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Rezensionen zu
Der Untertan

Heinrich Mann

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Schon lange habe ich das vom Verlag freundlicherweise zur Verfügung gestellte Hörbuch und habe einfach nicht geschafft, es bis zu Ende zu hören. Die nuancenreich modulierte Stimme von Hans Korte bietet anfangs reines Zuhörvergnügen. Allerdings geht es in weiterer Folge sehr militärisch-stramm zu und von Hörvergnügen kann man dann eigentlich nicht mehr sprechen. Heinrich Manns „der Untertan“ beschreibt das Leben des Diederich Heßling, eines Menschen, der aus bescheidenen Verhältnissen kommend zu Macht aufsteigt. Zur Zeit Wilhelm I in Deutschland lebend, erfährt er eine Erziehung durch Elternhaus und Gesellschaft , die ihn durch brutale Verformung ebenso skrupellos wie duckmäuserisch macht. Das „weiche Kind „ wie er im ersten Satz des Romans genannt wird, entwickelt sich zu einem wahren Monster, einem Popanz seiner Zeit. Nur ganz zu Beginn des Romans, wenn Kindheit und erste Liebe des Protagonisten geschildert werden, gelingt gelegentlich eine zaghafte Identifizierung mit Diederich Heßling. „Dieses Buch Heinrich Manns (…) ist das Herbarium des deutschen Mannes. Hier ist er ganz: in seiner Sucht zu befehlen und zu gehorchen, in seiner Rohheit und in seiner Religiosität, in seiner Erfolganbeterei und in seiner namenlosen Zivilfeigheit. Leider: Es ist der deutsche Mann schlechthin gewesen; wer anders war, hatte nichts zu sagen, hieß Vaterlandverräter und war kaiserlicherseits angewiesen, den Staub des Landes von den Pantoffeln zu schütteln“ Kurt Tucholsky in Die Weltbühne, 15.Jahrgang Nr.13 (20.3.1919)

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Die Lebensgeschichte des Heuchlers und Opportunisten Diederich Heßling, des deutschesten Deutschen, gehört zu den wohl bekanntesten Exporten der deutschen Literatur. Heinrich Manns Satire auf den wilhelministischen Staat leitet genauestens her, wie aus verkannten Pflichten gegenüber dem Vaterland, einer zu einem Gott erhobenen Staatsgewalt und falschen Tugenden ein System entstehen konnte, das misstrauisch gegen das Liberale in jeglicher Form und selbst für die eigenen Anhänger zu eng ist, um ihnen Freiheit zu gewähren. Diese Gesellschaft stürzte sich nur wenige Monate nach Veröffentlichung des Buchs in trunkener Begeisterung in den Ersten Weltkrieg. Warum, könnte man fragen, gräbt der Hörverlag eine 26 Jahre alte Lesung gerade jetzt wieder für eine Neuveröffentlichung aus? Warum ist die Geschichte des Untertans nach 100 Jahren noch wichtig? Alles Schnee von vorgestern, oder nicht? Der wachsende rechte Flügel in der Politik mit AfD und Konsorten erzählt eine andere Geschichte. Manns Satire führt vor Augen, wie leicht wir in eine feindliche Atmosphäre geraten können, ja, sie selbst erschaffen, ein Frankenstein'sches Monster, das dann außer Kontrolle gerät. Diederich ist schon von Kindesbeinen an feige und obrigkeitshörig, die Schläge seines Vaters lehren ihn das genauso wie das Schulsystem, in dem er Kameraden verpfeift, um dem Direktor seine Ehrerbietung zu bezeugen. Als Erbe einer Papierfabrik hat Diederich gesellschaftliche Chancen; er wird politisch aktiv und sucht eine Frau für die Ehe, viel mehr aber zur Vergrößerung seines Vermögens und Ansehens. Dabei geht er gewissenlos und aalglatt vor, aber jeder ehrlichen, autarken Gefühlsregung unfähig. "Diese Tragik der Großen erschütterte ihn so sehr, dass er stramm stand." Der Untertan war keine Freude für mich. Die Lesung von Hans Korte verleiht dem Klassiker eine allzu realistische Atmosphäre von Steifheit und Militarismus, denn es wird viel gebrüllt und stramm gestanden, man fühlt sich oft auf den Fuß getreten im Kaiserreich, das nächste Duell um die Ehre ist nie fern. Korte macht das natürlich genau richtig, er schnauft und presst die Worte hervor, nur leicht anzuhören ist das eben nicht. Diederich ist eine der widerlichsten Fieslinge der Weltliteratur. Dass Tucholsky den Roman lobend das Herbarium des deutschen Mannes nannte, ist bezeichnend: "Hier ist er ganz: in seiner Sucht, zu befehlen und zu gehorchen, in seiner Roheit und in seiner Religiosität, in seiner Erfolganbeterei und in seiner namenlosen Zivilfeigheit." Dieses Zitat stammt aus dem im Begleitheft des Hörbuchs abgedruckten Rezension von Kurt Tucholsky, die im März 1919 in Die Weltbühne erschien. Es ist tatsächlich die treffende Charakterisierung Diederich Heßlings, doch hoffe ich nicht, dass es eine für den deutschen Mann an sich darstellt (wenn es so etwas wie den prototypischen Deutschen überhaupt gibt oder je gegeben hat). So ist Der Untertan doch vor allem eine Art Zeitzeugnis für den modernen Leser, aber ein mächtiges Mahnmal deutscher Geschichte.

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