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Rezension zu
Schattenjunge

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Routiniert erzählt

Von: WortGestalt
05.03.2015

Carl-Johan Vallgren zählt in Schweden zu den bekanntesten Autoren des Landes, hat sehr erfolgreich zahlreiche Romane veröffentlicht und wurde 2002 für „Geschichte einer ungeheuerlichen Liebe“ mit dem renommierten, schwedischen Literaturpreis „August“ ausgezeichnet. Bisher eher in literarischen Gefilden unterwegs, wagt er mit „Schattenjunge“ nun den Wechsel ins Spannungsgenre und plant eine ganze Thriller-Serie um die Hauptfiguren Danny Katz und Eva Westin. Und ich fange bei diesem Buch mit den positiven Dingen an, nicht, weil noch so viele negative folgen, sondern weil mich das bei diesem Buch am stärksten beeindruckt hat und es letztlich ausschlaggebend für die Bewertung mit 4 Sternen war. Es ist nämlich das Erzählen Vallgrens, das für mich die Stärke dieser Geschichte ausmachte. Inhaltlich bietet sie zwar auch einige interessante Aspekte, aber vor allem stilistisch fühlte ich mich hier einfach sehr gut aufgehoben. Man merkt dem Autor eine gewisse Schreibroutine an, eine gute Routine, keine abgestumpfte, viel mehr eine geschliffene. Die Formulierungen sitzen einfach, die Sätze fließen, die Atmosphäre passt und der Stil lässt eine gewisse persönliche Note erkennen. Das liest sich einfach gut. Die Story selbst, nun ja, die wartet nicht mit allzu vielen Novitäten auf. Die Handlung setzt zunächst 1970 ein und man wird Zeuge, wie im Getümmel einer Stockholmer U-Bahnstation ein Vater versucht, mit seinen zwei Kindern den Zug zu erreichen. Eile ist geboten, aber während der jüngere Spross im Kinderwagen weint, weigert sich der ältere Bruder, in den Fahrstuhl zu steigen. Eine Frau hat schließlich Erbarmen mit dem überforderten Vater und bietet ihm an, den Sohn auf der Treppe zu begleiten. Und das war es, der eine Moment, der Leben zerstören kann, der Vater sieht seinen Sohn nie wieder. Dann erfolgt ein Zeitsprung und die Handlung wird 2012 fortgesetzt. Der Vater des damals entführten Jungen ist inzwischen tot, Selbstmord, und der jüngere Bruder Joel, inzwischen erwachsen und verheiratet, wird seit drei Wochen vermisst. Seine Ehefrau beauftragt Danny Katz, die Umstände seines Verschwindens zu untersuchen. Während der Ermittlungen wirbelt Katz viel Staub auf und wühlt tief in der Famielengeschichte Joels. Und hinter der Fassade der Großindustriellenfamilie verbirgt sich jede Menge Schmutz und Dreck. Die Hauptfigur Danny Katz ist ein Typ, den es in diesem Genre eigentlich zu häufig gibt: Ein halbgarer Privatermittler, der eigentlich keiner ist. Er hat eine kriminelle Vergangenheit samt Heroinabhängigkeit und ist dabei aber ein schlaues Köpfchen, das ihm nach der Jugendstrafanstalt eine Ausbildung beim Militär und eine Anstellung beim Abschirmdienst als Dolmetscher und Computerexperte eingebracht hat. Heute betreibt er ein kleines Übersetzerbüro in Stockholm. Vom Saulus zum Paulus also? Wohl kaum, Danny Katz kämpft noch immer mit seinen inneren Dämonen, trägt eine alte Wut mit sich herum und stößt nun im Zuge seiner Ermittlungen auch noch auf seine Jugendliebe Eva Westin, mit der ihn vor allem eine gemeinsame Drogenvergangenheit verbindet. Eva Westin ist geschieden, Mutter von zwei Kindern und Staatsanwältin im Wirtschaftsdezernat und wird auf ganz bizarre Weise in den Fall von Danny Katz verwickelt. Und bei diesen Verwicklungen kam mir vieles konstruiert vor, in der Figurenkonstellation und in der Plot-Entwicklung. Es gibt diese Geschichten, bei denen überraschender Weise jeder mit jedem zu tun hat, Person X und Person Y waren schon in der Schule befreundet, Person A und Person B hatten sich in der Ausbildung mal getroffen, Person A hat aber auch Person X mal das Fahrrad geklaut und Person Y kannte wiederum Person B noch von einer früheren Kur. Also alles ist irgendwie miteinander verknüpft, über drei Ecken kennen sich die Figuren, hatten mal mehr oder weniger miteinander zu tun und haben natürlich noch eine Rechnung miteinander offen oder sind sich einen Gefallen schuldig geblieben. Das kann funktionieren, hier waren mir die Verstrickungen aber einen deutlichen Tick zu unwahrscheinlich und daher konnte ich nicht zu hundert Prozent in die Geschichte eintauchen. Fazit: Mich hat „Schattenjunge“ vor allem mit seinem Stil überzeugt, da man hier an einen Autor gerät, der sein Handwerk versteht, beherrscht und anzuwenden weiß. Die Formulierungen sitzen, die Worte fließen, es liest sich einfach angenehm. Inhaltlich teile ich mich hier 50/50 auf, die eine Hälfte fand ich kreativ (Stichwort alter Vodoo-Kult aus der Karibik) und die andere Hälfte war abgenutzt (Stichwort Familiengeheimnisse wohlhabender Großindustrieller). Alles in allem fügt sich das aber zu einem Thriller, der sich gut lesen lässt und gewohnt skandinavisch unterhält.

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