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Rezensionen zu
Das Krokodil

Fjodor M. Dostojewski

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Fjodor Dostojewski ist vor allem für seine fünf großen Romane bekannt, doch neben Der Idiot oder Die Brüder Karamasow hat der Autor auch 14 Erzählungen verfasst, die deutlich weniger beachtet werden. Diese schön gestaltete Sammlung bietet nun die Gelegenheit fünf davon zu entdecken. Das ist teilweise sehr witzig und manchmal auch tragisch-melancholisch. Im Einzelnen: Ein bitterböser Briefwechsel zwischen zwei vermeintlichen Freunden eskaliert immer weiter. Ein Beamter, der von einem Krokodil verschlungen zur Attraktion wird, beginnt aus dem Magen heraus große Reden zu schwingen. Ein General beschließt spontan die Hochzeit eines Untergebenen zu beehren und löst damit eine Kaskade peinlicher Schrecklichkeiten aus. Ein Witwer setzt sich nach dem Suizid seiner Frau mit seiner Ehe auseinander. Ein kleiner Junge erlebt bei einer Landpartie zwischen Schönheiten, Geheimnissen und Feiern seine erste Liebe. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Erzählungen nicht das Niveau von Dostojewskis großes Romanen wie etwa Schuld und Sühne (in der Neuübersetzung Verbrechen und Strafe) erreichen. Großen Spaß haben sie mir aber trotzdem gemacht und begeistert konnten mich gerade auch die humorvollen unter ihnen. Nach vergleichbar grotesken Stories muss man in der Gegenwart schon sehr lange suchen (vielleicht wird man bei T. C. Boyle fündig). Daher kann ich diesen wunderschönen Band in Krokooptik (unecht natürlich) von ganzem Herzen empfehlen, gerade auch für Dostojewski-Neuleser, denen seine Wälzer bisher zu dick waren.

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Die Klassiker haben heutzutage einen schweren Stand. In Zeiten der Neuerscheinungs-Fülle, im Frühjahr und im Herbst ist es immer so weit, müssen sie hervorstechen oder als Schullektüre im Gebrauch sein - sonst gehen sie nicht selten unter in dem Meer neuer, junger Autoren und Autorinnen, die mit ihren Debütromanen die Bestsellerlisten erobern. Ein Verlag, der es schon seit Jahren schafft, die Aufmerksamkeit dennoch auf sein (überragend gut aufgestelltes) Klassikerprogramm zu lenken, ist der Schweizer Verlag Manesse. Die kleinen Bände der Manesse Bibliothek der Weltliteratur dürfen in keinem bibliophilen Haushalt fehlen und jedes Jahr aufs Neue überrascht und überzeugt der Verlag mit seinen neu-aufgelegten Klassikern in der Programmvorschau. Auch dabei: "Das Krokodil" von Fjodor Dostojewski, ein Band mit Erzählungen, der uns den altbekannten Autor auf eine ganz neue Weise zeigt. Der Name "Dostojewski" haucht noch jedem Literaturfreund Ehrfurcht ein. Der große Altmeister, der sich in seinen Büchern vor allem mit den Themen Schuld und Verantwortung auseinandergesetzt und der Literaturszene große Werke wie "Die Brüder Karamasow" und "Schuld und Sühne" geschenkt hat, gilt nicht gerade als leichte Kost - wozu sicherlich auch das Ausmaß seiner Romane einen erheblichen Teil beitragen. Nur vereinzelte Erzählungen des Autors erstrecken sich über weniger als 800 Seiten - Dostojewskis Romane sind Romane, auf die man sich einlassen, für die man Zeit aufwenden muss. Ganz anders ist jedoch der Band "Das Krokodil", der Dostojewski von einer bisher verborgenen Seite zeigt und sich perfekt für all diejenigen eignet, die zum allerersten Mal in die Welt des russischen Autors eintauchen wollen. Auch in diesem, im Vergleich zu seinen anderen Werken, eher schmalen Band, zeigt sich das Können des Schriftstellers, allerdings auf eine zugängliche, ja man kann fast sagen dosierte, Art und Weise. Dostojewski in Maßen - aber dafür nicht weniger spektakulär. Dabei zeichnen sich die Erzählungen hier vor allem durch eines aus: Komik und Satire - und das in fast allen möglichen Formen, auf einzigartigen Schauplätzen und mit schrägen Charakteren. So erzählt der Autor unter anderem von einem Krokodil, das in Moskau ausgestellt wird und sich aus Langweile dazu entscheidet, einen Besucher zu verschlucken - der es sich dann, zu seinem Glück noch lebendig, gemütlich im Inneren des Krokodils einrichtet und keinen Gedanken mehr an seine Rettung verschwendet - viel lieber genießt er seinen Ruf als "Star", den er durch die dramatische "Fressattacke" des Krokodils erhielt. Dostojewski erzählt von Ehefrauen, die bereits tot sind, von Ehemännern, die ihre Frauen in den Selbstmord trieben, von Freundschaften, die sich langsam in Hass verwandeln und von Beamten, die sich vor Scham verbarrikadieren und das Haus nicht mehr verlassen. Dabei sind die Übergänge zwischen den Erzählungen, trotz deren Divergenz, fast fließend, in einer jeder zeichnet sich Dostojewskis leichte, unaufgeregte Prosa ab und verlieht den Geschichten einen ganz eigenen Rhythmus. Dostojewski schreibt voller Witz und schafft es, jede noch so absurde Erzählung auf die Ebene der Möglichkeit zu heben, sie glaubhaft zu gestalten und der Realität zu nähern. Mit "Das Krokodil" schafft es Manesse uns Dostojewski wieder ein Stück näher zu bringen und das auf eine Weise, die gelungener nicht sein könnte - voller Witz, Ironie und Scharfsinn.

