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Rezension zu
Wir werden erwartet

Die Macht der Sprache demonstriert

Von: Ponine T.
19.02.2018

Die Welt steht Hilla Palm offen. Nach langem Suchen hat das Mädchen aus einfachem Hause endlich ihre Heimat gefunden: in der Literatur und Hugo, dem Mann, der Hilla mit all ihren bitteren Erfahrungen annimmt. Zusammen entdecken sie die Liebe und erleben die 68er Jahre, in denen alles möglich scheint. Doch dann durchkreuzt das Schicksal ihre Pläne, und verzweifelt sucht Hilla Halt bei Menschen, die für eine friedvollere, gerechtere Welt kämpfen. Die marxistische Weltanschauung wird ihr zum neuen Zuhause. Beherzt folgt sie ihren Überzeugungen und muss am Ende doch schmerzlich erkennen, dass Freiheit ohne die Freiheit des Wortes nicht möglich ist ... Wohl kaum eine Serie fesselt mich beim Lesen von der ersten Seite an so sehr wie Ulla Hahns autobiographisch geprägte Erzählung über Hilla Palm. Aufgewachsen als Kind eines Arbeiters in einer rheinisch-katholischen Familie begleitet der Leser sie über vier Bände hinweg, wie sie ihren Weg macht und dabei die Kraft des Wortes kennenlernt. So habe ich darauf hingefiebert, endlich den Abschlussband in Händen zu halten und ihm genügend Zeit einräumen zu können. Eine Woche Ferien war dazu notwendig und viel Zeit zum Nachdenken im Anschluss, um das alles zu verdauen, was in den über 600 Seiten auf den Leser einprasselt, ihn hinwegschwemmt und mit Hilla gemeinsam auf die Suche bringt. Am Anfang des Romans begleiten wir Hilla auf einem Weg der Liebestaumelei und der Sicherheit. Die glaubt sie, bei Hugo gefunden zu haben, fernab von der Welt der Eltern. Bei einer Reise nach Rom ist es zum ersten Mal für sie möglich, mit dem Vater einen inneren Frieden zu schließen, ihn zumindest im Ansatz nachvollziehen zu können. Tatsächlich waren die drei Bände zuvor erst einmal die Emanzipation vom Vater, von der eigenen Herkunft, die jetzt auf den Kopf gestellt wird. Als Hugo bei einem Unfall stirbt, bricht Hillas Sicherheit weg. Köln, Dondorf, der Rhein - all das ist belegt mit Vergangenheit, Erinnerung, Vergänglichkeit. Selbst die Wörter gehorchen nicht mehr richtig, gehören nicht mehr Hilla und sind nicht mehr ihre Sprache - zumindest fühlt es sich so an und deshalb bricht sie ihre Doktorarbeit ab. Stattdessen richtet sie sich neu aus, wagt einen akademischen und ideologischen Neustart in Hamburg. Die DKP, die Kommunisten, das ist es, was die Verbindung zum Vater herstellt. Ihre nicht verleugbare Herkunft zu umarmen wird zu Hillas neuer Lebensaufgabe, die sie erst einmal wachsen lässt. Geborgenheit in der eigenen Herkunft finden, wenn man das so sagen kann, ist letztlich Hillas großes Ziel und gelingt ihr vordergründig auch erst einmal sehr gut. Die Szenen mit den Eltern, die sie akzeptieren lernt, mit denen sie erstmals wirklich Gespräche führen kann, sind unglaublich stark geschrieben, sind sehr genaue Beobachtungen und zeigen viel von Hillas Entwicklung. Ebenso sprachgewaltig sind natürlich die vielen politischen Exkurse, die diesmal im Buch warten. Seien es die Diskussionen in den Kommunen zu Beginn des Romans, in denen immer wieder diese herrlichen luftleeren Platitüden aneinandergereiht sind, die mich immer sehr sprachlos zurücklassen, weil ich bereits nach einem halben satz inhaltlich nicht mehr folgen kann, oder die zwar sprachlich einfacheren, inhaltlich aber ebenfalls nur halbgaren Erörterungen zum real existierenden Sozialismus - Ulla Hahn lässt alle zu Wort kommen. Darunter leidet das Buch aber für mich auch ein wenig, denn grade am Ende muss man wirklich Durchhaltevermögen beweisen, weil inhaltlich nicht viel pasiert, aber viel geredet wird, und ich gestehe, dass ich so zwei, drei Seiten nur überflogen habe. Was mir sehr gut gefallen hat, sind die wie auch schon im Vorgänger immer wieder eingestreuten Gedichte von Ulla Hahn, die ihre Entwicklung als Lyrikerin mitzeigen und sie inhaltlich in ihrer Biographie mit verordnen. Und natürlich die Exkurse, in denen Hilla einer namenlosen ältere Frau begegnet, in der man Ulla Hahn erkennen will, die mit ihr über Hillas Leben oder Zukunft reflektiert - eine Metaebene, die das Buch raus aus dem rein autobiographischen Schreiben bringt und stattdessen die Macht des Wortes an sich mit demonstrieren kann, die selbst das Unmögliche möglich machen kann. Ja, ich bin beeindruckt vom Buch. Es ist nicht leicht verdaulich, es ist manchmal sperrig, es ist eine Lust an der Sprache, die man hier erkennt, die man nicht bei vielen Autoren findet. Und es ist genau deswegen nciht nru ein würdiger Abschluss, sondern einfach nur ein unglaublich gutes Buch.

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