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Rezension zu
Memory Wall

Memory Wall - von der Schönheit

Von: Thursdaynext
12.06.2018

Ich bin bezogen auf Preise, Awards und Auszeichnungen oft ein wenig dégoutant, seit Edward St. Aubyns „Der beste Roman des Jahres“ hat sich das noch deutlich verstärkt. Ein Pulitzerpreisträger ist nicht unbedingt ein Garant für Hochklassiges. Diese Novelle von Pulitzerpreisträger Anthony Doerr hingegen hat mich, in all ihrer schlichten Poesie und Komplexität umgehauen. Sie ist so rund, spannend, berührend und packend, dass man sie quasi inhaliert. Bereits der Titel lässt zwei unterschiedliche, beides zutreffende Bedeutungen zu. Memory Wall ist einerseits die Zettelwand die sich Alma errichtete um sich dort und in der Realität zurechtzufinden. Memory Wall kann aber auch als Wand, die sich allmählich immer schneller selbst errichtet zwischen den Erinnerungen und dem Geist der demenzkranken Alma, einer kinderlosen, reichen vierundsiebzigjährigen Witwe aus Kapstadt deren Gehirn meist nicht mehr funktioniert und die sich dubiosen Behandlungsmethoden unterzieht um den Verfall ein wenig abzumildern. „Ohne diese Behandlungen neigt das Gedächtnis dazu sehr schnell zu verfallen“, sagte er. „Mit jedem Tag wird es schwerer für sie in dieser Welt zu leben.“ So betrachtet thematisiert die Wand ihren sich abzeichnenden kompletten Gedächtnisverlust. Alter, Tod, Abschiede und Neuanfänge. Erinnerungen aus der Retorte zum schnellen Konsum und Relikte aus der Frühzeit des Lebens auf der Erde, all das verwebt Anthony Doerr zu einer sachten ergreifenden Geschichte aus Kapstadts verschiedenen Schichten. Arme Schwarze, wohlhabende Weiße, Verantwortung, ein Hauch mysteriöse Erfindung zur Erinnerungsaufbewahrung, Loyalität, Freundlichkeit und Menschlichkeit, Liebe und diese wunderbare Welt auf der wir leben dürfen. Einen mysteriösen futuristisch anmutenden Erzählstrang mit einem Hauch Verschwörungstheorie. Dabei ist diese Erzählung keinesfalls überfrachtet, sie liest sich wie von selbst, ist dabei so kunstvoll gewoben und geschrieben, dass man die Kunstfertigkeit eher spürt als merkt und entfaltet so ihren ganz eigenen charmanten Reiz. Abgesehen von der Schachnovelle, die mich faszinierte und fesselte, und etlichen SciFi Shortstories habe ich diese Literaturgattung, aufgrund ihrer Kürze, meist gemieden. Doerrs wunderbare Erzählung die auf wenigen Seiten ein ganzes, langes Leben, und etliche weiter beschreibt hat mich für Novellen wieder begeistern können. „Wasserreste in der Vase, die an den Stängeln der Rose saugen. Rost, der die Stifte eines Schlosses erobert. Zucker, der das Zahnbein zerfrisst, ein Fluss, der seine Ufer auswäscht. Alma fielen tausend Metaphern ein, und alle trafen es nicht.“ Das ist so unaufdringlich poetisch, so voller Charme und Wehmütigkeit und Lebenslust erzählt, dass es mich hingerissen zurückließ. Chapeau!

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