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Rezension zu
Das ganze schrecklich schöne Leben

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ich bin nun mal ein Lober

Von: ralfreitze
10.10.2017

Schon früh in meinem Leben habe ich zu Konstantin Wecker gefunden. Meine Pubertät ist von diesem einzigartigen Liedermacher geprägt. Genug ist nicht genug und Eine ganze Menge Leben haben mich in dieser Zeit begleitet und die Adoleszenz im Leiden noch veredelt. Unvergessen ist der Besuch eines Konzertes von ihm, bei dem er so lange Zugaben gab, bis keiner mehr nach einer verlangt hat. Selbst dann kam er noch kurz heraus um das Kurzgedicht Bumerang zu rezitieren. Er hatte eine gehörige Portion Wut und Kraft in seinem Konzert. Jeder im Saal hat ihm dies auch abgenommen. Konstantin war in der Zeit mein persönlicher Held. 40 Jahre und mindestens 20 Livekonzerte später muss ich sagen, dass in ihm immer noch eine ungebeugte Kraft steckt, auch wenn er bei dem letzten Konzert anlässlich seines 70.Geburtstages im Zirkus Krone in München etwas müde wirkte. Es war das dritte Konzert hintereinander, und er spielte mit Pause über dreieinhalb Stunden. Indes, seine politischen Statements kamen nicht mehr so schlagkräftig. Dazu ist zu sagen, wenn ich mit 70 solch ein Pensum wie Wecker hätte, wäre ich froh überhaupt einen solchen Abend zu überstehen. Nun habe ich seine Autobiographie/Biographie in der Hand (Mehr zu dem Doppelwort später) und bin erstaunt, wie gut diese gelungen ist. Wecker hat Autobiographisches (nicht das meiste) dazu beigetragen, aber wichtig sind die zwei Wegbegleiter in seinem Leben, der Chronist Günter Bauch und der Analyst Roland Rottenfusser. Die Mischung aus den Dreien macht dieses Buch so interessant und gibt dem Leser einen umfassenden Überblick über den Menschen und das Leben des Konstantin Wecker. Wichtig im Gesamtkonzept Weckers ist die Liebe. Nicht die Wut und die Revolution, was man eigentlich von einem linken engagierten Liedermacher erwarten könnte, nein, die Liebe ist sein Credo. Bedingungslose Liebe hat er als Kind durch seine Eltern erfahren und sie hat ihn zu dem Menschen gemacht, der er heute ist. Das Motto seines Vaters war, dass man die Menschen loben soll, nur so kann man sie motivieren, das Beste zu geben. „Ich bin nun mal ein Lober“, sagte er zu seinem Sohn, und der hat dies in seinem Leben beherzigt. „Ach so viele sind so unglaublich schlau und haben Erziehungsmodelle und sprechen davon, wie man Kinder behandeln und bestrafen müsse – dabei muss man nur eines: sie bedingungslos lieben. Ohne Warum. So bedingungslos wie Gott uns liebt. Und auch wenn es keinen Gott geben sollte: Es ist ausschließlich diese bedingungslose Liebe, der wir unser Sein verdanken. Worte sind Symbole. Gott ist ein Symbol. Liebe ist ein Symbol. Und jetzt fragen Sie mich vielleicht: Ja, wofür denn? Für das Unbegreifliche, das wir immer in uns spüren, wenn wir einen kurzen Augenblick Zeit haben zwischen den Attacken unserer Gedanken.“ Wecker – ein Gläubiger? Der Mann, der jeden Tag einen neuen Papst haben wollte? Der schon früh sang: „Das sag ich euch, so möcht ich nicht begraben sein.“ Das muss nicht widersprüchlich sein. Wecker hat immer die Institutionen bekämpft, in denen die Menschen unmenschlich behandelt werden. Die Linken, die ihn instrumenatilisieren wollten, hatten sich deswegen früh von ihm abgewandt. Für ihn hieß es nicht, alles zerschlagen. Er wollte Liebe und Lust und das Uferlos. „Nicht Gut und Böse hießen seine Pole, sondern lustfördernd und lusteinschränkend.“ Und was war das mit dem Kokain? Wieder einer, der sich vom Ruhm und vom Geld hat blenden lassen? Doch auch hier zeigt Wecker Größe und thematisiert seine Schwäche, seine persönlichen Abgründe. Und geht gestärkt daraus hervor. „Wenn ich mich schuldig bekenne, dann wegen meines Missbrauchs an mir selbst und meinem Körper, aber nicht deswegen, weil ich etwas Verbotenes getan habe. Ich sah und sehe nicht ein, weshalb der Staat den Konsum willkürlich verbotener Drogen verfolgt und gleichzeitig heuchlerisch hoch angesehenen Verbrechern gestattet, mit Finanzspekulationen ganze Nationen zu vernichten und Millionen Menschen in Hungersnöte zu treiben.“ Wecker hat auch immer ein feines Näschen für die gesellschaftspolitischen Probleme seiner Zeit gehabt. Er ist nie stehen geblieben, er hat sich den aktuellen Themen gestellt und hat diese in seinen Liedern und Gedichten seinem Publikum näher gebracht. „Wecker ist überhaupt ziemlich zeitgeistresistent, was ihm viele als verbohrtes ‚Alt-68ertum‘ auslegen, in Wahrheit aber auf eine überzeitliche Überzeugungstreue hinweist, die sich in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen als nur allzu richtig und notwendig erwiesen hat.“ Konstantin Wecker ist einzigartig, was dieses Buch aus drei verschiedenen Perspektiven genauestens ausleuchtet. Seine Jugend, sein Absturz, seine Persönlichkeit. Die Abschnitte wiederholen sich gegen Ende, doch immer zeigt dieses Buch, was Wecker immer sein wollte: Einfach ein Mensch, mit allen Stärken und Fehlern. Einer von uns. Einer zum Anfassen und Lieben.

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