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Wenn man über Dostojewskis Werke spricht, geht es kaum mehr um die Frage ob sie gelungen sind oder nicht. Fjodor Michailowitsch Dostojewski ist einer der bekanntesten Autoren Russlands. Werke wie Schuld und Sühne oder Die Dämonen sorgten dafür, dass seine Werke zu Klassikern wurden. Mit klaren Worten beschreibt er seine Welt, versucht sich an verschiedenen Erzählformen und behält dabei immer einen nachdenklichen, beinah schon melancholischen Ton bei. An manchen Stellen blitzt ein Lächeln zwischen den Sätzen durch und zieht den Leser in seinen Bann. Wer einen guten Überblick über sein Handeln bekommen möchte, der ist mit Das Krokodil mehr als nur gut bedient. Das Buch – im Manesse-Verlag erschienen – enthält fünf Erzählungen Dostojewskis aus seinen verschiedenen Lebensphasen. Die Sammlung beginnt mit dem Roman in neuen Briefen von 1845. Die Anspielung an A.A. Bestuschews Roman in sieben Briefen ist ein klassischer Briefroman, der jedoch erst nach Arme Leute veröffentlicht wurde und daher von den Kritikern sehr schlecht aufgenommen wurde. Dies mag vor allem daran liegen, dass der Roman in neun Briefen eben nicht im Laufe eines Jahres, sondern mehr oder weniger in einer Nacht geschrieben wurde. Auch der satirische Unterton und die Anspielungen sorgten bei Kritikern eher für Verunsicherung. Das Krokodil von 1865 ist zwar nur das Fragment einer Erzählung, gilt heute jedoch als eine der bekanntesten Geschichten Dostojewskis. Die Erzählung nimmt – wie so oft in den Handlungen des Autoren – eine etwas absurde Wendung, die aktuelle Strömungen der Philosophie kritisiert und parodiert. Eine Ehepaar geht mit einem Freund aus um ein Krokodil zu betrachten. Als die Ehefrau das Tier als hässlich und enttäuschend degradiert, möchte der Familienfreund Iwan beweisen, dass das Tier sehr viel interessanter ist und reizt es solange, bis das Krokodil ihn verschluckt. Das Ehepaar fordert sofort die Ermordung des Tieres, doch Iwan plädiert, aus dem Bauch des Krokodils heraus, dafür das Tier am Leben zu lassen. Schließlich könne er seine Tätigkeit als Beamter auch von dort ausüben und er möchte keinen wirtschaftlichen Schaden entstehen lassen. Die kafkaeske Wende – obwohl man sich anhand der Lebensdaten immer wieder Fragen muss ob Kafka nicht eher von Dostojewski beeinflusst wurde – ist ein Kunstgriff, den der Autor viele Male benutzt. Geschichten aus der Verbannung und emotionaler Höhepunkt Vor allem anderen war Dostojewskis Leben davon geprägt, dass er die Vorgehen der Regierung immer wieder kritisierte. Sowohl in seinen journalistischen, als auch literarischen Texte hinterfragt er Gesetzte, Bestimmungen und Einschränkungen. So auch in seiner Erzählung Eine peinliche Geschichte von 1862, in der er über die Auflösung der Leibeigenschaft spricht. Werke wie dieses und seine durchweg kritische Haltung sorgten dafür, dass er inhaftiert und zum Tode verurteilt wurde. Während