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Rezensionen zu
Handbuch des Helden

Christopher McDougall

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€ 19,99 [D] inkl. MwSt. | € 20,60 [A] | CHF 27,90* (* empf. VK-Preis)

Es gibt Bücher, die liest man einfach so runter und stellt sie danach mit dem Gefühl in die Ecke, ein paar Stunden gute Unterhaltung gehabt zu haben. Und nach ein paar Tagen hat man schon fast wieder vergessen, worum es eigentlich ging. Und was man so toll an dem Buch fand. Und dann gibt es Bücher wie dieses: Das „Handbuch des Helden“. Es ist der neue Geniestreich von Christopher McDougall – jenem Autor, der uns bereits in die Welt der Tarahumara, den schnellsten und besten Läufern der Welt entführt und damit einen Millionenbestseller gelandet hat. Nun hat er ein neues Werk verfasst – es geht, so der Untertitel, um nichts anderes als die „Suche nach den Geheimnissen von Kraft und Ausdauer“. Was können wir erwarten? Bedenkt man, dass McDougall bereits einige Erfahrungen auf dem Gebiet des (sportwissenschaftlichen) Journalismus hat (er schreibt unter anderem für Mens Health und einige andere Fachmagazine) und anknüpfend an seinen unglaublich erfolgreichen, weil fantastisch geschriebenen und recherchierten Erstling nun etwas Großes liefern muss, dürfen unsere Anforderungen an dieses Buch hoch sein. Erst recht, wenn es „Handbuch des Helden“ heißt. Was für eine Flut an Assoziationen und Erwartungen damit geweckt wird! Bereits im Titel (im Englischen: Natural Born Heroes) wird Spannung erzeugt. Wir wollen alle Helden sein – wenn es dafür ein Handbuch gibt, umso besser. Her damit! Und es ist eine der großen Stärken dieses Buches, dass McDougall genau darauf hinausmöchte: Wir können alle Helden sein. Jeder und jede Einzelne von uns – nur ganz anders, als wir uns das vielleicht vorstellen. Das Heldentum beginnt auf Kreta Nachdem ich „Born To Run“ gelesen (und umgehend zu meiner Sportbibel erklärt) hatte, erwartete ich von dem „Handbuch des Helden“ etwas Ähnliches – eine Anknüpfung, eine Fortführung der im ersten Buch dargelegten Fakten und Erfahrungsberichte. Einen zweiten Teil gewissermaßen. Doch ich wurde gleichzeitig enttäuscht und positiv überrascht. Die Enttäuschung: Die Tarahumara kommen hier nicht vor – im Handbuch des Helden ist jene Steppenromantik und Canyonexotik, die „Born To Run“ gekennzeichnet und so einprägsam gemacht haben, dahin. Die Überrschaung: Wir bekommen etwas Neues – und zwar etwas, das genauso spannend und aufregend ist: Wir bekommen Kreta. Und eine gehörige Lektion in deutscher Geschichte. Der Zweite Weltkrieg: Kreta als strategischer Kriegsposten Sie müssen sich in die Lage des Generals versetzen. General Bruno Oswald Bräuer, der deutsche Befehlshaber auf der Mittelmeerinsel Kreta. (11) Die ersten beiden Sätze aus „Handbuch des Helden“ lauten genau so, wie man sie zuallerletzt erwartet hätte. Ich muss gestehen, dass ich aufgrund der vollkommen anderen Erwartungshaltung zunächst verwirrt war – um mich dann im unmittelbaren Anschluss zu fragen, was genau denn bitte Kreta und der Zweite Weltkrieg mit dem Laufen zu tun haben sollen? Geschweige denn mit Helden. Doch meine anfänglichen Zweifel wurden schnell, sehr schnell, aus dem Weg geräumt. General Bräuer nun sitzt nämlich in folgender Bredouille: Er hat das Sagen über den deutschen Vorposten im Mittelmeer namens Kreta. McDougall eröffnet uns nicht ganz so in Geschichte Bewanderten (unter anderem mir), dass Kreta im Zweiten Weltkrieg ein strategisch äußerst wichtiges Gebiet war, das Hitler unbedingt und mit allen Mitteln unter seine Kontrolle bringen wollte. Und vor dem er gleichzeitig panische Angst hatte, dass es ihm nach erfolgreicher Eroberung wieder entrissen würde. Es ist kein Geheimnis, dass die Alliierten genau bescheid wissen über die Verwundbarkeit dieses Stützpunktes, ist er doch von zahlreichen Bergen und Felsmassiven durchzogen und daher ein perfekter Ort für Spionageaktivitäten. Daher sind stets mindestens 40.000 deutsche Soldaten auf der Insel und bewachen und kontrollieren alles, was bewacht und kontrolliert werden kann. Nur eben nicht ihre eigenen Männer. Beziehungweise ihre eigenen Generäle. Einer von ihnen wird nämlich gewissermaßen genau unter ihren Augen entführt. Von wem? Unbekannt. Wohin? Unbekannt. Warum? Das