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Rezensionen zu
Der begrabene Riese

Kazuo Ishiguro

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€ 22,99 [D] inkl. MwSt. | € 23,70 [A] | CHF 31,50* (* empf. VK-Preis)

Der französische Schriftsteller Raymond Queneau hat einmal gesagt, dass jedes Buch letztendlich die Geschichte eines Konflikts oder die einer Reise sei. Normalerweise würde ich diese Aussage jetzt nicht haltlos unterschreiben, aber bei der Lektüre von „Der begrabene Riese“ musste ich immer wieder an diesen Ausspruch denken. Kazuo Ishiguro hat hier ein Buch im Sinne einer Odyssee geschrieben. Nicht nur, weil eine lange und ereignisreiche Reise im Zentrum der Geschichte steht, sondern auch weil dahinter der Schatten einer Ilias, also eines Konflikts, lauert. Ein Konflikt, dessen Auflösung erst in dieser Reise erzählt wird … „Der begrabene Riese“ spielt im dunklen Zeitalter der Britischen Insel. Eine Zeit in der die Volksstämme nach dem Abzug der Römer um die Vorherrschaft und die Siedlungsräume kämpften. Bevor die Angeln und Sachsen schließlich den größten Teil des heutigen Englands eroberten, leisteten die ansässigen Britannier ernsthaften Widerstand. In diesen Auseinandersetzungen liegt auch die Wurzel des Sagen umwobenen König Artus, der den Angelsachsen die Stirn bot. Wir begleiten das Ehepaar Axl und Beatrice, die aus ihrem Heimatdorf aufbrechen, um ihren vor langer Zeit verlorenen Sohn zu besuchen. Oder zu finden? Haben die beiden Britannier überhaupt einen Sohn? Und warum fällt es ihnen so schwer sich an die einfachsten Dinge zu erinnern? Da es nur wenige gesicherte Fakten zu dieser Zeit gibt, die den Völkerkonflikten eine klarere Dimension verleihen würden, erzählt Kazuo Ishigruo hier eine Geschichte voller Fantasie, historischen Hintergründen und Mythen. Dennoch ist „der begrabene Riese“ eine berührende und bedrückende Geschichte mit starkem Realitätsbezug. Der Autor erschafft eine märchenhafte Welt, die mich sofort in ihren Bann ziehen konnte und in der ich mich unheimlich wohl gefühlt habe. Auch wenn sich die Geschichte sehr leicht lesen lässt, ist die Erzählstimme doch anspruchsvoll und verlangt die volle Aufmerksamkeit seines Lesers. Man lässt sich schnell in die Sehnsucht des liebevollen Ehepaars hineinziehen, versteht auch sofort ihre Denkweisen und gerade deshalb möchte man schnellstmöglich alles wissen und selbst den hinterhältigen Nebel besiegen. Ich fand es beeindruckend, wie gut es dem Autor gelang die innere Welt der Charaktere, ihre Denkmuster, Realitätswahrnehmung, Moralvorstellungen und deren Wirklichkeitssinn darzustellen. Dennoch lässt die Geschichte nur wenig Raum für offensichtliche Handlungen, wichtige Aussagen oder Ansichten der Handelnden. Der alternde Ritter Gawain, der seine Lebensaufgabe zu erfüllen hat, war für mich von allen Personen wohl am beeindruckendsten. Er hat die Aufgabe, die Drachin „Querig“, die den Nebel des Vergessens verursacht, zu beschützen. Und natürlich ist auch sie nicht das, was sie vorzugeben scheint. Bei ihr hat der Zauberer Merlin die Finger mit im Spiel. Ob dies aber ein böser oder ein guter Zauber war, muss jeder für sich selbst entscheiden … Auch wenn der Roman mit Dämonen, Drachen und der Artus-Saga aufwartet, darf das Buch auf jeden Fall als Historischer Roman gewertet werden. Für mich funktioniert die Geschichte gerade deshalb so gut, weil Feen, Hexen und Menschenfresser in der damaligen Zeit ebenso real waren, wie heutzutage die Gesetze des Marktes oder die Ereignisse in den sozialen Medien. Großartige, feinmaschige Literatur!