der Gefangenschaft entstand unter anderem die Erzählung Ein kleiner Held. Erst viel später – nachdem sein Urteil in Verbannung umgewandelt wurde und er nach seiner Zeit in Sibirien wieder nach Russland zurückkehren durfte – wurde er auch im eigenen Land als wichtiger Autor wahrgenommen. Unter anderem geschah dies durch seine Berichte und Erzählungen in Literaturzeitschriften. Dazu gehört auch Die Sanftmütige von 1876. Es ist eines seiner letzten Werke, welches klar im Hintergrund immer noch unter dem Zeichen des ‚Hinterfragens‘ geschrieben wurde. Auch wenn es hier sein Protagonist ist, der die Fragen stellt. Die fiktive Schilderung beschreibt wie der Protagonist seine Frau kennenlernte und mir ihr zusammenlebte. Am Anfang, wie am Ende steht dabei ihr Selbstmord und die offene Frage: „Wieso hat sie sich in den Tod gestürzt?“ Innerhalb der Sammlung ist dies durchweg die emotionalste. Sie versucht mit dem Mittel der Rationalität Emotionen zu ergründen, zu bündeln und zu erklären. Schmuckeinband fühlt sich ‚unschmuck‘ in der Hand an Wie bereits zu Beginn gesagt, geht es bei den Werken von Dostojewski schon lägst nicht mehr darum sie in gut oder schlecht einzuteilen und sie mit Sternchen von eins bis fünf zu bewerten. Die einzelnen Erzählungen zeigen alle auf ihre Weise einen Ausschnitt aus dem Können und Leben Dostojewskis. Somit hat der Herausgeber der Sammlung einen guten Blick für das Gesamtwerk bewiesen. Auch die Erläuterungen zu den einzelnen Texten sind überaus hilfreich und auf einem für diese Art von Texten angemessenem Niveau. Was ich leider nicht nachvollziehen kann, ist die Wahl des Einbandes. Wer beschließt einen Roman in Kunstleder zu binden? Selten habe ich ein Buch gelesen, welches sich so unangenehm in der Hand angefühlt hat. Obwohl ich das kleine Format des gebundenen Buches – es ist ungefähr handgroß – durchaus schätze, hätte mich der Einband in seinem kalten, glatten, fast schon klebrigen Einband definitiv davon abgehalten diese Ausgabe in einem Geschäft zu kaufen. Auch finde ich – ich weiß, man sollte ein Buch nicht nach seinem Cover bewerten –, dass das Cover nicht so wirklich zu einer Klassikersammlung wie dieser passt. Schwarzes Kunstleder mit neongrünem Aufdruck sagt leider nicht gerade: Ich bin ein wichtiger Teil der russischen Literaturgeschichte, sondern versucht auf absurde Art und Weise jung und frech zu wirken. Vermutlich ist dies das erste Buch, bei dem ich lieber die E-Book-Ausgabe gelesen hätte. Sowohl die Auswahl als auch die Stimme der Übersetzerin gefallen mir sehr. Die Geschichten sind ein toller Einstieg in Dostojewskis Werk und genau deshalb werde ich es auch immer wieder gerne weiterempfehlen. Dennoch hat der Verlag mit dem Einband und der Gestaltung des Buches durchaus eine sehr ungünstige Wahl getroffen, die mich dazu verleiten würde dieses Buch mit zwei Sternen zu versehen, wenn ich der Gestaltung ebenso große Bedeutung beimessen würde, wie dem Inhalt.

