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Rezension zu
Es war einmal im Fernen Osten

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Eine beeindruckende (Frauen-)Geschichte aus China

Von: Ramona | El Tragalibros
13.04.2018

Xiaolu Guos kraftvolle Erzählstimme habe ich bereits kennen- und lieben gelernt in ihrem Roman „Ich bin China„. Mit „Es war einmal im Fernen Osten“ hat sie ein ganz persönliches Buch verfasst, das den Leser tief im Mark erschüttert: Xiaolu Guo berichtet von ihrer Kindheit und dem Heranwachsen in einem China, das von der Kulturrevolution sowie der Ein-Kind-Politik gebeutelt ist. Sie erzählt ihre schwierige Familiengeschichte und von den traditionellen Rollen zwischen Mann und Frau, die besonders ihre Großmutter hart getroffen hat. Die tragische Geschichte von Xiaolu beginnt schon als sie ein Baby ist, denn ihre Eltern geben sie an eine arme Bauernfamilie ab. An diese ersten beiden Jahre kann sie sich nicht erinnern, doch aufgrund der Armut dieser Familie landet Xiaolu mit zwei Jahren wieder bei ihren Großeltern, die in einem kleinen Dorf am Meer, in Shitang, leben. Dort erlebt sie in den nächsten Jahren eine harte Zeit. Ihr Großvater ist gefühlskalt und gewalttätig gegenüber ihrer Großmutter. Aber das ist keine Besonderheit, denn in Shitang hört man ständig die Schläge von Männern und das Weinen von Frauen. „Shitang war zu einem Stein in meiner Brust geworden. Die scharfen Ekcen und Kanten der Steinhäuser hatten auch mich versteinert, mich unbarmherzig und aggressiv gemacht.“ (Es war einmal im Fernen Osten | Xiaolu Guo | S. 26) Es war einmal im Fernen Osten – der Stand der Frauen Aber nicht nur die ersten Lebensjahre von Xiaolu Guo sind traurige Jahre, sondern auch die ihrer geliebten Großmutter. Denn ihre Großmutter hat durchweg ein unterdrücktes und von Gewalt durchzogenes Leben führen müssen. Nicht einmal einen echten Namen hat man ihr als Frau zugestanden. Sie war immer nur die Ehefrau ihres Mannes oder die Mutter ihres Sohnes Xiuling. Sie wurde unterdrückt und ihre Füße schon als Kind gebunden. Sie kann sich deshalb nur schlecht bewegen, den Haushalt und die schwere Arbeit muss sie dennoch verrichten und auch im Dorf am Meer, wurde sie nie richtig aufgenommen als eine, die sich nicht richtig mit den Gebräuchen dieser Gegend auskannte. Als Xiaolu mit 7 Jahren ihre Eltern kennenlernt, beginnt für sie in neues Leben. Ihre Großmutter wird zurück gelassen und sie zieht für die Schule mit ihren Eltern nach Wenling. Dort erfährt sie, dass sie auch einen älteren Bruder hat, doch statt geschwisterlicher Liebe herrscht zwischen den beiden ein Konkurrenzkampf. Ihre Mutter ist eine kaltherzige Frau, die von Xiaolu nicht viel hält. Für sie ist sie nur ein Maul mehr, das gestopft werden muss. Zu ihrem Vater fühlt sie sich hingegen hingezogen, denn dieser ist ein ruhiger Mann und Künstler. Er ist der einzige – neben ihrer Großmutter – der Xiaolu in ihrem Bestreben etwas aus ihrem Leben zu machen, unterstützt. Doch gegen ihre Mutter erhebt er kein Wort und so bleibt die Beziehung zwischen Xiaolu und ihrer Mutter weiterhin erkaltet. Es war einmal im Fernen Osten – ein Stück (chinesische) Frauen-Geschichte Xiaolu Guos Buch ist nicht nur eine Geschichte über ihre eigene Vergangenheit und ihre Familie. Sie ist ein Stück chinesische Geschichte verbunden mit dem Fokus auf das Leben als Frau in den 1970er Jahren und danach in einem kommunistischen System. Sie erzählt von Missbrauch, Gewalt und Unterdrückung sowie Zensur, aber auch von den Chancen, die ihr durch ihre eigene Zielstrebigkeit gegeben wurden. Sie berichtet von ihrer Naivität und dem Glück, das sie in den Westen geführt hat. „Es war einmal im Fernen Osten“ ist eine Geschichte aus einer anderen Welt. Ihre kraftvolle Stimme entführt den Leser regelrecht auf jeder einzelnen Seite. Manchmal hat sie etwas Magisches und dann wiederum trifft sie die brutale Realität wie ein scharfes Messer: Unterdrückung, Missbrauch und Rechtelosigkeit von Frauen als Normalität. „Es war einmal im Fernen Osten“ ist ein Buch, das die Geschichte einer Frau erzählt, die die meiste Zeit ihres Lebens einsam war. Ein Zuhause hat sie weder in ihrer Heimat aufgrund ihrer schwierigen Familiengeschichte gefunden, noch im Westen, dessen Sprache sie kaum sprach. Sie ist dennoch ihren Weg weitergegangen. Einsamkeit war immer ein Teil von Xiaolu Guo. Umso beeindruckender ist es, dass sie mit diesem überaus persönlichen Buch ihre Einsamkeit und ihre erschreckende Vergangenheit nicht verheimlicht, sondern mit uns teilt. Denn Einsamkeit und Unfreiheit treffen in China wahrscheinlich immer noch viele Frauen. „Es war einmal im Fernen Osten“ hat mich tief beeindruckt und mir wieder vorgehalten, wie privilegiert ich in der westlichen Welt als Frau bin.

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