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Rezension zu
Nacht über Tanger

Ein wahrer Psycho-Thriller!

Von: Annette Traks
04.09.2018

Nach dem frühen Tod ihrer Eltern hat Alice Shipleys in England lebende Tante Maude die Vormundschaft für das Mädchen übernommen. Als Alice später zum Studium in das im amerikanischen Bundesstaat Vermont gelegene Bennington zieht, ist sie froh, gleich am ersten Tag Lucy Mason kennenzulernen. Beide teilen ein Zimmer und werden beste Freundinnen. Doch die Zeit dort endet für Alice abrupt mit einer Katastrophe. Nach längerem Krankenhausaufenthalt und traumatisiert kehrt sie - noch nicht volljährig - in die Obhut ihrer Tante nach England zurück. Bereits nach wenigen Monaten trifft sie dort John McAllister. Obwohl er nicht der Mann ihrer Träume ist, nimmt sie seinen Heiratsantrag an und zieht kurz nach der Hochzeit, im Jahr 1956, mit ihm nach Tanger. Sie hofft, dort die Vergangenheit hinter sich lassen zu können und malt sich eine schöne Zukunft aus. Doch die Realität ist anders: John und ein Freund vergnügen sich in der Stadt, im Hamam, auf Märkten oder im Hinterzimmer von Cafés und genießen das Nachtleben. Alice aber gelingt es nicht, sich in der fremden Umgebung einzuleben; sie verlässt schließlich kaum noch die Wohnung. Eines Tages steht völlig überraschend ihre ehemalige Zimmergenossin Lucy, zu der sie seit über einem Jahr keinen Konntakt mehr hatte, vor der Tür. Die junge Frau ist sofort von Tanger begeistert und versucht, die Freundin aus der Isolation zu reißen, indem sie sie zu gemeinsamen Unternehmungen überredet. Doch Alice fühlt sich dadurch bedrängt und fremdbestimmt, leidet nur noch mehr. Als eines Nachts ihr Ehemann spurlos verschwindet, keimen Erinnerungen an die Katastrophe in Vermont auf, und sie fragt sich, ob Lucy möglicherweise ein falsches Spiel treibt. Resümee: Die Ereignisse werden - mit Ausnahme der letzten Szene - abwechselnd aus Alices und Lucys Sicht in der Ich-Perspektive erzählt. Dabei erinnern sie sich in Rückblenden auch an ihre gemeinsame Zeit auf dem College. Auf diese Weise entsteht ein immer detaillierteres Bild ihrer Persönlichkeit, und der Leser kann sich nicht nur denken, wie es damals zu dem mysteriösen schweren Unfall kam, sondern ihm graut auch immer mehr vor dem, was sich aktuell anzubahnen droht. Dabei hofft man ständig, dass der Hobby-Psychologe in einem sich irrt bzw. es Wendungen gibt, die eine Eskalation - wie auch immer sie konkret aussehen mag - vermeiden. Die Dramatik wird auch durch den Aufbau des Buches vorangetrieben. Im Sinne einer Drei-Akte-Struktur nimmt die Handlung zwischen Prolog und Epilog folgenden Gang: In Teil I, der Exposition, wird der Leser mit den Protagonisten Alice, Lucy und John, ihrer Situation sowie Persönlichkeit bekanntgemacht. Das Problem wird bereits angedeutet, sodass der Leser ahnt, dass Alices Leben in Tanger und ihre Ehe nicht glücklich werden. Teil II dreht sich um die Konfrontation: Der Konflikt wird aufgebaut und steigert sich durch Komplikationen und unerwartete Wendungen immer mehr, bis es schließlich zur Eskalation kommt. Am Ende dieses Kapitels hält der Leser fassungslos die Luft an und fragt sich, ob und wie die Situation - speziell für Alice - noch geklärt werden kann. Der III. Teil bringt schließlich die Auflösung bezüglich der Geschehnisse in der Vergangenheit und Gegenwart. Besonders gelungen finde ich es in Anbetracht der Thematik, dass die Autorin wie schon erwähnt die letzte Szene mit der Überschrift "Lucy" ausnahmsweise in der Er-Form geschrieben hat. Apropos Thematik: Es geht u.a. um obsessive Liebe, gefährliche Eifersucht, deren Erscheinungsformen und Auswirkungen. Es ist der Autorin gelungen, die Problematik psychologisch tiefgründig und vielschichtig zu veranschaulichen. Am Schluss ist festzustellen, dass beide junge Frauen eine Entwicklung durchgemacht haben. Sehr gut eingefangen ist die exotische Atmosphäre Tangers mit dem Labyrinth aus engen Gassen, den pulsierenden, farbenfrohen und geruchsintensiven Souks, Pfefferminztees, Cafés und der Hitze. Fazit: Dies ist nicht einfach "nur" ein Roman, sondern ein Psycho-Thriller, an dem auch Alfred Hitchcock und Daphne du Maurier ihre Freude gehabt hätten.

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