Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Machandel

Ein Gesellschaftsroman mit wahren Elementen

Von: Inas Bücherkiste
13.07.2018

Machandel: Das ist der Name eines fiktiven mecklenburgischen Dorfes und des gleichnamigen Debutromans von Regina Scheer, der 2014, passend zum 25. Jahrestags des Falls der deutsch-deutschen Mauer, erschienen ist. Der Dorfame leitet sich vom niederdeutschen Wort für Wacholder ab, der rund um Machandel üppig wächst. Deutschland von den 1930er bis zu den 1990er Jahren So unbedeutend das winzige Dorf Machandel an sich ist, für die Hauptpersonen in Regina Scheers Roman ist es so etwas wie der Nabel ihres Lebens. Der russische Offizier Grigori strandet hier im 2. Weltkrieg für etwas mehr als ein Jahr ebenso wie die Arztwitwe Emma aus Hamburg, die es sich zur Aufgabe macht, sieben verwaiste Kinder großzuziehen, deren Mutter verstorben ist, deren Vater als Soldat im Krieg kämpft und deren älteste Schwester in einer Nervenklinik ist - nachdem sie vom Stallarbeiter und späteren Gefangenenaufseher Wilhelm Stüwe vergewaltigt und dann als schwachsinnig denunziert wurde, damit sie ihm nicht gefährlich werden kann. Doch im Mittelpunkt des Romans steht die 1960 geborene Clara. Wie die anderen Personen, die den Inhalt des Buches wesentlich prägen, spricht sie aus der Ich-Perspektive und zeigt ihre Sicht der Ereignisse. Sie ist die Schwester des 14 Jahre älteren Fotografen Jan Langner, der im Schloss von Machandel geboren wird und erst im Alter von sieben Jahren zu seinen Eltern nach Ost-Berlin zieht. Die beiden sind die Kinder des Kommunisten Hans Langner, der in der DDR verschiedene wichtige Positionen bis hin zum Minister inne hatte und sein Leben lang von einem kommunistischen Staat träumt. Er wird 1935 wie seine Lebensgefährtin Else als Mitglied der Kommunistischen Partei verhaftet und letztlich ab 1943 im KZ Sachsenhausen gefangen gehalten. Als die Rote Armee immer näher rückt, treibt die SS über 30.000 Häftlinge nach Nordwesten. Auf diesem Todesmarsch gelingt Hans Langner gemeinsam mit zwei tschechischen Gefangenen die Flucht und er erreicht schwer krank Machandel. Dort wird er von der jungen Johanna gesund gepflegt, die selbst zusammen mit ihrer Mutter als Flüchtling in das Dorf gelangt ist. Johanna und Hans werden ein Paar. Clara lernt Machandel erst 1985 kennen. Jan hat seine Ausreise aus der DDR beantragt, und sie wurde genehmigt. Kurz vor dem Abschied schlägt er vor, mit Clara und ihrem Mann Michael nach Machandel zu fahren und ihnen den Ort seiner frühen Kindheit zu zeigen. Ab diesem Zeitpunkt wird das Dorf für Clara zu einer Art Sehnsuchtsort: Sie und Michael kaufen die alte Kate, in der Emma etliche Jahre zuvor mit den sieben Kindern gelebt hat, und richten sie als Wochenendhaus her. Sie verbringen viel Zeit in Machandel, das gerade Clara wie eine Art Oase und Ruhepunkt erscheint. Doch im Laufe der Jahre erfährt sie immer mehr über die Bewohner - die früheren und die jetzigen - und die Geschichte des Dorfs. Flucht, Gewalt und Erniedrigung hat dieser Ort gesehen, aber auch Zusammenhalt und Liebe. Clara lernt im Laufe der Jahre auch immer mehr über ihre eigene Familie. In ihrem eigenen Leben geht es auf und ab, doch ein Wunsch begleitet sie immer: Sie würde gern ihren Bruder wiederfinden. Niemand aus der Familie oder von seinen Freunden hat Jan seit seiner Ausreise aus der DDR wiedergesehen. Doch es gibt Spuren, an die sich sein alter Freund Herbert heftet: Immer wieder werden seine Fotos in Zeitschriften veröffentlicht - aus Kuba, Nicaragua oder Bolivien. Aber die Fotos sind nicht mit seinem Namen gekennzeichnet: Unter jedem Bild steht einfach nur "Machandel". Lesen? Machandel ist ein äußerst vielschichtiger Roman, in den man förmlich eintaucht. Da es sich nicht um eine chronologische Handlung handelt, sondern die Personen nacheinander ihre Sicht auf die Vergangenheit erzählen, gelingt es sehr gut, sich in sie hineinzufühlen. Jeder hat ein Geheimnis oder leidet unter der Erinnerung an oft lange zurückliegende Ereignisse. Nur der Leser weiß, warum die Menschen auf die eine oder andere Art gehandelt haben. Wie wäre ihr Leben wohl verlaufen, wenn sie mehr miteinander geredet hätten? Regina Scheer wurde 1950 in Ost-Berlin geboren und hat die DDR auch dann nicht verlassen, als sich die Möglichkeit ergeben hatte. Der Osten Deutschlands und vor allem Berlin ist darum auch der Schwerpunkt ihres Buchs. Wer in der DDR aufgewachsen ist oder die Situation dort verfolgt hat, wird auch viele Namen von einst wichtigen Personen wiedererkennen; auch die, die nicht explizit genannt, sondern nur beschrieben werden.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.