ist glasklar: Um Angst und Unsicherheit zu schüren – und das gelingt äußerst erfolgreich. General Bräuer muss nun seinen Kollegen – General Kreipe – finden, bevor Hitler von der ganzen Sache Wind bekommt. Wofür es natürlich längst zu spät ist. Der Führer erfährt die verpatzte Lage auf der Insel und bekommt einen Tobsuchtsanfall. Und schickt noch mehr Soldaten nach Kreta – bis zu 80.000 Mann suchen nun nach den Entführern des Generals. Doch wer sind die eigentlich – und was hat das mit dem Laufen zu tun? Faszien und kretisches Heldentum Wie kann man auf einer Insel, auf der es von deutschen Soldaten nur so wimmelt, einen deutschen General einfach verschwinden lassen? (15) Das ist die zentrale Frage, um die sich das gesamte Buch dreht. So sehr er inhaltlich auch von dem bereits Bekannten abweicht – stilistisch ist Christopher McDougall sich treu geblieben: Ähnlich wie in „Born To Run“ bliebt er nicht beim Erzählen einer Geschichte. Er webt viele verscheidene Stränge dazu, Teilstücke, Vor- und Zurücksprünge, baut wissenschaftliche Exkurse und eigene Rechercheaufenthalte zwischen die Kapitel, in denen die Geschichte um den entführten deutschen General beschrieben wird. Wir lernen Chris White kennen, einen Amateurhistoriker, der sich genau eine Aufgabe zum Lebenswerk gemacht hat: Herauszufinden, was genau damals am 20. April 1944 auf Kreta geschah. Und in der Zeit danach. Stück für Stück lässt uns McDougall anhand szenischer Wechsel den Krimi nachverfolgen – Vergangenheit und Gegenwart gehen ineinander über, als er sich zusammen mit White auf Spurensuche begibt und genau die Route erklimmt, die die Flüchtigen vor über 60 Jahren gewählt haben müssen, um den Deutschen zu entkommen. Genau: Die Flüchtigen. Der General ist eine Geisel und lebt demzufolge noch. Diejenigen, die ihn gefangen haben, können aus logistischen Gründen noch gar nicht von der Insel geflohen sein – und müssen sich noch auf ihr befinden. Genauer gesagt: sich innerhalb der gewaltigen Gebirgsketten verstecken, von denen jeder auf der Insel weiß, dass dort die widerständlerische kretische Bevölkerung zurückgezogen vor den deutschen Besatzern lebt. Genau: Erklimmen. Denn Kreta zu bewandern, ist alles andere als ein Vergnügen. Für den hightech-ausgestatteten McDougall nicht und erst recht nicht für einen Haufen Widerständler, die nicht einmal etwas zu Essen bei sich tragen und um ihr Leben rennen müssen. Auf Kreta war der Widerstand der Bevölkerung gegen die deutschen Besatzer von Anfang bis Ende ein zäher, unbeugsamer und risikoreicher. Obwohl sie von sämtlicher Versorgung abgeschnitten, auf sich allein gestellt und in der Kriegsführung absolut unausgebildet waren, schafften es allerdings diese Menschen, den Deutschen Angst zu machen. Durch Zähigkeit, Hartnäckigkeit, Sturheit und eine enorme körperliche Leistungsfähigkeit. Aus welchen Quellen schöpften diese Menschen ihre Kraft? Es gab eine Zeit, in der diese Frage keine Rätsel aufgeworfen hätte. Die Kunst des Heldentums wurde während eines großen Teils der menschlichen Geschichte nicht dem Zufall überlassen. (21) Ja, richtig gelesen: Heldentum kann erlernt werden. Denn ein Held (oder eine Heldin) ist nach McDougall nicht jemand wie Superman oder Wonderwoman – kein unerreichbares Idol, das farbenprächtig von Filmplakaten lächelt. Ein Held zeichnet sich genau durch eine Eigenschaft aus: Er ist nützlich. Nützlich für seine Mitmenschen, indem er ihnen in wichtigen Situationen zur Seite stehen kann, indem er sie retten, beschützen, beraten, unterstützen, notfalls auch leiten kann. Und solche Fähigkeiten bedürfen nicht nur einer besonderen Empathieschulung, sondern vor allem entsprechenden körperlichen Voraussetzungen. Wann habt ihr das letzte Mal jemanden aus einem brennenden Hochhaus gerettet? Wann seid ihr todesmutig in einen Fluss gesprungen, um jemanden vor dem Ertrinken zu bewahren? Wie würdet ihr in solchen Notsituationen überhaupt reagieren? Seid ihr darauf vorbereitet? Ist es euer Körper? „Wie kann ein Körper auf solche Situationen vorbereitet sein?