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Rezensionen zu
Gehen, ging, gegangen

Jenny Erpenbeck

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€ 22,00 [D] inkl. MwSt. | € 22,70 [A] | CHF 30,50* (* empf. VK-Preis)

Zwischen den Jahren 2012 und 2014 befand sich auf dem Berlinerischen Oranienplatz ein durch die Behörden nicht genehmigtes Flüchtlingscamp, dessen Ziel die mögliche Verbesserung des Asylbewerbergesetzes hin zu erreichbaren Aufenthaltsgenehmigungen war. Die anschließende polizeiliche Räumung geriet in das Visier zahlreicher öffentlicher und politischer Diskussionen. Die deutsche Autorin Jenny Erpenbeck greift diese noch immer aktuelle, gesellschaftsrelevante Thematik und die Motivation der Demonstranten in der vorliegenden Lektüre "Gehen, ging, gegangen" auf. Diesen, mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Roman lasen wir im Rahmen unserer Abiturvorbereitungen in unserem Deutschkurs – welche Erwartungshaltung kann er letztlich erfüllen? Erpenbeck zeigt, dass sie sich mit dem brisanten Stoff auseinandergesetzt hat und zu einer reflektierten Wiedergabe der Erkenntnisse fähig ist. Sie gibt dem Lesepublikum einen überzeugenden Einblick in den Gedankenhorizont der geflüchteten Asylsuchenden und erzählt ihre ergreifenden Schicksale und Hintergrundgeschichten. Ihre Träume, Erwartungen und Befürchtungen, die sie an das Leben (oftmals als das Einzige, was ihnen übrig blieb) haben, werden authentisch ausgeführt. Die Autorin ergreift in ihrem Werk zudem deutlich Partei für die Bedürftigen und vertritt eine liberale, aufgeklärte Position, die meiner Meinung nach eigentlich nicht zur Debatte stehen sollte. Zahlreiche politisch rechte Bewegungen der letzten Jahre zeichnen aber das traurige Bild unserer Gesellschaft, die bloß auf die Sicherung des eigenen materiellen Wohls fokussiert ist und die notwendige Unterstützung der Notleidenden, Besitzlosen aus den Augen verliert. Außerdem stellt sie ihr teilweise außergewöhnliches sprachliches Niveau unter Beweis, mit dem sie nicht nur zu gesellschaftspolitischen, sondern auch ethischen Gedankengängen anregt. Der hypotaktische, verschachtelte Satzbau gerät auf Dauer jedoch ermüdend und stellt die Konzentration der Leser*innen auf die Geduldsprobe. "Gehen, ging, gegangen" leidet, trotz all seiner inhaltlichen Stärken und Vorzüge, unter einigen erzähltechnischen Schwächen, die dem Buch ein großes Maß seines Potenzials nehmen. Die Erzählung ist beinahe durchgehend in einem sich sehr schwerfällig weiterentwickelndem, vor sich hin dümpelnden Tempo verfasst. Man wünscht sich hier sehnlichst einen richtigen Spannungsbogen her, der den Roman aus diesem ewig herumdrucksenden Zustand befreit und auf einen Weg, der ein echtes Ziel ansteuert, leitet – aber vergeblich. Schließlich mündet die Geschichte in ein übereiltes, hektisch geschildertes Ende, indem mehr zu passieren und die Hauptfigur ein deutlicheres Profil zu bekommen scheint als in den zweihundert Seiten zuvor. Und da liegt ein weiteres erhebliches Problem: der Protagonist Richard erweist sich als wenig inspirierter, leblos kalter Protagonist, der zwar bis auf wenige Ausnahmen die Handlung aus seiner eigenen Perspektive wiedergibt, aber den Leser*innen einen nur sehr beschränkten Blick in sein Innenleben gewährt. Seine Hoffnungen und Wünsche bleiben häufig ungeklärt, seine aus purer Langeweile und schierem Zeitüberdruss entstandenen Motive oftmals fraglich. Ich hatte bis zur letzten Seite das Gefühl, nie auch nur in Ansätzen in die Gefühlswelt des alten, weißen Mannes eintauchen zu können – und das obwohl wir ihn auf ausschweifenden, teils philosophisch anmutenden gedanklichen Spaziergängen begleitet durften. In ihrem Roman schafft die Autorin es nicht, die notwendige Grenze zwischen der Masse der Flüchtlinge, oftmals als Problemursache diskreditiert, und dem Individuum mit subjektiven Schicksalsschlägen und Erwartungen zu ziehen. Die Eigenarten der einzelnen Figuren werden recht unbeherzt herausgearbeitet, einige Personen sogar bis zum Ende hinter der undankbaren Maske ihrer Freizeitbeschäftigung verborgen (die "Billardspieler") und wirken insgesamt recht austauschbar – somit gerät die Charakterisierung der Asylsuchenden größtenteils unzureichend. Dennoch möchte ich der Autorin gegenüber meine Dankbarkeit aussprechen, sich in ihrem Buch auf ein so wichtiges Thema wie dieses zu beziehen und nicht nur offene Kritik an der deutschen Bürokratie auszuüben, sondern auch das Bewusstsein einer breiteren öffentlichen Masse darauf zu lenken. Es ist spürbar, wie sehr sie hinter diesem Roman steht. "Gehen, ging, gegangen" ist ein politisch brisanter Roman, der sich kompetent mit der Thematik auseinandersetzt. Erzähltechnisch geht ihm aber recht schnell die Puste aus.

