Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezensionen zu
Alte Freunde

John Niven

(2)
(4)
(0)
(1)
(0)
€ 10,99 [D] inkl. MwSt. | € 11,30 [A] | CHF 15,50* (* empf. VK-Preis)

Der renommierte Restaurantkritiker und Buchautor Alan Grainger ist am Nachmittag gerade auf der Suche nach einer ruhigen Ecke im Soho House oder Groucho, wo er die Rezension über den Pop-up-Store, den er gerade besucht hat, zu schreiben plant, als ihm an einer Straßenkreuzung ein Penner mit schottischem Akzent anspricht. Wie sich nach einem kurzen Wortwechsel herausstellt, sitzt da ausgerechnet sein alter Schulfreund Craig Carmichael auf einem Stück Pappkarton. Bei einem Bierchen in einem nicht so noblen Laden tauschen sie Erinnerungen und Lebensgeschichten aus. Zuletzt hatten sich Alan und Craig bei einem Konzert von Craigs Band The Rakes im Jahre 1993 gesehen, nachdem die Band von einer erfolgreichen Tour durch Amerika zurückgekehrt war, und als Headliner im QM in Glasgow den Start ihrer UK-Tour absolvierte. Alan hatte zu Jugendzeiten immer zu dem teuflisch talentierten Gitarristen Craig aufgesehen, durfte in der Anfangszeit der Band auch mal den Bass zupfen, doch als Craig ein echter Star im Rockzirkus wurde, hatte er ihn aus den Augen verloren. In der Zwischenzeit ist Craig allerdings fürchterlich abgestürzt: schon das zweite Album floppte, Craig ging pleite und verfing sich im Drogensumpf und kehrte nach London zurück. Währenddessen lernte Alan die aus wohlhabendem Hause stammende Katie kennen, mit der er zwei Töchter und einen Sohn hat und in einem großen Haus außerhalb Londons lebt. Alan quartiert seinen alten Freund zunächst im Gästezimmer ein, will ihm wieder auf die Beine helfen. Tatsächlich erreicht er, dass Craig noch 32.000 Pfund an Tantiemen ausgezahlt bekommt, sich eine eigene Wohnung und neue Zähne leisten kann, ja sogar seine musikalische Karriere wieder in Schwung bringt. Dagegen häufen sich bei Alan die Unglücksfälle. Zunächst erhält Katie ein Handyvideo, auf dem zu sehen ist, wie Alan von einer Unbekannten im eigenen Haus einen Blowjob genießt, so dass er ausziehen muss, dann sitzt ihm das Finanzamt mit einer Untersuchung im Nacken und sperrt ihm die Konten und Kreditkarten. In wenigen Wochen befindet sich Alan genau dort, wo er Craig vor einigen Monaten gefunden hatte … „Was war passiert? Eben noch hatte er eine wundervolle Frau, eine wundervolle Familie und ein wundervolles Zuhause, und nur eine Minute später war er mittellos und hauste in einem beschissenen Billighotel. Sein Leben war wie eines dieser GIFs auf Hold My Beer. Er war der Typ, der im Lagerhaus einen Gabelstapler wendet. Erst ist alles bestens, aber dann stößt er gegen ein Regal, und zwei Sekunden später sieht es aus, als hätte jemand eine Bombe gezündet. Wie Ground Zero.“ (S. 296) Der schottische Bestsellerautor John Niven („Old School“, „Gott bewahre“) erweist sich auch in seinem neuen Werk als feiner Kenner der Materie, über die er schreibt. Als ehemaliger A&R-Manager bei einer Plattenfirma fällt es ihm nicht schwer, den rasanten Auf- und ebenso schnellen Abstieg von Alans Freund Craig authentisch zu skizzieren. Humorvoll ist aber vor allem Alans Alltag und Lebensumfeld beschrieben. Dabei gelingt es ihm, Alan zwar nicht als Supersympathisant zu zeichnen, aber eben als aufrechten Mann, der seine Berufung in dem Schreiben von Kochbüchern mit ausgefallenen Themen und Restaurantkritiken gefunden hat und durch seine wohlhabende Frau keine finanziellen Sorgen kennt, ohne aber auf dicke Hose zu machen. Niven hat sichtlich Spaß daran, den Hype um neue Restaurants mit überteuerten Gerichten und langen Wartezeiten durch den Kakao zu ziehen, aber auch die Kolumnentätigkeit seiner Frau wird in einer herrlichen Persiflage auf den Wohlfühl- und Gesundheitswahn wunderbar kommentiert. So richtig derben Humor präsentiert Niven seinen Fans in einer seitenlang beschriebenen Episode darüber, wie Alan mit seinem problematischen Stuhlgang der Sanitäranlage in dem uralten Landsitz von Katies Eltern den Rest gibt und damit die feine Gesellschaft im Speisesaal in die Flucht schlägt. Überhaupt zählen die Szenen, in denen die High Society auf das Elend trifft, das zunächst Craig, dann auch Alain verkörpern, zu den gelungensten in „Alte Freunde“, weil Niven auf ebenso humorvolle wie pointiert treffsichere Weise die dem Roman vorangestellten Sprichwort „Keine gute Tat bleibt ungesühnt“ und F. Scott Fitzgeralds Zitat „Nichts ist widerwärtiger als das Glück anderer Leute“ auf literarische Weise zum Leben erweckt. Dabei berührt er auch Fragen nach dem Ursprung und dem Wesen von (Männer-)Freundschaften, nach Glück, Dankbarkeit und Neid sowie der Bedeutung von materiellem Reichtum. Selten wurde eine Achterbahnfahrt durch das Leben so leichtfüßig, gut beobachtet und dabei so unglaublich witzig beschrieben.

