Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Sag mir, was du kaufst, und ich sag dir, wer du bist

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Scharfer Beobachter

Von: Thomas Lawall
21.04.2018

Was haben Soziologen und Serienkiller gemeinsam? Na? Keine Idee? Euer Pech, denn verraten wird es der Rezensent nicht. Selber lesen macht schlau! Kapitel 14 "Das prekäre Milieu - Ich kaufe, also bin ich ... hoffentlich irgendwas" zum Beispiel. Und da sind wir schon beim ersten Kritikpunkt (der, ganzheitlich gesehen, natürlich gar keiner ist). Mit dem Buchtitel hat der Autor mich als Leser persönlich angesprochen. Das freut mich sehr, weil es doch relativ selten vorkommt, dass sich ein Autor direkt an einen Sesselpupser wie mich wendet. Danke Jörn! Auf die Begeisterung folgt jedoch die Ernüchterung, denn so ungefähr zehn Einkaufslisten erklären mir keinesfalls, wer ich bin. Das säuert mich nicht unwesentlich an, denn als Einkaufsvollprofi habe ich im Laufe der Jahre eine heftige Allergie gegen Mogelpackungen entwickelt. Ich sollte meine Reklamationsliste von momentan 1713 auf eine weitere erhöhen und von dem guten Jörn verlangen, dass er mir jetzt unverzüglich mitteilen soll, was ich für einer bin. Ich will das jetzt wissen und sammle schon mal meine aktuellen Einkaufslisten ... Ja genau, und wenn ich schon mal am Schimpfen bin, kann ich ja gleich noch eine Schippe nachlegen. Auf Seite 207 gibt es der Autor sogar zu, dass u. a. einige Passagen des Buches "geschmacklos" erscheinen mögen. Stimmt genau. Etwas zu überzeichnen, um es zu verdeutlichen, mag als Prinzip einleuchten, doch Formulierungen bezüglich der Gefahren, die in einem Supermarkt lauern, und welche "dem Geist eines Menschen mehr zusetzen können, als es zwanzig Jahre in einem vietnamesischen Foltercamp jemals könnten", sind tatsächlich geschmacklos und noch viel mehr. Auch die beschriebenen, tumultartigen Szenarien in verschiedenen Märkten kann der Rezensent (seit 30 Jahren Hausmann!) so nicht bestätigen. Schon gar nicht, dass "Supermärkte in den Speckgürteln der Stadt" so etwas sind wie "das Guantanamo für Lebensmitteleinkäufe". Rempeleien, renitente Rentner, schreiende Kinder, streitende Pärchen usw. sind ihm ebenfalls völlig unbekannt. Ja, egal jetzt ... denn eigentlich soll das hier kein Verriss werden. Auch wenn mir da noch einiges auf der Zunge läge. Denn dazu ist diese Soziologenbibel für unser aller Einkaufsverhalten einfach zu drollig geschrieben. Informativ und sachlich begründet natürlich auch. Jetzt wissen wir endlich, wie man uns Konsumenten einteilt, in Schubladen (ja ich weiß, dass sie "offen" bleiben sollen) steckt und beschriftet. Das ist amüsant und manchmal erschreckend. Je nachdem, wie offen man mit sich selbst und seinem Verhalten umgehen kann und will. Die rein wissenschaftlichen Passagen, auch wenn sie nur die Spitze des Eisbergs beschreiben, sind mitunter etwas kantig, aber die praktischen Erwägungen relativieren den Gesamteindruck dann ganz erheblich. Im Grunde sind es Milieustudien, die versuchen, durch das Studium menschlichen Verhaltens in Supermärkten soziale Strukturen zu definieren. Sehr unterhaltsam und ja, allgemeinverständlich übrigens. Jörn Höpfner ist ein scharfer Beobachter und er hat nebenbei auch ein untrügliches Gefühl für literarische Spannungskurven, was für das Verfassen einer doch eher "trockenen" Sachliteratur von ungeheurem Vorteil ist. Nur so kann man erklären, dass die Kapitel 12, 13 und 14 eben die Kapitel 12, 13 und 14 sind. Die Highlights zum Schluss. Samt integrierten Brüllern wie der Sache mit der "Bratwurst", einem "Performer in freier Wildbahn" oder jener Seite, von welcher der Rezensent seine Einleitung für diese kleine Besprechung geklaut hat. "Der Supermarkt als Petrischale der Gesellschaft" amüsiert, bestürzt und verändert (die, die es wollen oder zulassen können oder beides). Eins ist klar: Der nächste Besuch im Supermarkt wird ein anderer sein. Und wenn mir der Jörn über den Weg laufen sollte, trinken wir am entsprechenden Regal einen Kurzen (bevor ich ihn bezahlen werde). Vielleicht gibt es dann wirklich einen Tumult ...

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.