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Rezension zu
The Hate U Give

Das wohl wichtigste Buch der letzten Jahre

Von: Friederike (Buch & Gewitter)
12.08.2018

Darum geht es: Starr Carter wird zur Zeugin der Erschießung ihres ältesten Freundes Khalil. Genau wie sie war ihr Freund schwarz und unbewaffnet und sie beide wurden von einem weißen Polizisten bedroht. Gefangen zwischen zwei Welten muss Starr entscheiden, ob sie für Gerechtigkeit kämpfen wird, wissend, dass Drohungen gegen sie und ihre Familie dann sehr schnell zu Gewalt werden können. Meine Meinung: Da der Kinofilm bald anläuft, wollte ich endlich meine Meinung zu diesem Buch formulieren, weil ich finde, das immer noch nicht genug darüber geredet wird. Denn selbst, wenn das hier nur ein fiktionales Werk ist, ist es doch für viele Menschen in dieser Welt bittere Realität und ehe wir – die Mehrheit, die Weißen, die Privilegierten – nicht verstehen, was schief läuft, können wir auch nichts dagegen tun. Und genau deswegen ist The Hate U Give auch so ein wichtiges Buch. Wie schon so viele Blogger, Influencer und Autoren vor mir, bin auch ich der Meinung, dass dieses Buch in jede Bibliothek, jedes Klassenzimmer und jeden Lehrplan gehört, weil es einfach SO WICHTIG ist. Zuallererst möchte ich das Buch als solches betrachten: Ein Buch. Ganz kurz möchte ich unabhängig vom Inhalt über Aufbau, Schreibstil und Spannungsbogen schreiben können, damit mein Zwiespalt zum Ausdruck kommt. Denn dieses Buch ist gut und wichtig, aber gerade auf Deutsch hat es ein paar Schwächen. Es wird in insgesamt 5 Abschnitten erzählt, die jeweils markieren, wie viel Zeit bereits seit dem Abend, an dem Khalil starb, vergangen ist. Das ist richtig wichtig zu sehen, da Prozesse oft sehr lange dauern und man die Langzeitwirkung sonst nicht versteht, die ein solches Ereignis mit sich bringt. Allerdings ist ein Spannungsbogen so ebenfalls schwer auszumachen, die Handlung zieht sich etwas und oftmals fiel es mir schwer das Buch wieder aufzuschlagen. Während des Lesens war ich dennoch nicht geneigt zu unterbrechen, da Angie Thomas mit einer Eindringlichkeit erzählt, die fesselnd ist. Der Schreibstil hingegen ist sehr normal. Der Spruch „Show, don’t tell“ hätte wohl im Lektorat häufiger fallen können, denn Vieles wird in diesem Buch einfach erzählt. Es wird dem Leser vorgesetzt und es braucht wenig Gedankenschmalz, um die Botschaft des Buches zu verstehen. Aber mittlerweile denke ich, dass diese Geradlinigkeit und klare Darstellung der Tatsachen das ist, was wir brauchen. Zwischen den Zeilen von Ungerechtigkeit und Rassismus lesen bringt wenig, wenn dann die Botschaft nicht ankommt; manchmal muss man dem Gegenüber ins Gesicht schreien, was falsch läuft. Und das macht Angie Thomas. Schonungslos, ehrlich und beklemmend genau erzählt sie vom Alltag eines schwarzen Mädchens in einer weißen Schule, dem Alltag einer normalen Familie in einem Viertel voller Gewalt und Banden, den alltäglichen Vorurteilen, denen Schwarze heute noch ausgesetzt sind. Denn wie im Buch ganz richtig gesagt wird, muss man nicht Rassist sein, um etwas rassistisches zu sagen. Dennoch geht der Charme des Buches und seine Eindringlichkeit mit der Übersetzung ins Deutsche verloren. Da ich das Buch sowohl auf Englisch, als auch auf Deutsch gelesen habe, habe ich einige Unterschiede bemerkt, die mir nicht gefallen haben. Das Besondere an diesem Buch ist eigentlich, dass Slang gesprochen wird. Im Original trägt der Slang dazu bei, den Unterschied von Starrs Welten zu verdeutlichen. Auf Deutsch funktioniert das weniger. Abgesehen von sehr häufigem Fluchen (Richtig oft, selbst mich hat das am Anfang geschockt), dass auf Deutsch gravierender und schlimmer klingt, als auf Englisch, kann man den Slang nicht übersetzen. Trotzdem hat der Verlag sich bemüht die Unterschiede irgendwo zu zeigen und so wurden Wörter wie boyfriend, girlfriend, swaggen, Spring Break, yes und no einfach nicht übersetzt. Das hat mich gestört. Tierisch. Klar, die Bedeutung wird gerade bei Boyfriend/Girlfriend so deutlich klarer, aber trotzdem klingt es irgendwie falsch und gewollt. Und irgendwie ein wenig dumm. Und dass die Figuren nun dumm, anstatt authentisch klingen passt mir gar nicht. Denn der Slang lässt sie im Original nicht weniger intelligent wirken, nur weil mal eine Silbe verschluckt wird oder ein Wort anders betont. Ich hatte dabei eher das Gefühl, dass die Wörter dadurch