Lesen Sie weiter

Alan, Ende vierzig, ist Restaurantkritiker mit eigener wöchentlicher Kolumne und sich gut verkaufenden Kochbüchern. Seinen schottischen Akzent hat er schon vor Jahren geglättet, lebt er doch in der Nähe von London und will auch dort verstanden werden. Mit seiner Frau Katie, selbst Kolumnistin mit hoher Affinität zu den verschiedensten Internet-Kanälen, und ihren drei gemeinsamen Kindern, die ohne große nennenswerte Schwierigkeiten aufwachsen, lebt er außerhalb Londons auf dem Land. Zu Geld kommen mussten sie nicht wirklich, entstammt Katie doch einer reichen und angesehenen englischen Familie, die sogar einen riesigen Landsitz ihr eigen nennen darf. Dass dieser jedoch auch so seine Tücken hat - das Dach leckt, die Sanitärleitungen sind mehr als marode und die Mehrzahl der Zimmer meist nicht bewohnt - tut dem äußeren Schein keinen Abbruch. Um solche Besitztümer zu halten, werden schließlich auch andernorts Besucher eingelassen. Man kann also getrost sagen: Alan lebt ein äußerst privilegiertes Leben. Sympathisch an ihm ist, dass er sich dessen durchaus bewusst ist und sich glücklich schätzt. Ab und an denkt er an seine Jugend in Schottland zurück. Ein wenig wehmütig vielleicht an die kurze Zeit, in der er Mitglied einer Band war. Sein damals bester Kumpel Craig war der Kopf der Band und schaffte es mit ihr und der gemeinsamen Musik sogar bis in die USA, bevor er dann mehr oder wenig sang- und klanglos von der Bildfläche verschwand. [Weiterlesen ...] Doch wie sagt man so schön? Man trifft sich im Leben immer zweimal. Allerdings erkennt Alan Craig nicht auf Anhieb, als ihn dieser mitten in London auf einem Pappkarton sitzend anspricht. Nach der ersten Überraschung lädt Alan Craig natürlich auf ein Bier ein, bei dem es ebenso natürlich nicht bleibt. Nach einem Zug um die durchaus nobleren Häuser bringt Alan es nicht fertig, Craig wieder zu seinem Schlafplatz auf der Straße zurückkehren zu lassen. Denn Craig ist tatsächlich obdachlos. Ein Penner. Nach kurzer Absprache mit Katie nimmt Alan Craig mit nach Hause zu seiner Familie und quartiert ihn, trotz eines gewissen inneren Unwohlseins, im Gästezimmer ein. Nur für ein paar Tage soll es sein, doch wie es so oft ist, kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. In seinem neuesten Buch - im englischen trägt es den Titel No good deeds, der wiederum an das chinesische Sprichwort "No good deed goes unpunished" erinnert, das besagt, dass keine gute Tat unbestraft bleibt - führt John Niven seine Leser*innen wieder einmal gekonnt unspektakulär mit viel Insiderwissen sowohl in das Leben der englischen Upper Class als auch die geschäftlichen Gepflogenheiten der Foodblogger und Restaurantkritiker ein. Staunend liest man von Unsummen, die erwirtschaftet und wieder ausgegeben werden, ebenso unglaublich erscheint der sagenhafte Alkoholkonsum, der gesellschaftlich jedoch komplett anerkannt ist, ganz zu schweigen von anderen Substanzen, die den Weg in den menschlichen Organismus finden. Dabei frühstückt er locker leicht alle, aber auch wirklich alle Bereiche unserer