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Nach erbitterten Kämpfen zwischen Briten und Sachsen ist Britannien im 5. Jahrhundert verwüstet. Dem älteren Paar Axl und Beatrice wird deutlich zu verstehen gegeben, dass sie in ihrem Dorf nicht mehr willkommen sind, da sie eine Bürde für die Gemeinschaft sind. In der Hoffnung, ihren Sohn zu finden, verlassen die beiden ihre Heimat. Die Reise der beiden ist voller überraschender Begegnungen und Gefahren. Schon bald ahnen sie, dass ihrem Land Veränderungen bevorstehen, die alles aus dem Gleichgewicht bringen können, sogar ihre Beziehung. Gemeinsam mit dem alten Paar Axl und Beatrice reist der Leser durch ein vom Krieg gezeichnetes Land, das bevölkert wird von mythischen Wesen und Gestalten. Da sind zum Beispiel König Artus, Merlin und die Ritter der Tafelrunde, aber auch Menschenfresser und Drachen. Das Land ist befallen von einem geheimnisvollen Nebel, der die Erinnerung unterdrückt. Zunächst war ich überrascht, denn so viel Märchenhaftes hatte ich nicht erwartet. Nach der Lektüre muss ich aber sagen, dass Kazuo Ishiguro für Der begrabene Riese genau die richtige Form gewählt hat. Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt, ob das Erzählte wirklich die Realität spiegelt oder der Fantasie der Figuren entspringt. Erst nachdem Axl und Beatrice dem Kämpfer Wistan begegnen und von seiner Mission erfahren, hatte ich das Gefühl, richtig zu verstehen, worum es im Roman geht. Vor dieser Begegnung war ich beim Lesen etwas verunsichert. Ich fand zunächst keinen roten Fanden in der Handlung und hatte keine klare Vorstellung davon, was das Ganze eigentlich soll. Aber dann, nach vielen Andeutungen und kurzen Erinnerungen, fand ich es immer spannender, Axl und Beatrice bei ihrer Reise zu begleiten und mit ihnen das Geheimnis des Nebels zu lüften. Während des Lesens sind mir Axl und Beatrice sehr ans Herz gewachsen. Die tiefe Zuneigung der beiden zueinander wird von Ishiguro sehr eindrücklich beschrieben und wirkte auf mich in keiner Weise zu kitschig. Vor allem das Ende des Buches, das bereits früh angedeutet wird, war sehr emotional und melancholisch und regt zum Nachdenken an. Letztlich geht es um die Frage, ob es besser ist, in Unwissenheit in den Tag zu leben, dafür in Frieden und Ruhe, oder in Freiheit, aber mit der Last der Erinnerungen, die sowohl das einzelne Leben, als auch den Zusammenhalt einer Gemeinschaft bedrohen können. Was den Stil des Romans betrifft war ich an manchen Stellen etwas zwiegespalten. Die altertümlich anmutenden Dialoge sind wunderbar gestaltet und toll zu lesen, ebenso wie die Beschreibung der Liebe zwischen Axl und Beatrice, die sehr detailliert und in vielen Facetten dargestellt wird. Ab und zu bin ich aber auch über Wörter gestolpert, die nicht recht in den Lesefluss passten. Ein paar Mal ist mir der Begriff „Tohuwabohu“ aufgefallen, der mir sehr unpassend erschien. Ob das nur ein Problem der Übersetzung ist, kann ich nicht beurteilen. Nachdem ich mich richtig auf den Roman einlassen konnte und mich in die Handlung reingefunden hatte, war ich wirklich sehr begeistert. Die Art des Erzählens und die philosophischen Fragen, die Ishiguro scheinbar so einfach verarbeitet, haben mich sowohl emotional mitgenommen, als auch zum Nachdenken angeregt.