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Die neue Manesse-Ausgabe mit Erzählungen von Fjodor Michailowitsch Dostojewski verspricht auf dem Klappentext: "Fünf Erzählungen in neuer Übersetzung zeigen den russischen Großmeister ausschweifender Schicksals- und Gedankenschwere von einer verblüffend unernsten Seite: als hinreißenden Satiriker und „maßlosen Chaoskomiker“, so Eckhard Henscheid in seinem Nachwort." Doch hat der Manesse-Verlag wirklich neuartige Perlen des russischen Literaturgroßmeisters ausgegraben oder handelt es sich um Dostojewski wie eh und je? Dostojewski ist bekannt für seine Ausforschungen der menschlichen Abgründe. Es scheint, die Umstände machen den Menschen. Nicht umsonst wird dem Literaten zuweilen Fatalismus oder zumindest eine anhaltende Düsterheit vorgeworfen, die sich durch sein Werk zu ziehen scheint. Als Satiriker, als Schreiber mit Humor und Witz wird er jedenfalls selten vorgestellt. Doch liegt genau dort der Reiz Dostojewskis. Er vermag es auf leichte Weise, von der Schwere der Menschen zu erzählen. Mit scharfer Beobachtungsgabe und kunstvoll angelegter Situationskomik entlarvt er Heuchler und Lügner. Dabei verliert er jedoch nie seine Menschlichkeit, verfällt nicht etwa in Arroganz. Stattdessen macht er uns klar, dass das Potential zum Bösen in jedem von uns steckt. Und ist es nicht diese Erkenntnis, vor der wir uns am liebsten verschließen möchten? – die Erkenntnis, dass der von seinem Wahn und seiner Schuld verfolgte Raskalnikow in „Schuld und Sühne“ zwar Mörder, aber sicher nicht der schlechteste Charakter im Buch ist. Denn er ist doch der Einzige, der seine Tat bereut, der eine moralische Erneuerung durch Läuterung erfährt. Daher darf auf keinen Fall der Epilog des Romans übersprungen werden. Doch wie unfassbar ist überhaupt das Motiv dieses Buchs: Gibt es den gerechtfertigten Mord? Und sind die Erzählungen im neu erschienenen Band „Das Krokodil“ so unterschiedlich vom restlichen Werk Dostojewskis, das wir kennen? Nein, eigentlich nicht. Hierzulande lesen die meisten Dostojewski in deutscher Übersetzung und wie mannigfaltig diese gestaltet sein können, zeigt dieses Beispiel. Im Folgenden handelt es sich jeweils um den Anfang von Dostojewskis „Idiot“, der unterschiedlicher kaum ausfallen könnte. - Der Novembermorgen, an dem der Eilzug gegen neun Uhr von Warschau nach Petersburg fuhr, war trüb und feucht. - Ende November, bei spätherbstlichem Schneematschwetter, näherte sich gegen neun Uhr früh der Zug der Petersburg-Warschauer Eisenbahnlinie unter vollem Dampf seinem Zielbahnhof Petersburg. - Es war gegen Ende des November, bei Tauwetter, als sich um neun Uhr morgens ein Zug der Petersburg-Warschauer Bahn mit vollem Dampf Petersburg näherte. - Der Novembermorgen, an dem der Eilzug gegen neun Uhr von Warschau nach Petersburg fuhr, war trüb und feucht. Und hier liegt auch das Problem mit dem ach! so düsteren Dostojewski. Seine Situationskomik, sein Witz wird meist einfach nicht mitübersetzt – so zumindest in vielen deutschen Übersetzungen. Anders sieht dies bei den englischen Versionen von Everyman’s Library aus. Dass Übersetzungen ins Deutsche so ihre Tücken haben, sieht man bereits beim Titel „Преступление и наказание“, der lange Zeit mit „Schuld und Sühne“ übersetzt wurde und sehr moralisch angehaucht wirkt. Im russischen Original handelt es sich jedoch um juristische Fachterme. „Verbrechen und Strafe“, wie der Roman in neueren Übersetzungen heißt, scheinen treffender. Jedoch fehlt dem deutschen Wort „Verbrechen“ eine gewisse moralische Qualität, die dem russischen Begriff innewohnt. Bedeutet doch „Преступление“ wörtlich „etwas übertreten“. Schon scheint die anfängliche Übersetzung mit „Schuld und Sühne“ wieder mehr Sinn zu machen. Mit solchen und ähnlichen Problemen sah sich auch Christiane Pöhlmann bei der Übersetzung der fünf Erzählungen im Band „Das Krokodil“ konfrontiert. In der editorischen Notiz wird dies auch deutlich. Doch noch ein Weiteres wird ersichtlich. Frau Pöhlmann entspricht offenbar dem typischen Klischee des Übersetzers, bei dem es nicht zum Autoren gereicht hat. Zu sehr legt sie