Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Den Mund voll ungesagter Dinge

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Authentisch, aber etwas fehlt...

Von: Madita
24.07.2018

Sophie ist absolut nicht einverstanden mit dem Umzug von ihrer Heimatstadt Hamburg nach München. Sie will zurück in ihr altes Leben, in dem es nur sie und ihren Vater gab. Doch jetzt ist da noch Lena. Und Leon und Valentin und Carlos. Ihre neue Familie. Doch davon will Sophie nichts wissen, denn sie will sich nicht an diese neue Stadt gewöhnen und auch nicht akzeptieren, dass sie nun Teil einer größeren Familie ist. Und dann lernt sie Alex kennen, das Mädchen aus dem Nachbarshaus und Sophies Leben stellt sich völlig auf den Kopf... Die Protagonistin ist sehr eigensinnig, sturköpfig und pubertär. Klar, sie ist ja auch 17. Oftmals ist sie wirklich unausstehlich und geht mit den Menschen in ihrer Umgebung wirklich mies um, vor allem mit Lena, ihrer neuen "Stiefmutter", die sich wirklich Mühe gibt, ihr das Leben einfach zu machen. Sie ist also nicht gerade die klassische Sympathieträgerin, aber sie war gut und vielschichtig dargestellt und beschrieben. Wie alle anderen Charaktere der Autorin hat sie Ecken und Kanten und lässt sich nicht in eine simple Schublade einsortieren. Sie hat Fehler, die man nicht gut heißen muss, die aber nunmal menschlich sind. Besonders in der Pubertät... Die Denkweise von Teenagern ist meiner Ansicht nach super dargestellt und sehr realistisch. Immerhin heißt es nicht umsonst, dass man während der Pubertät eine "Baustelle im Kopf" hat, man kann einfach nicht immer logisch denken und macht Dummheiten und verhält sich bescheuert. Das haben wir alle. Und zum Glück wächst man irgendwann da raus und wird wieder "normal" ;) Die Versagensängste von Sophie, der Leistungsdruck, ihre Einsamkeit, die Suche nach sich selbst, das Ablösen von den Eltern - und das gleichzeitige Bedürfnis nach Liebe von ihnen - das alles ist realistisch und gut beschrieben und sehr authentisch. Ich hab mit Sophie gelacht und geweint, war wütend und traurig und zickig. Anne Freytag schafft es, den Leser mit den Personen fühlen zu lassen, und das obwohl die Charaktere allesamt keine typischen Sympathieträger und perfekten Protagonisten sind. Im Gegenteil. Aber genau das macht die Sache authentisch. Sehr schade fand ich die Darstellung von Fremdgehen - das wird einfach als viel zu normal und als in Ordnung dargestellt. Fremdgehen ist schlichtweg niemals in Ordnung. Punkt aus. Für mich gibt es da nichts zu diskutieren und finde es sehr schade, dass in diesem Buch beinahe jeder fremdgeht und es dadurch beinahe alltäglich und eben normal wird. Der Schreibstil von Anne Freytag ist wunderschön und einfach zu lesen. Sie erzählt in vielen, wundervollen Metaphern, die das Leseerlebnis sehr steigern und einfach Spaß machen. Anne Freytag kann wirklich wundervoll schreiben! Durch die bildhafte Sprache hat man gleich beim Lesen einen "Film im Kopf" und fühlt mit den Figuren mit. Die Geschichte ist aus der Perspektive von Sophie geschrieben, dadurch bekommt man einen guten Einblick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt. Die Entstehung der Freundschaft und Beziehung zwischen Sophie und Alex ging mir teilweise zu schnell und zu unreflektiert. Die Erlebnisse der beiden sind toll geschildert und die beiden sind einfach süß zusammen, aber irgendwie hat da trotzdem etwas die Tiefe gefehlt. Ein Großteil meines Freundeskreises ist lesbisch oder schwul und sie alle haben eine lange Odyssee hinter sich, bis sie sich selbst darüber im Klaren wurden und vor allem bis sie es akzeptieren konnten. Und bis sie sich getraut haben, es ihrer Familie oder ihren Freunden zu sagen verging noch viel mehr Zeit. Insgesamt wurde das Thema Outing hier viel zu wenig angesprochen und zu schnell abgehandelt. So etwas passiert nicht in zwei Zeilen und dann ist alles in Ordnung und jeder akzeptiert es und findet es gut - meistens läuft es leider ganz anders ab. Ich kenne viele, die von ihren Familien regelrecht verstoßen wurden oder die sich nur langsam wieder mit ihren Eltern aussöhnten. Oftmals hat es Jahre gedauert, bis die Eltern es einigermaßen akzeptiert haben. Hier wurde leider viel Potential verschenkt und eine große Chance vergeben, die Problematik darzustellen, mit der Homosexuelle leider bis heute zu kämpfen haben. Das ist sehr schade, aber vielleicht ist es ein Anfang. Vielleicht ist es einfach das erste Buch seiner Art von einer deutschen Autorin und es werden weitere folgen. Autoren oder Autorinnen, die sich mehr trauen und reflektierter mit dem Thema umgehen. Die tiefer graben und weniger auf Klischees geben. Also vielleicht war dieses Buch einfach nötig, um den ersten Schritt zu tun. Fazit Trotz einiger Schwächen hat mir das Buch gut gefallen. Der Schreibstil ist fantastisch und die Denkweise von Teenagern ist sehr authentisch wiedergegeben. Leider wurde beim Thema Outing viel Potential verschenkt, da es zu schnell abgehandelt wurde. Ein bisschen mehr Problematik beim Erkennen der eigenen Sexualität, der Herausforderung der Akzeptanz, des Outings und der Nicht-Akzeptanz der Gesellschaft hätte hier nicht geschadet und aufgezeigt, wie schwierig es bis heute für die LGBT-Community ist.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.