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<em>Was ist erstrebenswerter? Keine Erinnerungen an die früheren Lebensjahre zu besitzen und dafür in Frieden zu leben, oder all die Erinnerungen wiederzuerlangen und damit einen blutigen Krieg heraufzubeschwören? Kazuo Ishiguro widmet sich dieser Frage in seiner Geschichte über kleine und große Entscheidungen des Lebens und die Treue zueinander.</em> <strong>Ohne Erinnerungen</strong> Das ältere Ehepaar Axl und Beatrice lebt zurückgezogen in einem britannischen Bauerndorf. Nur der Nebel, der die Landschaft umfangen hält, stört den Frieden. Fast scheint es so, als lasse er alle Erinnerungen an die früheren Lebensjahre verblassen. Dennoch treibt Beatrice das unstillbare Verlangen an, ihren Sohn zu finden. Das Ehepaar bricht auf, um ihn zu suchen und zugleich das Geheimnis des Nebels zu lüften. <strong>Feinsinnige Fantasy</strong> Ins Auge fällt, wie ausgesprochen höflich alle Protagonisten miteinander umgehen. Flüche findet man so gut wie keine, den auftretenden Rittern tut es sogar leid, dass sie gegeneinander antreten müssen, weil sie keinen Konsens finden können. Es wirkt, als schienen hier Ishiguros japanische Wurzeln durch. Mit viel Liebe und Gefühl begleitet der Erzähler die beiden Protagonisten auf ihrem Abenteuer. Die Handlung mag ordinär wirken: Die Helden ziehen aus, um etwas oder jemanden zu finden und am Ende sogar einen Drachen zu erschlagen. Doch in der Handlung finden sich, fein eingewoben, Botschaften und Denkanstöße. In unserer Zeit scheint der Lebenspartner so austauschbar wie das nächste Smartphone. Da wirkt eine langjährige und innige Beziehung wie die zwischen Axl und Beatrice geradezu außergewöhnlich. Sie hat es ihnen ermöglicht, ihr Abenteuer gemeinsam durchzustehen. Axls stete Sorge um seine „Prinzessin“, wie er Beatrice nennt, ist herzerwärmend. Gerade die Einfachheit, in der Axl und Beatrice miteinander leben, macht die Geschichte interessant. Sie sind beide einfache Leute, keine großen Helden oder Ritter. Damit sind sie in einer ähnlichen Position wie der Leser. Dennoch sehen sie sich auf einmal einer Situation gegenüber, eine fremde Rolle einnehmen zu müssen und über Krieg oder Frieden zu entscheiden. <strong>Mein Fazit</strong> Zum Schluss bleibt eine Frage im Raum stehen: Was würde ich selber wählen – Frieden oder Erinnerungen? „Der begrabene Riese“ ist ein Buch, das lange nachwirkt. Autorin der Rezension ist Maria Schönberg. Sie gehört zum Autorenpool von [Der Mann für den Text] Detlef M. Plaisier, Leipzig

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Was ist erstrebenswerter? Keine Erinnerungen an die früheren Lebensjahre besitzen und dafür in Frieden leben, oder all die Erinnerungen wiedererlangen und damit einen blutigen Krieg heraufbeschwören? Kazuo Ishiguro widmet sich dieser Frage in seiner Geschichte über kleine und große Entscheidungen des Lebens und die Treue zueinander. Das ältere Ehepaar Axl und Beatrice lebt zurückgezogen als Bauern in einem britanischen Dorf. Das einzige, was den Frieden stört, ist der Nebel, der die Landschaft umfangen hält. Anscheinend ist er es, der alle Erinnerungen an die früheren Lebensjahre verblassen lässt. Dennoch treibt Beatrice das unstillbare Verlangen an, ihren Sohn zu finden. Das Ehepaar bricht auf, um ihn zu suchen und zugleich das Geheimnis des Nebels zu lüften. Ins Auge fällt, wie ausgesprochen höflich alle Protagonisten miteinander umgehen. Flüche findet man so gut wie keine, den auftretenden Rittern tut es sogar Leid, dass sie gegeneinander antreten müssen, weil sie keinen Konsens finden können. Es wirkt, als schienen hier Ishiguros japanische Wurzeln durch. Mit viel Liebe und Gefühl begleitet der Erzähler die beiden Protagonisten auf ihrem Abenteuer. Die Handlung mag ordinär wirken: Die Helden ziehen aus, um etwas oder jemanden zu finden und am Ende sogar einen Drachen zu erschlagen. Doch in ihr finden sich fein eingeboben Botschaften und Denkanstöße. In unserer Zeit, in der der Lebenspartner so austauschbar zu sein scheint wie das nächste Smartphone, wirkt eine langjährige und innige Beziehung wie die Axls und Beatrices bemerkenswert. Doch nur sie hat es ihnen ermöglicht, ihr Abenteuer gemeinsam durchzustehen. Axls stete Sorge um seine „Prinzessin“, wie er Beatrice nennt, ist herzerwärmend. Gerade die Einfachheit, in der Axl und Beatrice leben, macht die Geschichte interessant. Sie sind beide ebenso einfache Leute, keine großen Helden oder Ritter. Damit sind sie in einer sehr ähnlichen Position wie der Leser. Dennoch sehen sie sich auf einmal in einer Situation, die ihnen fremde Rolle einnehmen zu müssen und über Krieg oder Frieden zu entscheiden. Zum Schluss bleibt die Frage im Raum stehen, was man selbst wählen würde. Frieden oder Erinnerungen? „Der Begrabene Riese“ ist kein Buch, das man beiseitelegt und dann vergisst. Ich danke dem Blessing Verlag für das Rezensionsexemplar.