ihre Lesart – und schlimmer noch ihre Schreibart – auf das russische Original. Dabei besteht doch ihr Job in der Wiedergabe. Anmerkungen wie diese deuten es an: "Dem Autor Fjodor Dostojewski wurde häufig schlechter Stil vorgeworfen. Möglicherweise zum einen, weil er keine Scheu vor Wiederholungen hatte, möglicherweise zum anderen, weil er die Zeiten – insbesondere Erzählzeit und erzählte Zeit – im Sinne einer direkten, unmittelbaren Darstellung munter miteinander vermischte. Beides wurde in dieser Übersetzung nachgeahmt." Nachgeahmt? Sie schreibt nicht etwa nachempfunden. Es scheint nämlich ihr Werk zu werden, nicht das Dostojewskis. Deutlicher wird das jedoch im Folgenden: "Die ausgewählten Erzählungen vereinen Situationskomik mit Sprachwitz [wie alle Geschichten Dostojewskis, Anm.]. Dieser Witz muss natürlich auch im Deutschen beim ersten Lesen „zünden“ und sollte nicht durch Anmerkungen erst umständlich erklärt werden müssen. Es war daher im einen oder anderen Fall nötig , philologische Genauigkeit hintanzustellen und sich weiter als üblich vom Original zu entfernen. […]" So begründet die Übersetzerin, dass sie aus „кабинетные иде́и“ „Kopfgeburten“ macht, wodurch ein weiterer Satz mit „Kopf“ notwendig wurde. Bei dem russischen Begriff, den die Übersetzerin mit „Ideen, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben“, beschreibt, wäre aber eine Fußnote sinnvoller gewesen, die auch darauf hätte hinweisen können, dass кабинетный eine adjektivierte Form vom russischen Wort für „Arbeitszimmer“ ist. „Arbeitszimmer-Ideen“ lehnen sich daher eher noch an Ideen aus dem Elfenbeinturm an. Jedenfalls wird die Pöhlmann-Übersetzung so dem russischen Original nicht gerecht. Sie sagt es ja selbst, dass sie sich bewusst vom Original entfernt. Wozu? Um ihren Vorstellungen von Wortwitz zu frönen statt den von Dostojewski wiederzugeben. Hätte sie nur eine blasse Ahnung von Dostojewski, wüsste sie außerdem um seinen inhärenten Wortwitz und um die auch in anderen Werken vorkommende Situationskomik, die durchaus nicht nur die „ausgewählten Erzählungen“ charakterisiert. Aber was behauptet man nicht alles, um Neuübersetzungen zu vermarkten? Schade. Allzu gestelzte Übersetzungsmanöver vergiften einem daher das Lesevergnügen. Ja, ich hätte tatsächlich Fußnoten bevorzugt! Die Erzählungen lassen die russische Vorlage nur noch erahnen, machen mit etwas Fantasie jedoch dennoch Freude. „Das Krokodil“, nachdem auch der Band benannt wurde, erzählt die Geschichte von einem Beamten, der von einem Krokodil verschluckt wird und fortan in dem „Untier“ wohnt. Dem Tier wird nicht der Bauch aufgeschnitten, da sich die beteiligten Herrschaften uneins sind, was das „ökonomische Prinzip“ anbelangt. Der deutsche Besitzer verlangt schließlich Schadensersatz von keiner geringen Summe! Was allerdings vielleicht verblüfft: Der Gefressene verspricht sich ebenfalls eine große Karriere und ein langes Leben vom Aufenthalt im hohlen Tier. Am Ende steht fest, egal, wie es kommt, ob der Mensch das Krokodil isst oder umgekehrt, es geht stets nur ums Geld – zumindest dem Menschen. Warum sonst setzt Dostojewski zwei diametral unterschiedliche Zeitungsartikel, die vom kuriosen Vorfall berichten, an den Schluss? In der einen Version geht es um das delikate Krokodilfleisch, mit dem sich in Russland viel Geld verdienen ließe und im anderen um das exotische Tier, das zur Schau gestellt wird und so jede Menge Geld einbringen kann. Ums Krokodil selbst geht’s jedenfalls niemandem, nur um dessen finanzielles Potential – und um die Missinformation durch Medien. „Eine peinliche Geschichte“ handelt vom sogenannten Klassenkampf und das obwohl Dostojewski sicher kein Marxist war. Ein selbsterklärter Humanist kommt in die seltene Situation, der Hochzeit eines ihm Untergebenen beizuwohnen – durch Zufall natürlich. Er setzt sich in den Kopf, durch seinen Besuch seine „Humanität“ unter Beweis zu stellen. "Er hätte ihnen gern alles offen berichtet […] vor allem, wie progressiv er war, wollte er sich doch in seiner Humanität zu allen herablassen, selbst zu den allerniedrigsten, und schließlich, zum guten Ende, da wollte