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Gehen, ging, gegangen – immer noch eines der besten Bücher zum Umkreis Asylsuchende, Flüchtlinge, Neubürger. Ein Roman, geschrieben von Jenny Erpenbeck. Ein erneuter Blick darauf lohnt, auch wenn das Buch schon 2015 erschienen ist. Gehen, ging, gegangen: der Titel ist schlicht genial, weil er alles enthält: die Mühen, die deutsche Sprache zu erlernen; den Fortgang der „Fremden“; den Abgang des Professors von seiner langjährigen Wirkungsstätte und … Gehen, ging, gegangen: Richard, Professor der Altphilologie, seit fünf Jahren verwitwet, von seiner Geliebten verlassen, ist frisch emeritiert und beginnt sich einsam zu fühlen. Auf dem Alexanderplatz vor dem Roten Rathaus sieht er Ende August zehn Männer im Hungerstreik, die ihren Namen nicht sagen wollen, mit einem Schild „Wir werden sichtbar“, die dort in Zelten auch übernachten; an einem der nächsten Tage sind sie verschwunden, weil es eine Vereinbarung mit dem Senat gegeben hat, in der eine genaue Einzelprüfung versprochen wird. Richard kommt auf die Idee, mit ihnen in ihrer Sammelunterkunft am Oranienplatz Verbindung aufzunehmen; zunächst hat er nur vor, Interviews zu führen, aus wissenschaftlicher Neugier; doch wird er mehr und mehr zum Helfer und Handelnden, bis er schließlich sogar sein Haus mit Behördenbilligung zu einer Heimunterkunft macht. Gehen, ging, gegangen: Anfang Februar treffen für alle Männer der Oranienplatz-Gruppe die Bescheide ein. „Einzelfall für Einzelfall ist nun geprüft und entschieden. Es hat sich herausgestellt, was man auch bei der Räumung des Platzes im Herbst letzten Jahres schon wusste: dass nur Italien für die Männer, die in Italien angekommen sind, zuständig ist“ (entsprechend der Dublin-II-Verordnung). In dem Buch sind die beiden gegenüberliegenden Seiten 328 und 329 fast leer – da steht nur jeweils „Wohin geht ein Mensch, wenn er nicht weiß, wohin er gehen soll?“ Am Schluss des Romans feiert Richard seinen Geburtstag mit alten und neuen Freunden. In einem Gespräch mit Detlev und Khalil spricht er verdrängte Wahrheiten aus seiner Ehe erstmals aus – auch er hat etwas gelernt. Damals (als seine Frau nach einer Abtreibung fast gestorben wäre) sei ihm klargeworden, „dass das, was ich aushalte, nur die Oberfläche von all dem ist, was ich nicht aushalte. So wie auf dem Meer?, fragt Khalil. Ja, im Prinzip wie auf dem Meer.“ Gehen, ging, gegangen: heimliche (dritte) „Hauptperson“ des Buches ist die Zeit. „Die Zeit macht etwas mit einem Menschen, weil ein Mensch keine Maschine ist, die man an- und ausschalten kann. Die Zeit, in der ein Mensch nicht weiß, wie sein Leben ein Leben werden kann, füllt so einen Untätigen vom Kopf bis zu den Zehen“ (S. 293). Was mir an dem Roman besonders gefällt, ist, dass er nicht einfach schwarz-weiß malt. Beispielsweise kann sich Richard nie ganz von seinen bürgerlichen (Vor-)Urteilen lösen. Er ist keineswegs ein reiner Gutmensch. Als Osarobo die Verabredung zum Klavierspielen vergessen hat: „Er ärgert sich, aber worüber eigentlich? Dass der Afrikaner nicht so glücklich und dankbar ist, wie er es von ihm erwartet? … Vielleicht auch darüber, dass der Afrikaner nicht verzweifelt genug ist, um seine Chance zu erkennen?“ (S. 145) Nachdem bei ihm sich ein Diebstahl ereignet hat, kann er nicht verhindern, dass er im Stillen Osarobo bezichtigt, der regelmäßig zum Klavierspiel gekommen war. Ob er es tatsächlich war, lässt die Autorin offen. Die Asylbewerber (genauer: ein Teil von ihnen) sind differenziert gezeichnet. Die Sprache ist einfach, die Sätze meistens kurz. Öfter werden Wiederholungen als Stilmittel verwendet. Auch tiefere Gedanken sind gut verständlich (einfach) formuliert. Richard vor der Begegnung mit den Flüchtlingen: „Richard wartet, aber er weiß nicht, worauf. Die Zeit ist jetzt eine ganz andere Art von Zeit. Auf einmal. Denkt er. Und dann denkt er, dass er, natürlich, nicht aufhören kann mit dem Denken. Das Denken ist ja er selbst, und ist gleichzeitig die Maschine, der er unterworfen ist. Auch wenn er ganz allein ist mit seinem Kopf, kann er, natürlich, nicht aufhören mit dem Denken. Auch, wenn wirklich kein Hahn danach kräht, denkt er.“ Gut finde ich auch, dass der Roman auf gründlicher Recherche beruht (wozu auch viele Gespräche mit Asylsuchenden gehören). Die Danksagungen am Schluss lassen darauf schließen. Jenny Erpenbeck: Gehen, ging gegangen. Roman. Albrecht Knaus Verlag, München 2015, 352 Seiten, 19,99 EUR Text: Dr. Helge Mücke, Hannover; Bild: Umschlaggestaltung des Verlages. Verfasst am 28. November 19 um 17:22 Uhr | Permalink Tags: gehen ging gegangen, Jenny Erpenbeck, knaus