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Durch Zufall bin ich in einem Literaturmagazin auf ein Interview mit dem Autor Kazuo Ishiguro gestoßen, in welchem er über sein neuesten Roman "Der begrabene Riese" erzählt hat. Allein wie Ishiguro über das Schreiben und Erzählen gesprochen hat, hat mich wahnsinnig gefesselt. Und schließlich hat sein Roman bei der Lektüre meine Erwartungen bei weitem übertroffen und ich durfte einen wahren Meister der Erzählkunst kennenlernen. Britannien im 5. Jahrhundert: Nach erbitterten Kriegen zwischen den Volksstämmen der Briten und Angelsachsen ist das Land verwüstet. Axl und Beatrice sind seit vielen Jahren ein Paar. In ihrem Dorf gelten sie als Außenseiter, und man gibt ihnen deutlich zu verstehen, dass sie eine Belastung für die Gemeinschaft sind. Also verlassen sie ihre Heimat in der Hoffnung, ihren Sohn zu finden, den sie seit langer Zeit nicht mehr gesehen haben. Ihre Reise ist voller überraschender Begegnungen und Gefahren, und bald ahnen sie, dass in ihrem Land eine Veränderung heraufzieht, die alles aus dem Gleichgewicht bringen wird, sogar ihre Beziehung. (Quelle: Klappentext) Ein Nebel des Vergessens hat sich über ganz Britannien gezogen. Beatrice und Axl wissen gar nicht, wo sich ihr Sohn gerade aufhält. Geschweige denn, ob dieser wirklich existiert. Und auch ihre Liebe basiert auf einem Gefühl tiefer Verbundenheit, denn gemeinsame Erinnerungen- ob schlechte oder gute- existieren nicht. Ein Roman über Erinnerungen und das Vergessen. Man frägt sich, inwiefern Erinnerungen uns als Menschen oder auch eine ganze Nation prägen. Wie wichtig sind sie? Und wann ist nützlich bestimmte Dinge zu vergessen? Wo liegt die Ausgewogenheit zwischen diesen beiden Elementen? Wirklich bewundernswert, wie Ishiguro zwei so greifbare Figuren wie Beatrice und Axl erschaffen konnte. Die Charaktere der beiden alten Leute stehen einem beim Lesen deutlich vor Augen, und das, obwohl diese Menschen von keinen Erinnerungen und damit Erfahrungen geprägt sind. Sie existieren nur im Hier und Jetzt. Das Mittelalter mir Rittern, Burgen und Klöstern. Außerdem Drachen und Menschenfresser, die das Land bedrohen. Ein sagenhafter Abkömmling des berühmten Artus. Es ist eine magische Welt, die Ishiguro in seinem neuen Roman heraufbeschwört. Man könnte es wohl der Fantasy zuordnen. Aber der Autor lässt sich einfach nicht eine bestimmte Genre- Schublade packen, nein, er wechselt mit seinen Büchern zwischen diesen. In diesem Buch dient diese märchenhafte Welt lediglich dazu, dass die Geschichte funktioniert. Es ist kein Fantasy- Werk, sondern eine Erzählung. Eine Parabel. Denn hier stellt sich die aktuelle Frage, wie Nationen brutalen vergangenen Kriegen gedenken. Wie sie mit jahrzehntelangen Feindschaften zwischen einzelnen Völkern umgehen. Wo muss die Erinnerung hochgehalten werden. Wo ist Vergessen der richtige Weg? Ishiguro lehrt es uns... wenn wir es zulassen.

