise, ihrer etwas geformteren und bildlicheren Sprache, regt zum Nachdenken an und ist, trotz des großen Geheimnisses, das sie mit sich trägt und erst auf den letzten Seiten offenbart und ihrer eher verschlossenen Art, ein sympathischer Charakter, den man nicht selten gerne in die Arme schließen würde. Felix bildet hier einen guten Kontrast, obwohl auch er sehr tiefgründig ist, präsentiert er sich mit einer gewissen Leichtigkeit, die jedoch trügerisch ist, denn auch Felix trägt seinen ganz eigenen Ballast mit sich herum. Ballast, den jeder von uns kennt und den jeder, in welcher Weise auch immer, schon einmal erlebt hat: Das Gefühl, nicht genug zu sein. Das Gefühl, nicht gut genug in etwas zu sein. Das Gefühl, nur Durchschnitt zu sein. All dies kreiert die Autorin sehr authentisch mit ihren Worten. Schreibtechnisch demnach ein absolutes Muss, was sich jedoch nicht von der Handlung behaupten lässt. Ulla Scheler schreibt in ihrer Danksagung, dass sich dieser Roman für sie unglaublich schwer schrieb und sie die Geschichte nicht gleich vor Augen hatte, dass sie sich in durchwachsenen Schreibphasen entwickeln musste - das merkt man leider auch. Die ersten ca. 300 Seiten folgen noch einem gewissen roten Faden, selbst wenn sich die Liebesgeschichte von Alisa und Felix relativ schnell entwickelt, schmälert das die Authentizität der Geschichte nicht, nicht die Glaubwürdigkeit der Figuren. Man versteht die Einsamkeit von Alisa, ihren tiefen Wunsch nach Zuneigung, die sie sich selbst, aufgrund ihrer Vergangenheit, verbietet. Man vollzieht nach, welche Geheimnisse Felix in ihren Augen sieht und warum er sich von ihr so sehr angezogen fühlt, weil Alisa, als einzige, die Wahrheit hinter seinen Kreidebildern sieht, weil sie ihn sieht. Soweit so gut, doch dann verlieren die Protagonisten Seite um Seite an Plausibilität, indem Szenen kreiert werden, die viel zu plötzlich auftreten und gar nicht so richtig zur eigentlichen Geschichte zu passen zu mögen. Es werden Entscheidungen von den Figuren getroffen, die keinen Sinn ergeben und auch gar nicht in ihren vorher gezeichneten Charakter passen. Schließlich wirkt die ganze Storyline nur noch konstruiert. Der Wendepunkt, der Höhepunkt und besonders das Ende - das in meinen Augen am wenigsten Sinn ergeben hat und wie ein Fremdkörper in der Geschichte wirkt - bleiben blass, bleiben flach. Die Handlung plätschert von sich hin und vermittelt den Eindruck, dass sie teilweise selbst nicht so genau weiß, wo sie eigentlich hin will. So steht letztlich ein großartiger Schreibstil einer nicht zu Ende entwickelten Geschichte entgegen und mag in ihrem Schatten zu versinken, mag an Überzeugungskraft zu verlieren und tritt in seiner Bewertung deutlich hinter dem Debüt der Autorin zurück. Fazit: "Und wenn die Welt verbrennt" von Ulla Scheler, verzaubert und bannt mit einem bildgewaltigen Schreibstil, der das Setting und die Gefühle der Figuren lebendig werden lässt, der die Realität des Lesers mit Kreidebildern der Buchwelt übermalt und real werden lässt. Handlungstechnisch kann der neuste Roman der Jungautorin jedoch nicht an den Debüterfolg anknüpfen und bleibt durchweg relativ blass, besonders gegen Ende muss die Geschichte zudem stark an Glaubwürdigkeit einbüßen - das nicht nur konstruiert, sondern auch überflüssig wirkt. Trotzdem bleibe ich Ulla Scheler - Fan, weil sie ihr Handwerk versteht, weil sie mit Worten malt und Buchwelten empor zaubert, die mit allen fünf Sinnen zu spüren, zu erleben und gerade dadurch so außergewöhnlich atmosphärisch sind.

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