er all seine Beweggründe schildern, die ihn veranlasst hatten, uneingeladen bei Pseldonimow zu erscheinen, bei ihm zwei Flaschen Sekt zu trinken und ihn mit seiner Anwesenheit zu beglücken." Doch der ungeladene Gast verbreitet nur Stunk, besäuft sich bis zur Bewusstlosigkeit und bereitet den frisch Vermählten nur Mühe. Am Ende sieht sich natürlich dennoch der Störenfried, der Vorgesetzte, im Recht und lediglich scheint sich einzustehen „Ich habe [mit meiner Humanität, Anm.] nicht durchgehalten“. Dabei hat er sich nicht eine Sekunde human verhalten. Ihm ging es stets nur um seine eigene Person, darum wie er wohl wirken würde, usw. Nicht umsonst sieht er seinen Besuch als „sich herablassen“ an, mit dem er das niedere Volk zu „beglücken“ vermag, von dem jedoch keiner ihn auf dem Fest haben wollte. Herzerweichend gekümmert hat man sich dennoch um ihn. Die letzten beiden Geschichten im Buch werfen die Frage auf, inwiefern sie in diese scheinbar satirisch angehauchte Zusammenstellung passen. In „Die Sanftmütige“ wird ohne Komik und Witz, sondern ziemlich ergreifend und bierernst der Selbstmord einer Sechszehnjährigen beschrieben. Der hinterbliebene Gatte erzählt die Geschichte, die nur so strotzt vor Gedankensprüngen und Widersprüchen, wie es für die Situation durchaus angemessen ist. Statt der eigentümlichen Situationskomik steht der Bewusstseinsstrom im Vordergrund – eine Erzähltechnik, die Dostojewski wie kaum ein anderer gemeistert hat. Am Ende bleibt die Dostojewski-Erkenntnis: Viel Unglück kam über die Welt durch Verwirrung und unausgesprochene Dinge – so auch hier. „Ein kleiner Held“ lebt von Andeutungen und genau dem Ungesagten, das so viel Schmerz bereiten kann. Bemerkenswert ist die Erzählperspektive eines sich Erinnernden. Die Geschichte handelt von einem Elfjährigen, der mit seiner aufkochenden Gefühlswelt und dem Übertritt in die Erwachsenenwelt mit all ihren Geheimnissen, Intrigen und Herausforderungen naturgemäß nur schwer zurechtkommt. Wie in der ersten Erzählung „Roman in neun Briefen“ ist Dreh- und Angelpunkt ein ebensolches Schriftstück, das beinahe seinen Empfänger nicht erreicht, am Ende jedoch für Erleichterung sorgt, ohne dass der Leser je den Inhalt des Briefs erfährt. Das Nachwort wiederum könnte überflüssiger kaum sein. Ein sogenannter Experte exerziert auf elfenbeinernem Turm-Niveau sein persönliches Dostojewski-“Wissen“ und verliert sich dabei allzu sehr in der Bewertung/Abwertung des Autors und zahlreichen Mutmaßungen, warum Dostojewski dieses oder jenes so oder so geschrieben hat und wie es vielleicht besser hätte machen können. Zusammenfassung - „Das Krokodil“ – fünf Erzählungen von Fjodor Michailowitsch Dostojewski: „Roman in neun Briefen“, „Das Krokodil“, „Eine peinliche Geschichte“, „Die Sanftmütige“ & „Ein kleiner Held“ - empf. VK-Preis: € 24,95 [D], € 25,70 [A] | 32,50 [CH] - gebundene Ausgabe, erschienen am 02.03.2015 - ISBN: 978-3-7175-2362-8

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Die Seele eines Russen ist düster und schwermütig, so lautet ein unausrottbares (Vor)Urteil. Und wenn es gilt den wahren Russen in der russischen Literatur zu benennen, wird ohne zu zögern meist der Name Fjodor Michailowitsch Dostojewski in den Raum geworfen. Allein die Titel seiner großen Romane lassen dies zwingend annehmen: Der Idiot, Verbrechen ud Strafe, Der Spieler, Die Dämonen. Dostojewski, das ist der ewige Gottsucher der verzweifelte Mystiker, der Schwer- und Schwarzdenker. Das berühmte Porträt von Wassili Perow unterstreicht dies Dostojewski-Bild nachhaltig. In der breiten Masse und auch bei mir, ich gebe es unumwunden zu, verhallen erfolglos vergangene und gegenwärtige Mahnungen, dieses festhaftende Etikett ein für alle mal abzukratzen und die heitere Seite Dostojewskis wahrzunehmen. Und noch ein Bekenntnis: viel gelesen habe ich von Dostojewski noch nicht. Hat mich die vermeintliche Düsternis abgeschreckt? Ich kann es nicht sagen. Dabei hat vor mehr als siebzig Jahren schon Thomas Mann vom Humoristen Dostojewski gesprochen, dessen Romane »eigentlich evident und unmissverständlich Leitparadigmata