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Überzeugend

Von: Jörg Schneider aus Zollikerberg

25.06.2019

Tatsachenroman, überzeugend, sehr interessant und fesselnd geschrieben. Ich habe jede Seite von A bis Z gelesen. Das kommt bei mir fast nie vor.

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Meine Meinung

Von: Leistungskurs Deutsch des Schiller Gymnasiums aus Berlin

21.02.2019

Der Roman thematisiert das aktuelle Thema der Flüchtlingspolitik. Der in Rente gegangene Professor Richard, der aufgrund seines Ruhestands sich zu langweilen beginnt, stößt durch Zufall auf die Flüchtlingsproblematik. Im Laufe des Romans entwickelt sich seine Ansicht über diese und er beginnt eine Beziehung zu Einigen von ihnen aufzubauen. Die Message hinter dem Buch, sich auf neue Kulturen und Menschen einzulassen, mit denen man zuvor nicht in Zusammenhang stand, ist ein interessanter Ansatz, hätte aber meiner Meinung nach besser umgesetzt werden können. Vor allem am Beginn des Romans finden sich viele Textpassagen, die hätten gekürzt werden können, damit der Leser nicht direkt am Anfang gelangweilt wird. Hinzu kommen einige klischeehafte Charaktere und Handlungen, die überspitzt wirken.

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In ‚Gehen, ging, gegangen‘ konjugiert Jenny Erpenbeck das gesellschaftspolitische Dauerthema, die sog. „Flüchtlingskrise“ anhand der persönlichen Schicksale einer Gruppe geflohener Afrikaner. Um auf die Zustände bzw. Missstände aufmerksam zu machen, protestieren sie in einem Camp vor dem Rathaus. Auf diese Aktion wird, eher passiv und zufällig, ein ehemaliger Professor aufmerksam, Richard. Nach dem ersten Kontakt mit der Gruppe lässt das Thema ihn nicht mehr los. Es treibt ihn um, was dort mit den Menschen geschieht, und er tritt in Aktion. Skeptisch, zögernd zu Beginn. Aufopfernd und intensiv am Ende. Flucht und Heimat, so stellt er fest, sind auch zu bestimmenden Determinanten seines Lebens geworden, denn auch er ist durch die Wiedervereinigung heimatlos geworden. Wo früher noch eine Mauer stand und seine Strasse, scheinbar für immer endete, führt sie heute weiter. Die meisten Grenzen sind willkürlich, ob im großen Afrika oder auf wenigen Quadratkilometern in Berlin und können quasi per Verwaltungsakt verschoben werden, wenn der politische Wille dazu besteht. Die nicht aufgearbeitete Wiedervereinigung wird so zum Zweitthema des Romans, quasi zur Leiche im Keller; bzw. zum toten Taucher im See vor Richards Haus oder zu den Leichen Geflüchteter im Mittelmeer. Ein großartiges Buch zum Verständnis der Unmenschlichkeit. Leider ist es sehr einseitig aus der Perspektive der Willkommenskultur geschrieben und fasst andere wichtige Aspekte der Debatte zu kurz, aber für einen emphatischen Leser ist es eine unbedingte Leseempfehlung!