modernen Gesellschaft ab, die uns früher oder später in die Bredouille bringen werden, weil viele Menschen aufgrund ihrer Erziehung so etwas wie Lebenstüchtigkeit nicht mehr kennen werden. Häufiges Kopfnicken meinerseits begleitete also die bissige, aber durchaus amüsante Lektüre. Alan ist mir mitsamt Familie, trotz des finanziellen und damit gesellschaftlichen Unterschieds, nicht unsympathisch, stammt er doch selbst aus Arbeiterverhältnissen und ist nicht wirklich ein Snob. Ein Genießer, ja, Snob jedoch ist er in meinen Augen nicht. Auch einige der Verhaltensweisen heutiger Eltern, die er völlig zu Recht in Frage stellt, beobachte ich tagtäglich mit Staunen. " Sie hatten sich in der langen Autoschlange vor der Schule eingereiht, die sich dort jeden Morgen bildete, um zu verhindern, dass der kostbare Nachwuchs am hellichten Tag in Begleitung Dutzender anderer Kinder und in Sichtweite zahlreicher Passanten und Autofahrer, ein paar hundert Meter zu Fuß zurücklegen musste." Kurz nur mal btw: Die Klassenfahrt meines Sohnes nächstes Jahr steht noch in den Sternen, da die Lehrerinnen auf dem letzten Wandertag entsetzt feststellen mussten, dass viele der Kinder bereits nach einigen hundert Metern ernsthaft darüber klagten, nicht mehr laufen zu können. Mittlerweile sehe ich diese Autoschlangen glücklicherweise nicht mehr vor der Schule, da unser Sohn seinen Schulweg alleine bestreitet und das sehr gerne. Während man als Leser*in also den Alltag der englischen Upper Class verfolgt, der durchaus auch seine situationskomischen Momente bereithält, schleicht sich sehr subtil, aber dennoch deutlich das Gefühl ein, dass hier großes Ungemach lauert. Auch die Richtung, aus der es wohl kommen mag, lässt sich erahnen, wobei Niven uns den Spaß lässt, selbst mitzudenken. Die Route, auf die er uns schickt, ist zwar nicht immer bestens ausgeleuchtet, aber dafür gibt er uns eben die kleine Taschenlampe, sprich kleinste Andeutung, die er Brotkrumen gleich fallen lässt, mit auf die Reise. Das macht richtig Freude. Und so kommt es, wie es kommen muss: Das Bösartige erhält seinen Auftritt, und gäbe es nicht wirklich loyale Freunde, die kühlen Kopf bewahren, gäbe es nicht den Einfluß gewisser Menschen, so wäre am Schluß wohl alles anders. Nivens Ende macht aber auch sehr deutlich, dass nichts im Leben als garantiert oder selbstverständlich gelten sollte. Der Meister der scharfen Beobachtung zerlegt uns, unsere Gewohnheiten und Beziehungen, gesellschaftliche Gepflogenheiten und Missstände präzise und undogmatisch. Und so ganz nebenbei macht er uns klar, dass manche Verhältnisse sich niemals ändern und eine gut gemeinte Tat nicht gut getan sein muss. " Das Kräfteverhältnis zwischen Männern ist schon früh eine ausgemachte Sache. Es spielte keine Rolle, wie viel Geld und wie viel Erfolg Alan hatte. Es war völlig egal, ob er einen Anzug aus reinem Gold trug und Craig nackt in der Gosse lag. Alan würde immer versuchen, Craig zu beeindrucken. Und Craig würde Alan immer dafür verachten."

Lesen Sie weiter

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.