Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezensionen zu
Der Untertan

Heinrich Mann

(1)
(1)
(0)
(0)
(0)
€ 38,00 [D]* inkl. MwSt. | € 39,10 [A]* | CHF 49,90* (* empf. VK-Preis)

Die Lebensgeschichte des Heuchlers und Opportunisten Diederich Heßling, des deutschesten Deutschen, gehört zu den wohl bekanntesten Exporten der deutschen Literatur. Heinrich Manns Satire auf den wilhelministischen Staat leitet genauestens her, wie aus verkannten Pflichten gegenüber dem Vaterland, einer zu einem Gott erhobenen Staatsgewalt und falschen Tugenden ein System entstehen konnte, das misstrauisch gegen das Liberale in jeglicher Form und selbst für die eigenen Anhänger zu eng ist, um ihnen Freiheit zu gewähren. Diese Gesellschaft stürzte sich nur wenige Monate nach Veröffentlichung des Buchs in trunkener Begeisterung in den Ersten Weltkrieg. Warum, könnte man fragen, gräbt der Hörverlag eine 26 Jahre alte Lesung gerade jetzt wieder für eine Neuveröffentlichung aus? Warum ist die Geschichte des Untertans nach 100 Jahren noch wichtig? Alles Schnee von vorgestern, oder nicht? Der wachsende rechte Flügel in der Politik mit AfD und Konsorten erzählt eine andere Geschichte. Manns Satire führt vor Augen, wie leicht wir in eine feindliche Atmosphäre geraten können, ja, sie selbst erschaffen, ein Frankenstein'sches Monster, das dann außer Kontrolle gerät. Diederich ist schon von Kindesbeinen an feige und obrigkeitshörig, die Schläge seines Vaters lehren ihn das genauso wie das Schulsystem, in dem er Kameraden verpfeift, um dem Direktor seine Ehrerbietung zu bezeugen. Als Erbe einer Papierfabrik hat Diederich gesellschaftliche Chancen; er wird politisch aktiv und sucht eine Frau für die Ehe, viel mehr aber zur Vergrößerung seines Vermögens und Ansehens. Dabei geht er gewissenlos und aalglatt vor, aber jeder ehrlichen, autarken Gefühlsregung unfähig. "Diese Tragik der Großen erschütterte ihn so sehr, dass er stramm stand." Der Untertan war keine Freude für mich. Die Lesung von Hans Korte verleiht dem Klassiker eine allzu realistische Atmosphäre von Steifheit und Militarismus, denn es wird viel gebrüllt und stramm gestanden, man fühlt sich oft auf den Fuß getreten im Kaiserreich, das nächste Duell um die Ehre ist nie fern. Korte macht das natürlich genau richtig, er schnauft und presst die Worte hervor, nur leicht anzuhören ist das eben nicht. Diederich ist eine der widerlichsten Fieslinge der Weltliteratur. Dass Tucholsky den Roman lobend das Herbarium des deutschen Mannes nannte, ist bezeichnend: "Hier ist er ganz: in seiner Sucht, zu befehlen und zu gehorchen, in seiner Roheit und in seiner Religiosität, in seiner Erfolganbeterei und in seiner namenlosen Zivilfeigheit." Dieses Zitat stammt aus dem im Begleitheft des Hörbuchs abgedruckten Rezension von Kurt Tucholsky, die im März 1919 in Die Weltbühne erschien. Es ist tatsächlich die treffende Charakterisierung Diederich Heßlings, doch hoffe ich nicht, dass es eine für den deutschen Mann an sich darstellt (wenn es so etwas wie den prototypischen Deutschen überhaupt gibt oder je gegeben hat). So ist Der Untertan doch vor allem eine Art Zeitzeugnis für den modernen Leser, aber ein mächtiges Mahnmal deutscher Geschichte.

Lesen Sie weiter

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.