“ Das ist man geneigt, sich zu fragen. Und man ist ebenso geneigt, die schnelle, aber unbedachte Antwort „Muskeln“ zu geben. Ein fataler Fehler. Das Geheimnis des Helden liegt nicht in seinen Muskelpaketen – das war bis vor einigen Jahrzehnten noch ein allgemein anerkanntes und verbreitetes Wissen, das durch aufgepumpte Übermänner wie Schwarzenegger und Konsorten leider verloren gegangen ist. Lange bevor es Fitnesstempel gab, hielten die Menschen sich fit. Und das nicht, indem sie eine Stange mit Gewicht von A nach B schoben. Sondern, indem sie in der Natur und mit allem, was sie ihnen bot, trainierten. Und zwar sekundär ihre Muskeln. Im Vordergrund stand etwas völlig anderes: die Faszien. [Rezension] Handbuch des Helden Odysseus war athletisch, aber mit Sicherherit kein Muskelprotz. Die Faszien sind das Bindegewebe, das unseren Körper zusammenhält. Es liegt wie eine dünne Schicht über den Muskeln und bestimmt, wie wir uns bewegen, was für eine Körperhaltung wir haben und ist allgemein so viel wichtiger, als es den meisten Menschen bewusst ist. Dass wir jemand anderen beispielsweise allein anhand seines Ganges erkennen können, liegt daran, dasss er ein ganz spezielles, von seinen Faszien vorgegebenes Muster besitzt, das wiederum in unserem Gedächtnis unmittelbar abgespeichert und sofort aufgerufen werden kann – noch bevor wir das Gesicht der Person auch nur erahnen können. Auch, dass wir gewohnte Bewegungen schlecht wieder verlernen, hängt damit zusammen, dass sie in unserem „Fasziengedächtnis“ eingespeichert sind. Und das kann man trainieren. Aus diesem Grund warteten die Griechen nicht einfach darauf, dass neue Helden auftauchen. Sie schufen sie sich selbst. Sie vervolllkommneten eine Heldendiät, die den Hunger zügelt, die Kraft aufbaut und Körperfett in Bewegungsenergie umwandelt. Sie entwickelten Techniken mit denen sich Angst und Adrenalinschübe kontrollieren lassen, und sie lernten, wie sie die bemerkenswerte verborgene Kraft des elastischen Gewebes, das sehr viel kräftiger und effektiver ist als die Muskeln, mobilisieren lässt. Vor mehr als 2000 Jahren beschäftigten sie sich ernsthaft mit der Frage, wie sich der Held, der in uns allen steckt, aktivieren lässt. (23) Dieses Wissen ist über die Jahrtausende zum großen Teil verloren gegangen. Doch auf Kreta hat es überlebt – das wird ersichtlich unter anderem in der hochriskanten und kräftezehrenden Entführungsaktion im Zweiten Weltkrieg, die im Verlauf des Buches in allen Einzelheiten geschildet wird. An dieser Stelle nur so viel: Churchhill hatte einen Masterplan entworfen, der in seiner Riskantheit so genial war, dass er einfach funktionieren musste. Die Botschaft: Zurück zur Natürlichkeit! Jetzt habe ich schon wieder so viel geschrieben und könnte noch einmal die gleiche Länge an Text verfassen, um mich über dieses faszinierende Buch auszulassen. Da ich aber befürchte, dass ich eure Nerven damit allzu sehr strapaziere (Merci, dass ihr bis hierher durchgehalten habt!), fasse ich mich etwas kürzer. Die wichtigste Botschaft, die Christopher McDougall uns mit dem „Handbuch des Helden“ auf den Weg geben möchte, ist: Jeder und jede (!) kann ein Held werden. Nur geht das nicht im Fitnessstudio. Sondern auf natürlichem Weg. Die Trainingsmethode, die auf dieser Grundlage entwickelt wurde und dabei eigentlich nur auf jahrtausendealtes Wissen der Kreter zurückgreift, heißt passenderweise auch „Natürliche Methode“. Hatte ich bisher Parkourläufer*innen eher mit einem Stirnrunzeln und hochgezogener Augenbraue betrachtet, so weiß ich nun, wie dumm das war: Denn diese Sportler*innen absolvieren eigentlich die beste und natürlichste Art des Trainings – indem sie ihre Umgebung zum Spielplatz für Erwachsene erklären und alles, wirklich alles, für ihr Training nutzen. Und mein Fazit? Lest. Dieses. Buch. Wirklich. Ähnlich wie sein Vorgänger eröffnet es uns eine ganze Reihe neuer Perspektiven auf die Menschheit, auf unseren Körper, auf unsere eigenen Fähigkeiten und die brachliegenden Potenziale, die nur darauf warten, in uns entdeckt zu werden. McDougalls Buch ist eine Liebeserklärung an die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Körpers, eine Hommage an jahrtausedealtes Wissen und ein Dokument mutiger historischer Personen, die sich den deutschen Besatzern mit nichts als ihrer Ausdauer und Spannkraft in den Faszien entgegengestellt haben. Das „Handbuch des Helden“ ist keine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum perfekten Heldentum – es ist viel mehr.

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