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Rezension zu
Ich bin nicht tot

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Zerbrechliche Figuren ...

Von: Thomas Lawall
10.01.2018

Wie man sich täuschen kann. Ganz unten im Stapel lag es, weil der Rezensent dachte, ihn würde ein weiterer Thriller von der Stange erwarten. Hätte er vorab einmal die erste Seite gelesen, wäre das Buch wohl längst besprochen worden... So viel wie der Klappentext verrät, muss gar nicht erzählt werden, denn in diesem Thriller zählt nicht nur die Geschichte. Eindringlich genug ist sie auf jeden Fall, doch weitaus bewegender ist die Art und Weise, wie sie erzählt wird. Anne Frasier ist es nicht nur gelungen, sich in die Situation von Detective Jude Fontaine halbwegs hineinzuversetzen. Vielmehr ist es fast so, als ob sie jene Ereignisse selbst erlebt hätte. Leserinnen und Leser erwartet somit ein beklemmender Realismus, zumal es ähnliche Fälle tatsächlich gegeben hat. Dennoch ist es nicht wirklich vorstellbar, was Menschen in Gefangenschaft tatsächlich mitmachen und ertragen müssen. Irgendwann hört man wohl tatsächlich auf zu schreien, sobald man erkannt hat, dass es wenig Sinn macht. Polizistin Jude wurde entführt und in eine winzige Zelle eingesperrt. Um diesen Albtraum zu überstehen, müssen gewisse Mechanismen entwickelt werden. Es gilt zu überleben und nicht verrückt zu werden. Sie muss aufgeben, "über die Welt außerhalb der fensterlosen Kammer nachzudenken". Dies zu beschreiben gelingt der Autorin auf beklemmende Weise. In Gefangenschaft schärfen sich Judes Sinne. Sie lernt im Dunkeln zu sehen, hört das kleinste Geräusch und bildet ihren Geruchssinn aus. Ihr Leben in der schalldichten Kammer ist kein Vergleich zu "den Schwingungen der Welt". Kaum entkommen, überwältigt sie eine Flut von Sinneseindrücken in einem Taxi. Selbst Kleinigkeiten, wie beispielsweise "die Art, wie sich der Sitz an der Rückseite ihrer Beine anfühlt ...". Die Welt scheint fortan zweigeteilt zu sein, denn es gab ja auch die Zeit, "bevor sie gestorben" ist. In gewisser Weise. Doch tot ist sie ja wahrlich nicht - womit bereits auf Seite 44 das Buch seinem Titel gerecht wird. Was sich in anderen Geschichten am Ende ereignet, passiert in "Ich bin nicht tot" also zu Beginn. Die Flucht gelingt. Doch die Erlösung ist sie nicht, denn nun beginnt das in diesem Zusammenhang völlig Unerwartete. Und dabei ist das Thema Würde nur eines der Probleme. Opfer leiden zweimal. "Einmal durch die Handlungen des Täters und einmal durch die Reaktion der Außenwelt." Und so, wie das Buch den gewohnten Verlauf auf den Kopf stellt, gibt es Überraschungen und unerwartete Wendungen ebenfalls nicht erst am Schluss des Buches. Dinge passieren, so unbegreiflich sie sein mögen. Ein Heruntererzählen ist es jedoch wahrlich nicht, denn immer wieder rückt die Autorin die Zerbrechlichkeit ihrer Figuren in den Vordergrund. Deren traumatische Vergangenheit - Jude ist mit ihrem Kummer nicht allein - stehen im Vordergrund, sowie die Interaktionen mit Kollegen und Angehörigen der Opfer. Die Intensität der Worte, mit welcher Anne Frasier das Undenkbare zu beschreiben versucht, die schon fast hilflos erscheinenden Versuche, nach schwersten Demütigungen und Traumatisierungen, sowie nach dem Teufelskreis aus Schuldgefühlen wieder ein normales Leben zu versuchen, lassen keine Sekunde Zweifel an Glaubwürdigkeit aufkommen. Ein Thriller, der nicht nur einen Fokus auf die Straftaten selbst, sondern sich auch und vor allem mit deren Folgen auseinandersetzt. Der sozialkritische Touch sorgt ebenfalls dafür, dass sich "Ich bin nicht tot" deutlich von der Masse der Neuerscheinungen des Genres abhebt.

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