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Rezension zu
Boston

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Sieben Jahre und sieben Minuten...

Von: Elke Heid-Paulus
29.10.2017

...mussten zwei Arbeiterherzen bluten. Sieben Minuten und sieben Jahre - Diesen Schwur an ihrer Bahre: Alle für zwei. Ihr starbt nicht allein. Es soll ihnen nichts vergessen sein. (Theobald Tiger alias Kurt Tucholsky, 1927) Sacco und Vanzetti, wer kennt sie nicht? Die beiden italienischen Einwanderer, die in einem fragwürdigen Prozess zum Tode verurteilt und nach siebenjähriger Haft 1927 in Charlestown, Massachusetts hingerichtet wurden? Ihnen setzt Upton Sinclair in seinem halbdokumentarischen Roman „Boston“, bei Manesse nun in der Neuübersetzung von Viola Siegemund erschienen, ein literarisches Denkmal. Der Autor, Sozialist und als „mudraker“ verschrien, gibt mit seinen Werken denen eine Stimme, die ansonsten nicht gehört werden. Wie die beiden italienischen Einwanderer Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti, die dem „Vom Tellerwäscher zum Millionär Mythos“ folgen und 1908 nach Amerika kommen, um ihr Glück zu machen, doch bald darauf feststellen müssen, dass Wunsch und Wirklichkeit mit der Realität nichts zu tun haben. Einwanderer werden diskriminiert, politisch Andersdenkende verfolgt. Desillusioniert schließen sie sich der anarchistischen Arbeiterbewegung an, die der Ostküsten-Plutokratie ein Dorn im Auge ist und die nur auf die Gelegenheit wartet, einem der Aktivisten etwas anhängen und ein Exempel statuieren zu können. 1920 werden Sacco und Vanzetti verhaftet, man wirft ihnen Raubmord vor. Zeugen werden gekauft, Experten manipuliert, und 1921 werden die beiden nach einem fragwürdigen Prozess schuldig gesprochen. Eine Welle der Solidaritätsbekundungen schwappt über den großen Teich und auch Upton Sinclair ist nahe an dem Geschehen dran. Er recherchiert akribisch genau, liest die Protokolle, interviewt die Verteidiger und besucht Vanzetti im Gefängnis. Alles vergebens, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Alle Revisionsanträge der kommenden 6 Jahre laufen ins Leere, und so folgt am 23. August 1927 der Vollzug des Todesurteils durch den elektrischen Stuhl. 1928 erscheint Sinclairs Roman „Boston, a Contemporary Historical Novel”, in dem er die Fakten mit Fiktion verarbeitet und ein exaktes Bild, so ist zu vermuten, der amerikanischen Klassengesellschaft der „Roaring Twenties“ wiedergibt. Upton Sinclair (1878 – 1968), ein Autor, der kein Blatt vor den Mund genommen hat, ein Kämpfer gegen Unrecht und für die Unterprivilegierten. In seinen Romanen ging es ihm immer darum, soziale Missstände nicht nur bewusst zu machen sondern auch anzuprangern. Heute so aktuell wie damals, denn würde er 2017 einen Blick auf die Welt werfen, fände er wahrlich genügend Stoff für Dutzende neue Romane. Eine Bemerkung zum Schluss: Anlässlich des fünfzigsten Jahrestages der Hinrichtung rehabilitierte Michael Dukakis, Demokrat und Gouverneur von Massachusetts, Sacco und Vanzetti und gab eine Ehrenerklärung für die beiden ab – was ihnen nur leider nichts mehr genutzt hat. Nachdrückliche Leseempfehlung!

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