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Wichtiges, berührendes Zeitdokument

Von: Naibenak aus Pinneberg

20.03.2018

Richard, kürzlich emeritierter Professor für alte Sprachen und bereits Witwer, möchte in seinem neuen Dasein einen Sinn finden. Er strukturiert sein Leben durch, wohnt allein in einem großen Haus in ehemals Ost-Berlin an einem See, in dem letzten Sommer jemand ertrunken ist und noch immer nicht gefunden wird. Als er am Berliner Oranienplatz mit Flüchtlingen aus Afrika in Berührung kommt, wächst in ihm eine Idee, ein Auftrag. Fein säuberlich erstellt Richard einen Fragenkatalog, um damit zur neuerlichen Unterkunft der Flüchtlinge zu gehen und diese zu befragen. Schon bald ist Richard fast täglich dort, freundet sich mit einigen an, hört sich ihre Geschichten an und versucht zu helfen. Sein Blick ändert und erweitert sich. Und immer wieder schweift Richard in Gedanken zu seiner verstorbenen Frau und auch zur Wendezeit in Berlin, die er durchlebt hat. Zieht Parallelen zur Situation der Flüchtlinge, merkt aber bald, dass deren Vergangenheit viel komplexer ist, als er es sich je erträumt hätte. Ebenso die aktuelle Situation. Als Leser begeben wir uns in Richards Gedankenwelt, die sehr authentisch und sprachlich passend dargestellt wird. Mal sind es lange verschachtelte Gedankengänge, dann wieder unvollständige Sätze oder aber Einwortsätze. In diesen etwas ungewöhnlichen Sprachrhythmus hineinzufinden, der außerdem gänzlich ohne wörtliche Rede auskommt, hat mich einige Seiten gekostet. Dann jedoch fließt es wie von selbst. Man merkt die Entwicklung von Richard im Verlauf der Geschichte. Oft sind Gedanken zur Menschheit, zum Lebenssinn, zur aktuellen Flüchtlingssituation oder auch zu ganz eigenen Reaktionen sehr eindrücklich und berührend beschrieben. „Er ärgert sich, aber worüber eigentlich? Dass der Afrikaner nicht so glücklich und dankbar ist, wie er es von ihm erwartet? Dass der Afrikaner ihn, den einzigen Deutschen von draußen, der, wie es scheint, jemals dieses Heim hier freiwillig betritt, einfach vergisst? Vielleicht auch darüber, dass der Afrikaner nicht verzweifelt genug ist, um seine Chance zu erkennen? [...] Damals, in den Diskussionen, die der Trennung seiner Geliebten von ihm vorausgegangen waren, hatte sie mehrmals gesagt, nicht das Ausbleiben dessen, was er erwarte, sei das Problem, sondern seine Erwartung.“ (S.145) Abwechselnd mit diesen – Richards – Gedanken, die manches Mal durchaus etwas (zu) gefühlsduselig wirken, erzählen die Flüchtlinge ihre Geschichten, was wiederum sehr reduziert und telegrammartig dargestellt wird. Hier sprechen die nackten Tatsachen für sich. Aber selbst das ist teilweise an der Grenze des Erträglichen. Hinzu kommt der Bürokratiewahnsinn, der einfach nur frustriert und ebenso die allgegenwärtigen Berührungsängste der Berliner, der Hass und die Aggression, die Richard beim Durchstöbern einiger Internetforen entgegenschlagen... „ Führt der Frieden, den sich die Menschheit zu allen Zeiten herbeigesehnt hat und der nur in so wenigen Gegenden der Welt bisher verwirklicht ist, denn nur dazu, dass er mit Zufluchtsuchenden nicht geteilt, sondern so aggressiv verteidigt wird, dass er beinahe schon selbst wie Krieg aussieht?“ (S.298) Jenny Erpenbeck zieht in diesem hochaktuellen Roman einen großen Bogen über die Themen: Veränderung/Angst vor dem Unbekannten/ Erinnerung & Trauerbewältigung. In unterschiedlicher Ausprägung treffen diese Kernthemen auf alles zu: auf das Altern von Richard als Witwer im Ruhestand, auf die Wendezeit im ehemals geteilten Berlin, auf die Flüchtlingssituation. Ich hätte mir manches Mal gewünscht, dass die Autorin auch einen Blick aus einer anderen Perspektive wagt, doch will ich ihr dies verzeihen, denn dieser Roman ist meiner Meinung nach ein wichtiges deutsches Zeitdokument zum einen und außerdem eine berührende Geschichte eines alternden Mannes. Fazit: Wichtig und berührend. Schöne Stilistik. Informativ und aufrüttelnd mit guter Message.

