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Rezension zu
Gullivers Reisen

Wertvolles Sammlerstück

Von: Thomas Lawall
03.03.2018

Da kommen Erinnerungen hoch. An Verfilmungen und das, was man in Kindertagen gelesen hat. Damals faszinierten die Superlative auf den Inseln "Lilliput" und "Blefuscu" sowie deren Umkehrung in "Brobdingnag". Kinderherzen schlugen höher, wenn fabuliert wurde, dass wohl mindestens 1724 Lilliputaner in den Körper Gullivers passen würden. Später durfte er an eigenem Leib erfahren, wie man sich als "Kleinwüchsiger" fühlt, als ihn ein Riese mit Daumen und Zeigefinger packte, um dieses vermeintlich gefährliche Tier zu inspizieren. Natürlich waren das die entschärften Versionen für Kinder und Jugendliche, weshalb auch heute längst nicht jeder weiß, dass es sich bei "Gullivers Reisen" um einen satirischen Roman handelt. Aus heutiger Betrachtungsweise sind gesellschaftliche Seitenhiebe, die der Autor auf sehr originelle Art und Weise in seinen Text eingebaut und versteckt hat, eine kleine Sensation, und das nicht nur, weil sie teilweise mühelos auf heutige Verhältnisse übertragbar sind. Beispielsweise werden Kriege zwischen "Hochhacken" und "Flachhacken" ausgetragen. In der Tat geht es hier um eine ebenso langwierige wie ernsthafte Auseinandersetzung um die Höhe von "Schuhabsätzen". Es ist auch keineswegs egal, von welcher Seite man ein Ei aufschlägt. Usus war, dies am runden Ende zu tun, was der damalige Kaiser aber aufgrund eines ernsten Vorfalls unter Strafe stellte. "Rundendlerismus" galt fortan als Ketzerei. Allerdings regte sich in der Bevölkerung Widerstand und man ging lieber in den Tod, als sich zu unterwerfen und die Eier "fürderhin am spitzen Ende aufzuschlagen". Für die Deutung dieser Kuriositäten ist es deshalb für den an Hintergrundwissen interessierten Leser eine große Hilfe, das Lesebändchen in den Anmerkungen ab Seite 645 einzulegen, um anhand von 193 Fußnoten jeweils sofort nachschlagen zu können, was Jonathan Swift tatsächlich meinte und ausdrücken wollte. In diesem Zusammenhang sind auch die Anmerkungen der Übersetzerin interessant, die auf falsche Zeitangaben hinweisen. Unglaublich hingegen, dass er zwar Geistlicher war, mit Kritik bezüglich kirchlichen und politischen Themen aber keineswegs sparte und mit jener an der menschlichen Vernunft, die im vierten Kapitel den Höhepunkt findet, schon gar nicht! Die wohldosierten Worte des "Verlegers" in der Einleitung warnen vor einem "schlichten und einfachen" Schreibstil, gleichwohl vor einer umständlichen Ausdrucksweise. Dieses Leseerlebnis der ganz besonderen Art haben wir wohl der ambitionierten Übersetzungskunst von Christa Schuenkes zu verdanken. Zu diesem "Behufe" kann es durchaus sinnvoll sein, sich ein Zettelchen bereitzulegen, um gewisse Wortschätze einmal zu notieren, die im heutigen Sprachgebrauch leider fast völlig oder ganz verschwunden sind. Jene "Patina" war ihr ein Anliegen, auch jenes, welche die geneigte Leserschaft in den "fiktiven Realismus" Swifts geradezu eintauchen lässt. Das frühe 18. Jahrhundert fühlbar zu machen ist ihr gelungen. Weniger erbaulich ist der kleine Schriftgrad, der, insbesondere der älteren Leserschaft, einiges an eventuell nicht mehr vorhandener Sehstärke abfordert. Grenzwertig wird es gar in den einleitenden, kursiv gedruckten Texten der Kapitelanfänge sowie im winzigen Fußnotentext. "Lilliput" lässt grüßen. Den positiven Gesamteindruck kann dieser Umstand jedoch "nichtsdestominder" schmälern. Die liebevolle Aufmachung des im Postkartenformat gestalteten Büchleins ist nicht nur die Jubiläumsausgabe zum 350. Geburtstag des Autors, sondern auch ein wertvolles Sammlerstück, wobei "welchselbiges" sich nach einmaligem Lesen nicht unbedingt ins Bücherregal verabschieden möchte, sondern am liebsten noch einmal gelesen werden möchte.

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