eine stärkere Bedeutung bekommen, wichtiger für Starr und ihre Gemeinschaft wurden. Mein Rat an dieser Stelle: Lest es auf Englisch. Die Botschaft des Buches funktioniert zum Glück unabhängig von Schreibstil und Übersetzung und (allein) deswegen ist es so wichtig. Starr wird in ihrem jungen Leben mit einigen heftigen Dingen konfrontiert, schon einmal hat sie eine Freundin an ihr Viertel verloren und mit Khalils Tod kommen alte Erinnerungen hoch. Abgesehen davon, dass die Polizei sich nicht für die seelischen Schäden Starrs interessiert (Was bei einer weißen Zeugin sicherlich der Fall gewesen wäre) wird versucht, den Vorfall unter den Tisch zu kehren und der Polizist selber, der geschossen hat, tritt im Buch kein weiteres Mal auf. Als Leser bekommt man also weder Gerechtigkeit noch Genugtuung, stattdessen erlebt man wie Starr und ihre Familie eingeschüchtert werden, Machtkämpfe über Khalil und seiner Geschichte ausgetragen werden und Rassismus den Alltag dieser normalen Familie mehr bestimmt, als man glauben möchte. Zudem muss Starr sich in zwei Welten bewegen: Der ihres Viertels, Garden Heights, dass schwarz ist und der ihrer Schule, Williamson, die hauptsächlich von weißen Kindern besucht wird. Aufgrund schlechter Erfahrungen trennt Starr diese beiden Welten strickt und passt auch ihr Verhalten an, damit ihr niemand etwas Böses nachsagen kann. Die Williamson-Starr hält den Mund, wenn Leute ihr blöd kommen, damit keiner sie für ein „Angry Black Girl“ hält.“ – S. 85 Das traurige und schockierende an diesem Buch ist, dass Starr genau wie jeder andere Mensch ist. Sie könnte meine Freundin, deine Freundin, das Mädchen von nebenan sein. Sie ist keine Bedrohung. Und doch sorgen Vorurteile, Druck und Angst nach wie vor dafür, dass all das nicht mehr zählt, als ein Polizist die Waffe auf sie richtet. Starrs Welt funktioniert nicht mehr, als Unruhen nach Khalils Tod aufkommen; und ihre getrennten Welten plötzlich einer Verbindung bekommen. Immer öfter fragt sie sich, ob sie ihre Rasse verrät, wenn sie den Mist ihrer Mitschüler unkommentiert lässt und sich in einen weißen Jungen verliebt. Diese Identitäskrise sollte es eigentlich nicht geben. Nicht aufgrund der Hautfarbe. Sie fühlt sich, als hätte sie an ihrem Freund versagt. Starr muss entscheiden, ob sie in Sicherheit leben will oder dafür sorgen, dass Khalil nicht zu einem Instrument der Medien und Machthaber wird. Aber auch wenn die Unruhen auf mein Konto gehen, klingt es in den Nachrichten im Grunde so, als sei Khalil an seinem Tod selbst schuld. – S. 163 Mal ganz abgesehen davon, dass Starr hier für ihren Freund und Ungerechtigkeiten gegenüber der schwarzen Bevölkerung kämpfen muss, hat mich besonders schockiert, dass Starr und ihre Geschwister gelernt haben, der Polizei zu misstrauen. Sie haben gelernt, den Justizkräften des Staates nicht zu vertrauen, mit zwölf haben sie und ihr großer Bruder von ihrem Vater ein paar Verhaltensregeln eingeschärft bekommen, damit sie nicht irgendwann erschossen im Straßengraben enden. Halt deine Hände so, dass man sie sieht. Mach keine plötzlichen Bewegungen. Red nur, wenn du was gefragt wirst. – S. 29 Und das ist traurig und schlimm. Wenn der Staat das Sicherheitsgefühl seiner Bürger, völlig unabhängig von Herkunft, Ethnie und Umständen nicht gewährleisten kann, dann haben wir als Menschen versagt. Und wenn Kinder sich in Gegenwart anderer nicht so benehmen können, wie sie sind, dann noch viel mehr. Im Laufe des Buches wird man als Leser auf die Probe gestellt, denn Starr lässt sich nicht länger alles bieten und spricht endlich auch ihre engen Schulfreunde auf falsches und feindliches Verhalten an. Und ich als Zuschauer musste realisieren, das ich vielleicht ebenfalls nicht ganz vorurteilsfrei bin. Toleranz muss man sich antrainieren, „offen sein“ ist kein Charakterzug, den man in die Wiege gelegt bekommt. Es ist eine Entscheidung und solange wir noch nicht für uns selbst entschieden haben, dass Hautfarbe und Herkunft keine Rolle für uns spielen, solange wird es solche Ungerechtigkeiten weiter geben. The Hate U Give ist kein perfektes Buch. Aber das muss es auch nicht sein, um Bewusstsein zu fördern. Lest es, gebt es weiter. Es ist so einfach. Und so unglaublich wichtig. Ein letztes Zitat möchte ich euch noch mit auf den Weg geben. Abschiede schmerzen am meisten, wenn der andere nicht mehr da ist. – S. 80

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