Von:
Kriegskind
aus Hamburg
29.12.2020
Eine für jemanden, der diese Zeit miterlebt hat, schier unglaubliche Geschichte eines britischen Offiziers und seiner Frau sowie eines deutschen Villenbewohners und seiner halbwüchsigen Tochter im Hamburg des Jahres 1946. In einer in Schutt und Asche liegenden Stadt bemühen sie sich vorsätzlich oder unbewusst um die Zukunft. Der Offizier will, unter weiträumiger Umgehung des Fraternisierungsverbots, Stadt und Menschen wieder aufbauen- die anderen sich selbst. Auf dem Weg dahin verirren oder verwirren sich diese traumatisierten Opfer des Bombenkrieges, die in der nicht verwundenen Trauer um den auf aberwitzige Weise ums Leben gekommenen Sohn und um die verschwundene Ehefrau und Mutter gefangen sind, in persönliche und politische Verwicklungen, die dann doch einen tröstlichen Ausweg finden. Die Geschichte ist emotional und sprachlich (es finden sich keine Anbiederungen an aktuelle Redewendungen) stimmig und insbesondere auch deshalb glaubwürdig, weil so faktengenau, dass es den Zeitzeugen unschwer in die Vergangenheit versetzt: der kälteste Nachkriegswinter 46/47,in dem nahezu alles gefror, die notdüftige Kleidung, die ständige Suche nach Nahrung und Heizmaterial, soziale Unruhen, streunende Jugendbanden und Besatzungssoldaten, die größtenteils ihre "Instructions for British Servicemen in Germany" selbst kleinen Kindern gegenüber unnachgiebig befolgten, aber auch beschlagnahmte Wohnungen zu persönlichem Vorteil zu nutzen sich nicht scheuten. Nur ein klitzekleiner Fehler hat sich eingeschlichen, was allerdings auch an der Übersetzung liegen kann: eingangs des Kapitels 10 versteckt das junge Mädchen entwendete Akten unter der Kleidung ("Die braune Mappe, vom Strumpfhosengummi am Bauch gehalten...").Nun gab es 1946 wenig oder nichts - aber Strumpfhosen schon deshalb nicht, weil sie erst 20 Jahre später zum gängigen Kleidungsstück wurden.Die Formulierung kommt also der Behauptung nahe, Adenauer habe ein smartphone benutzt. Der Qualität des Buches jedoch tut dieser Irrtum keinen Abbruch