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Rezension zu
Der Kult

Kultverdächtig, episch und beeindruckend.

Von: Wolfgang Brunner - Buchwelten
17.07.2018

In einem kleinen Dorf namens Gibbeah taucht eines Tages ein schwarz gekleideter Unbekannter auf, der sich „Apostel York“ nennt und dem bis dato dort predigenden Hector Bligh den Posten streitig macht. Bligh ist ein versoffener alter Mann, der von York ohne Mühen von der Kanzel gestoßen wird. Denn York ist charismatisch und schlägt die Dorfbewohner sofort in seinen Bann. Schon bald entbrennt ein erbitterter Kampf sowohl um die Seelen der Bewohner als auch um die religiöse Macht über das Dorf. . Zu Anfang sei angemerkt, dass es sich bei „Der Kult“ nicht um ein neues Buch handelt, sondern um den Debütroman von Marlon James, der bereits 2009 unter dem Titel „Tod und Teufel in Gibbeah“ erschienen ist. Man muss sich schon auf Marlon James‘ Schreibstil einlassen können, um das Buch zu genießen (und vielleicht auch verstehen) zu können. Und obwohl des Öfteren derbe Ausdrücke benutzt werden, wirkt der Roman dennoch auf hohem literarischem Niveau verfasst. James‘ benutzt eine sehr außergewöhnliche Bildsprache, die sich dem Leser oftmals erst im Nachhinein offenbart. Es sind atmosphärisch dichte, filmreife Bilder, die der Autor mit seiner unkonventionellen Ausdrucksweise im Kopf des Lesers heraufbeschwört. Jede Menge Zitate aus der Bibel werden geschickt in die Handlung mit eingeflochten und lassen dabei ein etwas zweifelhaftes Bild auf Religionen und deren fanatischen Anhänger entstehen. Marlon James packt den Leser von Anfang an und lässt ihn einfach nicht mehr los. Man gerät als Leser ähnlich wie die Protagonisten in einen Strudel aus Sex und Gewalt, dem man sich nicht mehr entziehen kann (und irgendwie auch nicht möchte), denn zu stimmungsvoll sind die Beschreibungen der Ereignisse. Alkohol, sündhafte sexuelle Ausschweifungen und fanatische Schwarzmalerei führen zu einem Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Moderne und mittelalterlich erscheinender Vergangenheit. Mit spärlichen, aber hundertprozentig treffsicheren Worten lässt Marlon James eine Welt vor den Augen des Lesers entstehen, vor der man sich fürchtet, aber gleichermaßen auch vollkommen in Bann gezogen wird. Gerade die fast schon vulgären, sexuellen Beschreibungen, die an Dantes „Göttliche Komödie“ oder apokalyptische Bilder von Hieronymus Bosch erinnern, sind es, die den besonderen Reiz dieses Romans ausmachen. „Der Kult“ wirkt in der Tat apokalyptisch und dystopisch, aussichtslos und deprimierend. Viele Szenen und Bilder wirken so lange nach, das sie sich dem Leser erst nach Genuss der Lektüre, erschließen. Beeindruckend schildert James, wie sich eine ganze Stadt von den Predigten eines einzigen Mannes beeinflussen lässt. Die Bewohner verhalten sich teilweise wie Marionetten oder Lemminge, die sich einzig auf die Stimme ihres „Apostels“ verlassen. Marlon James zeigt gekonnt auf, wie einfach es für einen einzigen Mann ist, Menschen derart zu beeinflussen, dass sie ihm letztendlich hörig sind. Viele sündhafte Ausschweifungen und menschliche Abgründe werden in „Der Kult“ beschrieben: Sodomie, Pädophilie, Ehebruch oder Untreue. An manchen Stellen werden Marlon James‘ Beschreibung fast schon pornographisch, aber sie könnten nicht passender sein, denn sie arbeiten auf einen unglaublich intensiven Kampf zwischen Gut und Böse hin. Und erneut kommen einem beim Lesen Vergleiche mit Dante und Bosch in den Sinn. „Der Kult“ ist ein beeindruckender Roman über beängstigenden religiösen Fanatismus, sexuelle Entgleisungen und den Auswirkungen einer Massenhysterie in exzessive Gewalt. Die Geschichte ist ein Gleichnis über die Zerstörung einer Gesellschaft durch die Machtergreifung eines verblendeten Aufhetzers, der die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge (Gott und Teufel) verwischen lässt. Oft gleitet Marlon James ins Surreale ab und begibt sich damit auf literarische Pfade, die sonst nur der Regisseur David Lynch auf filmischem Weg betritt. Die Auseinandersetzung der beiden Priester, die das Gute und Böse im Menschen verkörpern (?) ist episch, aber auch mystisch und brennt sich szenenweise unaufhaltsam ins Gehirn ein. Den Roman einem Genre zuzuordnen fällt sehr schwer, denn zu vieles wurde vom Autor darin verpackt, um einer geraden, einfachen Linie zu folgen. „Der Kult“ ist Kult. . Fazit: Kultverdächtig, episch und beeindruckend. © 2018 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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