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Rezension zu
Ein wilder Schwan

Ein Blick in den Abgrundunter dem Feenstaub

Von: Ponine T.
01.06.2018

Michael Cunningham erzählt die alten Märchen neu – er betrachtet sie aus einem anderen Blickwinkel, hinterfragt sie mit Witz und Verve und zeigt dabei, wie zeitlos sie sind. divider-grey In dieses Buch habe ich mich wirklich dank seines Covers verliebt, noch bevor ich wusste, worum es geht. Als mir dann klar wurde, dass hier der Autor von "Die Stunden" sich daran gemacht hat, Märchen neu zu erzählen, war ich erst recht neugierig. Dabei hatte ich keine genaue Vorstellung, was mich eigentlich erwarten würde. Neuinterpretation, bedeutet das, die Geschichten modernisiert zu erzählen? Sie in andere Perspektive zu setzen? Oder über die hinaus zu erzählen? Ich wollte mich also überraschen lassen und habe das Buch dann innerhalb nur einiger Stunden ausgelesen. In den elf Märchen im Buch bietet Michael Cunningham alle drei Variationen der Neuinterpretation auf. So erfahren wir, wie es dem jüngsten Prinzen mit dem Schwanenflügel ergeht. Wir lernen die Lebensgeschichte einer Frau kennen, die am Ende in einem Lebkuchenhaus im Wald ermordet werden wird, und begegnen einem Rumpelstilzchen, dessen Motivaton plötzlich so viel mehr ist als nur "heute back ich, morgen brau ich" singend ums Lagerfeuer tanzen zu können. Das wirkt auf die erste Beschreibung nett und irgendwie charmant, aber Cunningham ist ein Sezierer. Er leuchtet gnadenlos hinein in die tiefen Abgründe, über denen ein Hauch Feenstaub schwebt, der den Gestank von verwesenden Träumen mühsam überdeckt. Dieses Lesegefüh fangen auch die Illustrationen ein, die von einer japanischen Zeichnerin im Stil japanischer Schattenrisse angefertigt sind. Das Hauptmotiv der Märchensammlung ist weniger das Märchen an sich, sondern die Frage danach, wieviel Märchen unsere Wirklichkeit verträgt. Können wir Menschen das überhaupt je erreichen, ein "und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage", und ist es erstrebenswert, dieses Ziel zu verfolgen? Auf den ersten Blick bietet Cunningham dazu eher deprimierende Antworten. Seine Figuren scheitern an der Realität, sie sind nicht geschaffen für eine moderne Welt. Dieses Aufeinanderprallend er Kulturen lässt die reale Welt umso vulgärer und bösartiger erscheinen, aber liegt es nicht vielmehr an der Patina aus Hoffnung und Erwartung der Märchen, die unsere Gegenwart so bedrückend wirken lässt? Cunningham philosophiert in seinen Märchen nicht direkt, sondern zeigt uns nur diese Alternativwwelt, in der Märchen tatsächlich wahr werden können. Und das wirkt sehr schonungslos und trist und mitunter vulgär bis über die Geschmacksgrenzen hinaus, ist aber auch gerade deshalb gut.

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