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"Wenn eine ganze Welt, die man nicht kennt, auf einen einstürzt, wo fängt man dann an mit dem Sortieren?" (Seite 63) Richard ist seit mehreren Jahren verwitwet und seit Kurzem emeritiert. Er hat Freunde und Interessen, aber auch viel Zeit, die er versucht zu füllen. Da wird er auf einen Hungerstreik mehrere Afrikaner aufmerksam, die aus ihrer Heimat geflohen sind, in Deutschland Asyl beantragen und hier arbeiten wollen. Das Thema "Asyl" lässt Richard nicht mehr los, und schließlich geht er zu einem Treffen in einer besetzten Kreuzberger Schule und danach in die Unterkünfte der afrikanischen Flüchtlinge. Er bietet ihnen Hilfe und Unterstützung an, und nach und nach zeigen sich zwischen Richard und diesen Menschen, die auf den ersten Blick nichts mit ihm gemein haben, mehr und mehr Parallelen und Ähnlichkeiten, z.B. ein großes Interesse für Musik oder die viele Zeit, die sie alle zur Genüge zur Verfügung haben und die sie versuchen, mit einer sinnvollen Tätigkeit zu füllen. Mir hat ‚Gehen, ging, gegangen‘, das ich schon lange lesen wollte, gut gefallen, obwohl der Funke bei mir nicht ganz übergesprungen ist. Die Charakterisierung der Protagonisten und die Beschreibung der Orte haben mir gut gefallen, zumal mir einige der Berliner Schauplätze bekannt sind, so dass diese Schilderungen sehr zur Authentizität des Romans beigetragen und Spannung aufgebaut haben. Gefallen hat mir der Prozess des Verstehens und Mitfühlens, den Richard durchläuft und den damit auch der Leser begleitet: seine immer intensivere Beschäftigung mit Gegebenheiten in den Herkunftsländern der Geflüchteten, mit den Fluchtwegen und Fluchtgründen, mit dem Asylrecht und den Steinen, die Asylsuchenden von Gesetzesseite in den Weg gelegt werden. Nicht ganz gefesselt hat mich das Buch möglicherweise, weil ich Jenny Erpenbecks Schreibstil bisweilen recht sperrig fand, obwohl mich das Ende doch sehr bewegt hat und man im Buch auch viele weise Gedanken findet, die ins Schwarze treffen, z.B. "Mit Dublin II hat sich jedes europäische Land, das keine Mittelmeerküste besitzt, das Recht erkauft, den Flüchtlingen, die übers Mittelmeer kommen, nicht zuhören zu müssen." (Seite 85). Jenny Erpenbeck: Gehen, ging, gegangen. Penguin Verlag, 2017, 347 Seiten; 10 Euro.

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Ein starker Roman, mit tollen Worten, einem gelungenen und fesselnden Stil und einer wichtigen Intention. Jenny Erpenbeck legt einen außergewöhnlichen Roman dahin, in dem Richard die Hauptrolle spielt. Der alte Professeor und die Flüchtlinge. Eine Flucht von damals, Probleme und die Zeit der DDR gegen die der momentan Asylsuchenden. Erpenbeck schreibt in einem ungewöhnlichen Stil, ohne Anführungszeichen vor den wörtlichen Reden, was den Lesefluss zumindest zu Beginn ein wenig hemmt. Doch je weiter man liest, desto mehr wird man von der Art und Weise begeistert und mitgerissen. Die Stellen, in denen es dann um Richard privat geht bzw. um seine Vergangenheit, sind zwar nicht so spannend, wie die Situationen, in denen er mit der Flüchtlingsproblematik konfrontiert wird, aber dennoch wichtig für die Gesamtgeschichte. Fazit: Ein gelungener Roman mit starken Worten, den jeder lesen sollte!

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