humoristisch-realistischer Epik vorstellen, breitflächige Muster von Humor kraft ihrer Phantastik, ihres Mutwillens, ihrer Lustigkeit des Geistes«. Aber auch Thomas Mann hat den dunklen Dostojewski nur mäßig aufhellen können. Das schöpfe ich übrigens nicht aus tiefster Kenntnis des Mannschen Werkes, sondern lasse es mir von Eckhard Henscheid in seinem kleinen Nachwort eröffnen; ein Mann übrigens, der Humor in allen Schattierungen beherrscht, von krachledern bis feinst-subtil. WO DIE KOMIK LAUERT Das vorliegende Bändchen ist gewissermaßen ein erneuter Anlauf, den »lustigen« Dostojewski vorzustellen, den Dostojewski, der ausgehend vom unverkennbar humoristischen Vorbild und Lehrer Gogol seine ganz eigene Form der literarischen Auseinandersetzung mit dem komplexen und komplizierten »System Leben« entwickelt hat. Und zur Lebensbewältigung gehört ja zwingend auch Humor. In Das Krokodil sind sechs Erzählungen versammelt, kleinere Stücke also, denen von je her entschiedener zugetraut wird, leichter und beschwingter, ergo humoristischer, sein zu dürfen. Sie können und sollen folgerichtig als eine Art Betriebsanleitung verstanden werden, den heiteren Dostojewski auch in seinen dickleibigen Großromanen zu suchen. Gleich die Auftaktgeschichte zeigt, mit welchen Techniken Dostojewski Humor erzeugt. Im Roman in Neun Briefen versuchen sich zwei gewiefte Halunken gegenseitig übers Messer zu balbieren. Dass es eigentlich nur um Geld geht, ist nicht sofort zu durchschauen, denn ihre wahren Absichten verstecken die beiden Briefeschreiber hinter komplizierten Floskeln. Die Form des Briefromans, in der ja dem Leser notgedrungen Informationen vorenthalten und Leerstellen auch nicht durch die ordnende Hand eines Erzählers ausgefüllt werden, tut ihr übriges. Das Krokodil zieht seine Kraft aus der absurden Ausgangssituation eines Mannes, der von einem Reptil verschluckt wird und es sich im Bauch des Ungetüms wohlig einrichtet. Am Ende entpuppt sich die Geschichte auch als Satire auf den Wahnsinn ausufernder Bürokratie, die einer komplexer werdenden Welt nicht mehr gewachsen ist. Der kleine Held wiederum kontrastiert die Erinnerungen eines pubertierenden Knabens mit den reiferen(?) Einsichten eben dieses Knabens als erwachsenem Mann. Hier erwächst das Humoristische aus den unterschiedlichen Perspektiven und ihrer Reflexion. Eine Ehegeschichte wird in Die Sanftmütige erzählt., in der die titelgebende Dame sich ins genaue Gegenteil verkehrt hat. Kalamitäten aller Art und natürlich Streit um Geld, Geld, Geld wirbeln hier fröhlich umeinander her. Ganz ähnlich gelagert ist die Hinwendung zum Humor bis hin zur Groteske auch in den anderen Geschichten. EINE NEUE DEUTSCHE STIMME FÜR DOSTOJEWSKI Etwa 30 Erzählungen, Kurzromane, Geschichten dieser Art hat Dostojewski hinterlassen. Sechs, also gut ein Fünftel, sind hier erneut zu besichtigen. Die kleinere Form, das wird schnell offensichtlich, diente dem Schriftsteller in erster Linie als Experimentierfeld und als Labor für ungewöhnliche Erzählsituationen und -techniken. Nicht alles ist ausgereift, manches erzähltechnisch nicht konsequent durchdacht und schlüssig konstruiert. Die Anmutung der Skizze dominiert, und wenn einige der Erzählungen als Anlauf für größer Projekte dienen sollten, so hat sie Dostojewski später verworfen. Die angeeigneten humoristischen Techniken aber hat er verfeinert und auch in seine Riesenromane hinübergerettet. Ich galube, man findet sie dort auch, wenn man genau hinschaut. Einen Versuch wäre es wert, oder?! Christiane Pöhlmann hat die sechs Erzählungen in Das Krokodil alle neu übersetzt, getreu der Maxime der Manesse Bibliothek der Weltlitertaur, große Texte in bestmöglicher und zeitgemäßer Übertragung vorzulegen. Die Qualität der Arbeit von Christiane Pöhlmann kann ich mangels Russichkentnisse nur indirekt beurteilen. Mir fällt auf, dass die Texte frisch und temporeich daherkommen, dass aber auch Brüche, Verkürzungen, Wiederholungen und Ungenauigkeiten stehen geblieben sind. Pöhlmann hat sie nach eigenem Bekunden bewußt aus dem Original herübergerettet, darauf verzichtet, zu glätten zugunsten eines »gehobenen Stils«, der