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Rezension zu
Main Street

Eine Satire über das Spießbürgertum

Von: Renie
07.07.2018

Percy Bresnahan ist eine Berühmtheit - zumindest in Gopher Prairie, einem amerikanischen Provinznest zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Denn P. B. ist ein berühmter Automobilhersteller und Vorbild der Einwohner von Gopher Prairie. P. B. hat bewiesen, dass jeder, der aus Gopher Prairie kommt, ungeahnte Möglichkeiten hat, wenn er sie nur ergreift. Er ist sozusagen der Inbegriff des Amerikanischen Traums. Nahezu jede Kleinstadt hat einen Helden vorzuweisen. Da spielt es keine Rolle, dass sowohl Percy Bresnahan als auch Gopher Prairie der Phantasie von Sinclair Lewis entsprungen sind. Sein Roman „Main Street“ spielt in eben diesem Gopher Prairie. Der Literaturnobelpreisträger von 1930 und gleichzeitig erster amerikanischer Autor, der diesen Preis erhielt, hat mit „Main Street“ einen Roman geschrieben, der wahrscheinlich nie an Aktualität einbüßen wird – solange es Kleinstädte gibt. Besagte Main Street bildet das Herzstück von Gopher Prairie. Mehr hat das Nest im Westen der USA nicht zu bieten. Nichtsdestotrotz sind die Einwohner über alle Maßen stolz auf ihre kleine Stadt. Schwer nachvollziehbar, denkt sich auch Carol Kennicott, die frisch verheiratet mit Will Kennicott, dem Arzt aus Gopher Prairie, aus der Großstadt in eben diesen Ort zieht. Carols Erwartungen sind hoch. Denn Will hat Gopher Prairie in allen vorstellbaren und unvorstellbaren Farben angepriesen. So ist Carols Enttäuschung nicht verwunderlich. Doch die resolute junge Frau versucht sich mit ihrem Leben als Arztfrau in einem Provinznest zu arrangieren. Sie hofft sogar, das gesellschaftliche Leben mit ihrem Charme und Esprit zu beleben sowie das triste Stadtbild auf Vordermann zu bringen - Pläne, an denen sie sich die Zähne ausbeißen wird. Denn die Einwohner von Gopher Prairie geben viel auf ihr (nicht) vorhandenes gesellschaftliches Leben. So begegnen sie Carol nach anfänglicher Neugierde mit viel Skepsis. Carol wird sich 10 Jahre ihres Lebens mit den eigenbrötlerischen Einwohnern rumschlagen. Dabei wird sie auf Snobs, bibelfeste Scheinheilige, eingebildete Damen der Gesellschaft sowie Hütern von Moral und Anstand treffen. Die Gopher Prairierianer haben eines gemeinsam: Neuerungen kommen ihnen nicht ins Städtchen. (Gopher Prairie heißt übrigens wörtlich übersetzt "Taschenratten- oder Erdhörnchen-Prairie" wie ich den Anmerkungen am Ende des Buches entnehmen konnte.) Sinclair Lewis wusste, wovon er schrieb. Er ist selbst in einer Kleinstadt aufgewachsen und hat seine Erinnerungen in „Main Street“ einfließen lassen. Sein Roman ist eine Satire auf das Leben in einer Kleinstadt. Doch trotz aller Kritik stellt er die Charaktere, so eigen sie auch sein mögen, in einer sehr liebevollen Weise dar. Die Menschen sind ihm ans Herz gewachsen und auch der Leser findet die eine oder andere nette Eigenschaft an den Einwohnern von Gopher Prairie. Fast hat man den Eindruck, dass Sinclair seine Charaktere mit einem verschmitzten Augenzwinkern beschreibt. Sinclair Lewis hat nicht nur die Menschen geliebt, sondern auch Landschaft seiner Heimat Minnesota schien einen ganz besonderen Reiz auf ihn auszuüben. Mit viel Wortgewalt vermittelt er deren atemberaubende Schönheit. Carol hat es schwer. Sie bemüht sich die Stadt und ihre Einwohner zu lieben, was man ihr jedoch nicht leicht macht. Aufgewachsen in Minneapolis hat sie eine sehr gute Schulbildung genossen. Nach Beendigung der Schule hat sie sich zur Bibliothekarin ausbilden lassen. Diesen Beruf hat sie auch noch kurze Zeit ausgeführt, bevor sie ihren Mann kennenlernte. Sie ist geistreich, witzig und vor allen Dingen selbstbewusst. Eine Frau, die sich schwer darin tut, sich ihrem Mann unterzuordnen – was man in der damaligen Zeit vom weiblichen Geschlecht erwartet hat, und was für die Frauen von Gopher Prairie eine Selbstverständlichkeit ist und niemals in Frage gestellt wird. Anfangs wirkt Carol wie ein Wirbelwind in der Kleinstadt, der die Menschen aus ihrer routinierten Lethargie reißt. Doch ihre Energie erhält schnell einen Dämpfer als sie merkt, dass sie als Zugezogene und Angeheiratete auf dem Präsentierteller lebt und noch lange nicht akzeptiert wird. Also versucht sie auf subtilere Weise und durch das Schmieden von Allianzen ihre Pläne zur Rundumerneuerung der Stadt umzusetzen. Was mich an diesem Roman verblüfft hat, ist seine Aktualität. Wir sprechen von einem Roman, der erstmalig 1920 veröffentlicht wurde. Die Probleme, die es damals in Amerika gab, sind auch heute noch zu finden – wenn auch in abgewandelter Form: Fremdenfeindlichkeit – Klassendenken – Angst vor dem Neuen – Spießbürgertum. Und tatsächlich ist das Thema dieses Romanes keines, das den USA vorbehalten ist. Gopher Prairie gibt es überall auf der Welt. Fazit: Main Street ist ein zeitloser und amüsanter Klassiker, den es sich auf alle Fälle zu lesen lohnt. © Renie

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