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Rezension zu
Der Fall Kallmann

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Herausforderndes Puzzle

Von: Michael Lehmann-Pape
20.11.2017

„Eine Bronzeskulptur von Kallmann sei genau das, was diese Mistschule brauche“. Eine Meinung, die Studienrat Möller nicht alleine vertritt, die aber im Kollegium der Schule, an der jener Kallmann bis zu seinem „Tod unter merkwürdigen Umständen“ durchaus umstritten ist. Sehen die einen ihn als arroganten Scharlatan mit „Clownereien“ als vorherrschendes Unterrichtsmodell, betrachten ihn andere eher als pädagogisches Genie. Sei, es, wie es sei, die Skulptur wird in diesem interessant angelegten Puzzle von Fall und, durchaus auch „Fällen“, nur eine Nebenrolle einnehmen. Wichtiger ist da schon Leon. Witwer, Frau und Kind tot. Der aus Stockholm in dieses kleine Nest „K.“ zieht mit einer gewissen Entfernung schon zur nächstgrößeren Stadt „Ö.“. Eine alte „Jugendliebe“ hat ihn auf die frei gewordene Stelle aufmerksam gemacht. Jene Ludmilla könnten da allerdings unter Umständen auch persönliche Beweggründe bewegt haben, jenen Leon in ihrer Nähe zu wissen. Der Leser wird, so legt es Nesser in diesem Werk an, aus vier Perspektiven heraus, vielfache Informationen und Einblicke in das Leben vor Ort und die Geschehnisse um jenen Kallmann herum erhalten, die erst im Gesamten und erst zum Ende sich in wichtige und unwichtige Informationen, in echte und vermeintliche Taten hin zusammenfügen werden. Eine der Perspektiven, Ludmillas, wird dabei mehr die privaten Hintergründe vor Ort ins ich tragen. Leon selbst erhält als Arbeitsplatz den alten Schreibtisch eben jenes Kallmanns mitsamt einiger sehr persönlicher Entdeckungen, die das verstorbene „Lehrer-Urgestein“ in recht zwiespältigem Licht erscheinen lassen werden. Mord und Gewalt auf jeden Fall, so eine der Botschaften des Werkes, reduzieren sich nicht auf die Schmelztiegel der Metropolen, sondern lassen sich in perfider Weise auch in der Provinz finden. Zumindest, wenn man, wie Kallmann es von sich behauptet, einen fast telepathischen „Blick in die dunklen Seiten“ anderer zu werfen versteht. Dies, in Verbindung mit aktuellen Themen der Zeit (auch in K. treiben Jung-Nazis ihr Unwesen) ergibt eine Lektüre, die langsam, aber mit sicherer Hand, mehr und mehr Spannung aufbaut. Und da dem Leser lange Zeit nicht klar ist, welche Perspektiven und Indizien wirklich wichtig sein werden (ebenso, wie der jungen Schülerin anfangs überhaupt nicht klar ist, warum ihr Mitschüler Charlie so intensiv solch merkwürdige Fragen nach möglichen ehemaligen Gefängnisaufenthalten einiger ihrer Familienmitglieder oder, ebenso, nach unerklärlichen Todesfällen in ihrer Familie, stellt). Auch wenn hier und da ein gewisser Drang zum Überblättern sich einstellen mag, weil manche Kapitel zu wenig mit „dem Fall“ zu tun zu haben scheinen, diesem Drang sollte man als Leser doch widerstehen, denn am Ende gehört alles zu einem großen Bild, das Nesser in einem (etwas zu ruhigen) Stil dem Leser langsam, aber stetig, gänzlich enthüllen wird. Indem Nesser vor allem die Innenwelt seiner Protagonisten voranstellt und das menschlich-allzu menschliche in den Mittelpunkt rückt, legt er eine ruhige und intensive „Fallstudie“ zwischenmenschlichen Seins in der Provinz (die durchaus tödliche Folgen haben kann) vor, die (trotz mancher Längen und zu vielen Details hier und da) anregend unterhält.

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