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Rezensionen zu
Adler und Kranich

Lutz Budrass

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Zunächst kann man sich unbedarft durchaus fragen, worin denn der Reiz bestehen sollte, die Geschichte einer Fluggesellschaft näher zu beleuchten, wenn man nicht interne Interessen verfolgt oder dem Unternehmen aus anderen Gründen nahe steht. Aber schnell bei der Lektüre wird klar, dass hier anhand der Jahre von 1926 bis 1955 nicht nur die die Geschichte eines konkreten gegenwärtigen Konzerns erzählt wird, sondern ein wichtiges und exemplarisches Stück Zeitgeschichte in besonderer Form sehr fundiert und akribisch aufgearbeitet von Budrass offen gelegt wird. Die europäische Hoffnung auf ein stärkeres Zusammenwachsen der 20er Jahre, der Hass gegen den siegreichen Kriegsgegner auf der anderen Seite, die zunehmende Bedeutung von Flugzeugen auch als strategische, kriegerische Mittel. So entsteht die „Luft Hansa“ 1929 aus den Anfängen der zivilen Luftverkehrsgesellschaft. Eine militärische Ausrüstung, eine „Waffe“ der Landesverteidigung, die ebenso zum Angriff bestens ausgerichtet werden kann. Ein militärisches Denken, das von Beginn an mit im Raum stand, mit in der Planung war. Die Verstrickung der „Luft Hansa“ in diese Konglomerat, die sich aufheizende und ständig sich erweiternde Aufrüstung im dritten Reich, der Umgang (und die Vielzahl) mit Zwangsarbeitern. Dabei auch die später in den Kriegsjahren negativen Stimmen vom Versagen der Luftwaffe (das zwar Göring in Person angelastet wird, dennoch aber seine Schatten auf die Gesellschaft mit wirft). All dies zeigt die wichtige, zentrale Bedeutung der heutigen Lufthansa im dritten Reich. Eine Geschichte, um deren Aufarbeitung sich die Gesellschaft selbst wenig ausgezeichnet hat. Erst 2001, anlässlich geplanter Feiern zum 75jähirgen Bestehen der Lufthansa wurden vielfache Verwicklungen in die Politik des dritten Reiches und vor allem der Umgang mit den tausenden von Zwangsarbeitern publik und sorgten für erhebliche kritische An- und Nachfragen. Vor allem, wenn man bereits in der Frühzeit der Gesellschaft die enge Verbindung zu militärischen Kreisen in solcher detaillierter Weise vorgelegt bekommt, wie in diesem Werk. Dass die zivile Luftfahrt kein gewinnbringender Wirtschaftszweig ist, das ist zu jener Zeit schnell deutlich. Dass aber im Zuge der zunächst heimlichen, dann immer offener zutage tretenden Wiederaufrüstung der Wehrmacht zunächst militärisch geschult wird und später militärisch „mitgemacht“ wird, das legt Budrass sehr eindrucksvoll offen und verbindet so die „Magie des Fliegens“ und die Stützung auf den hervorragenden Ruf deutscher Technik und Ingenieurskunst (die positiven Aspekte, auf die die Lufthansa noch in der Gegenwart rekurriert) mit von Beginn an konkreter, militärischer Ausrichtung als wichtiger Teil des dritten Reiches (was in der Gegenwart lieber nicht ausführlich thematisiert wird). Wenn zudem Budrass zudem in ruhiger Art und Weise die „Industrialisierung“ der Lufthansa offen legt und dabei verdeutlicht, dass an Zwangsarbeitern nicht nur „direkt“ verdient wurde (durch Nutzung der Arbeitskraft), sondern auch „indirekt“ (drum herum) mit Versorgungsleistungen für deren Unterbringung und Transport, dann zeigt sich bei der Lektüre überzeugend argumentiert, dass ein „weiter so“ mit fast gleichem Personal, gleichem Logo und unter gleichem Namen ab der Neugründung 1955 nur so stattfinden konnte, indem die eigene Vergangenheit tief vergraben vermutet wurde. Von Beginn an zeigt Budrass Schritt für Schritt dabei auf, wie der eigentliche Zweck der Luft Hansa die „geheime Rüstung“ war, wie die entscheidenden, politischen Kräfte nur „zum Schein“ einer „zivilen Luftfahrtgesellschaft“ ihre Unterstützung anboten und hinter den Kulissen ausschließlich an „Luftwaffe“ statt an „Luftfahrt“ dachten. Was 1932 noch offenkundiger wurde, als die letzten Restriktionen des Versailler Vertrages fielen, Deutschland offiziell eine Luftwaffe Schritt für Schritt aufbaute. Und damit die Luft Hansa überflüssig erscheinen ließ. Was die Leitung der Gesellschaft eben kreativ auf eine Vielzahl neuer Ideen brachte, die wenig mit der heute so hoch gehaltenen zivilen Luftfahrt zu tun hatte. Sehr umfangreich recherchiert, sehr ruhig, fundiert und sachlich vorgelegt bietet das Werk erst malig einen umfassenden Blick auf die Geschichte der Lufthansa und damit exemplarisch auch auf das „wirtschaften“ im dritten Reich an sich. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre.

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Längst überfällig

Von: Jörn Fries, Historiker im Schuldienst und Freier Journalist aus Nieheim

17.03.2016

Die vorliegende Publikation des Bochumer Historikers Lutz Budrass war längst überfällig. Sie räumt mit gern weitererzählten, allerdings nie auf ihren Wahrheitsgehalt hinterfragten Mythen auf und zeigt schonungslos, darin Leopold von Ranke folgend, wie es wirklich gewesen ist: Der gelbe Kranich war (und ist es wohl noch heute) ein Vorzeigevogel der deutschen Luftfahrt(industrie), aber er war auch Teil der Wiederbewaffnung des Deutschen Reiches nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und diente später auch dem NS-Staat und dessen unmenschlichen Zielen. In jüngerer Zeit folgte mit der Firma MBB (später DASA, Eurocopter Helicopter, jetzt Airbus Helicopters) ein weiteres Unternehmen dem Vorbild der Lufthansa: Von der (Bundes-)Regierung und den (West-)Alliierten gebraucht, um hochtechnologisierte Kriegstechnik zu entwickeln und zu produzieren (beispielsweise die Bo 105 als Panzerabwehrhubschrauber), wurden deren Produkte allerdings auch ein Bestseller im zivilen Bereich (so war der erste zivile Rettungshubschrauber der Bundesrepublik, der in München stationierte "Christoph 1" eine Bo 105, weltweit folgten weitere über 1.000 Serienmaschinen - nicht nur im Luftrettungsdienst). Es ist das Verdienst Budrass', dass man die Erfolgsgeschichte der Lufthansa und damit der (bundes-)deutschen Luftfahrt endlich auch mit anderen, oder soll ich sagen: offenen Augen sehen kann. Hierfür gebührt ihm mein Dank.

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