dem Russen nicht gerecht würde. Genauer nachzulesen ist das in einem längeren Text, in dem Christiane Pöhlmann den Ansatz ihrer Übersetzung erläutert: Düsternis und Schwermut? Über die komischen Seiten von Fjodor Dostojewski. (http://www.randomhouse.de/SPECIAL_zu_Fjodor_Dostojewski_Das_Krokodil/aid59053.rhd?aid=59053) AUS DER REIHE GETANZT Seit über 70 Jahren setzt die Reihe Manesse Bibliothek der Weltliteratur erfolgreich Maßstäbe. Neue, moderne Übersetzungen bilden die eine Säule, die das Unternehmen erfolgreich trägt und stützt, die andere ist die gediegene und hochwertige Ausstattung der Bände und der hohe Wiedererkennungswert durch eine einheitliche durchgehende Optik. Aus dieser Reihe tanzt Das Krokodil heraus. Augenzwinkernd wurde der Wiederentdeckung des lustigen Dostojewski Rechnung getragen und der Band in dunkles Krokolederimitat gebunden (aus Plastik: No Animal was harmed) und mit giftgrün-aggressivem Schriftzug versehen. Puristen und verschworene Anhänger der Manesse Bibliothek mögen das als Frevel geißeln, mir hat es gefallen. Denn schließlich war es nicht zuletzt diese frech-frische Anmutung die mich zum Lesen verführt und mir so einen humoristischen, bissigen und alle Vorurteile widerlegenden Dostojewski nahegebracht hat. Ich kann nur raten: vergesst den düsteren Fjodor Michailowitsch und gebt dem heiteren Fido eine Chance!

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Für mich als Klassikerliebhaber war eine Neuauflage von Erzählungen Dostojewskis natürlich ein kleines Highlight dieses Jahr. Dieser Band wurde insofern angekündigt, als dass er die „komischen“ Seiten Dostojewskis aufzeigen sollte. Der Erzählband besteht aus fünf Erzählungen, die aus verschiedenen Wirkungsjahren des Autors stammen. Den Beginn macht der „Roman in 9 Briefen“ auf kaum 28 Seiten, in dem sich zwei Männer via Briefkorrespondenz und voller Missverständlichkeiten bis zum Bruch ihrer Freundschaft verunglimpfen. Die zweite Erzählung ist gleichsam die titelgebende: „Das Krokodil“. Ich kannte Dostojewski bisher nur von seiner schwermütigen, wenn auch oft sarkastisch-ironischen Seite, doch spätestens wenn man diese Erzählung liest, wird man einer gänzlich neuen Facette dieses Großmeisters der russischen Literatur gewahr. Er weiß es, lustig, absurd und paradox und dennoch intelligent komisch zu sein. Ich habe bei dieser äußerst gelungenen Erzählung Tränen gelacht. Darauf folgt die 3. Erzählung „Eine peinliche Geschichte“. Unsere Hauptfigur verlässt bereits reichlich betrunken das Haus seines Freundes und sieht auf den Straßen seiner Stadt eine Hochzeitsfeier. Dort heiratet einer seiner Untergebenen, was ihn dazu veranlasst, diesen moralisch zu erbauen, tatsächlich crasht er diese Feier aber komplett. Die Gedanken des Betrunkenen und die Reaktionen der Hochzeitsgäste entlocken einem doch das ein oder andere Lachen. Ich war sehr begeistert davon! Bei den letzten beiden Erzählungen weiß ich nicht, wie sie in diesen Sammelband gelangen konnten, da sie nur wenig humoristische Elemente aufzeigen. „Die Sanftmütige“ ist ein innerer Monolog eines Mannes, dessen Frau sich vor Kurzem das Leben nahm und in „Ein kleiner Held“ lernt ein 11-jähriger die Freuden und Leiden des ersten Verliebtseins kennen. Letztere Erzählung erinnerte mich stark an Turgenjews „Erste Liebe“ und trug zudem große Anspielungen auf Shakespeare sowie grandiose Naturbeschreibungen mit sich. Wenn man Dostojewskis städtische Schilderungen gewohnt ist, trifft einen diese zarte Natur ganz besonders ins Herz. Ich empfand all diese Erzählungen als wichtig, erbauend und facettenreich. So recht passten aber nur zwei davon in ein Konzept eines Erzählbandes, der die „lustigen“ Seiten Dostojewskis aufzeigen sollte. Nichtsdestotrotz bekommt dieser kleine Schatz der Weltliteratur 4,5 Sterne von mir. Eine ganz klare Empfehlung also an euch, besonders wenn ihr gerade mit russischer Literatur einsteigen wollt. Ein umfangreicher Anhang-Teil erläutert ungewohnte Begrifflichkeiten und fasst in Kürze Entstehungsgeschichte und andere Zusammenhänge zusammen.

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