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Der britische Schriftsteller Kazuo Ishiguro hat fast zehn Jahre nach seinem letzten Roman nun ein ganz besonderes Werk veröffentlicht. 1989 erhielt der Autor den Bookerprize für seinen Roman " Was vom Tage übrig bleibt" und hat insgesamt bis heute nur acht Bücher veröffentlicht. Genauso wirkt sein Roman auch. Sehr durchdacht. Ein Fantasybuch, dass gar nicht so richtig eins ist, denn über England im 5 Jahrhundert ist historisch gesehen nichts bekannt. So füllt der Autor eine vergessene Zeit mit Leben und verbindet eine fiktive Geschichte mit fantastischen Elementen, die sich aber wie selbstverständlich einfinden. Ishiguro schafft es durch Wahl von Zeit und Ort einen Roman zu schreiben, der außerhalb unserer Gesellschaft spielt und dennoch, anders als in vielen anderen Fantasyromanen, eine Welt zu erschaffen, an die man sofort glaubt, wo einem nichts unreal erscheint. Zum einen hängt es bestimmt damit zusammen, dass er typische Assoziationen mit dem Mittelalter aufgreift und ausschmückt. Es gibt Ritter, Klöster mit Geheimgängen und viel Grausamkeit. Genauso gibt es aber Drachen und Kobolde und natürlich die Liebe. Zum anderen schafft er es durch seine bildliche Sprache, dass der Leser an der Seite von Beatrice und Axl wandert. Axl und Beatrice brechen auf um ihren Sohn zu suchen. Sie wissen aber gar nicht so recht wo und ob sie überhaupt mal einen Sohn hatte, denn ein Nebel des Vergessens hat sich über die Gegend gelegt. Sie wissen nicht, was sie vorher in ihrem Leben erlebt haben und ihre Liebe beruht nicht auf gemeinsamen Erinnerungen als vielmehr einem großen Gefühl der Verbundenheit. Durch die Erzählweise, weiß auch der Leser nicht, wer die Figuren eigentlich sind und erst als sich Axl und Beatrice auf ihre Reise bewegen und andere Menschen treffen können sie sich an Gedankenfetzten erinnern. Doch im Laufe der Zeit wissen sie gar nicht, ob sie ihre Erinnerungen wieder haben möchten. Dies gilt für alle Menschen der Gegend. Warum haben sie alles vergessen? Im Laufe des Buches wird klar, dass diese Menschen nach einem Bürgerkrieg nur deshalb heute friedlich zusammen leben können, da sie die Gabe des Vergessens besitzen und nicht mehr wissen, was ihr freundlicher Nachbar vor nicht allzu langer Zeit auf dem Schlachtfeld oder im Dorf aus Hass auf die anderen Bevölkerungsgruppe getan hat. Trotz der vielen philosophischen Aspekte kommt die Spannung in diesem Roman nicht zu kurz. Nicht nur das Aufdecken der Vergangenheit auch der Kampf gegen Kobolde und die Unklarheit über die Motive der Reisegefährten lassen einen Seite um Seite umblättern, um zu erfahren wie es mit Axl und Beatrice ausgeht. Die letzte Szene ist eine Meisterleistung. Um nichts vorwegzunehmen sei so viel gesagt: Dieses Buch ist still und leise und schreibt dabei eine unglaubliche Liebesgeschichte.

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Über die Zeit nach König Artus hat Kazuo Ishiguro in seinem zauberhaft magischen Buch "Der begrabene Riese" geschrieben. Das alte Ehepar Axl und Beatrice begeben sich auf die Reise zu ihrem Sohn, der in einem anderen Dorf wohnt. Gemeinsam mit den beiden machte ich mich als Leserin auf - immer mit der Reise als roten Faden - eine finstere Welt, die bevölkert von zahlreichen mystischen Ungeheuern und sonstigen Gestalten ist. Wir reisen durch einen geheimnisvollen Nebel, der unsere Erinnerungen unterdrückt. Der wie ein Schleier des Vergessens über unserer Vergangenheit liegt, so als wäre alle Opfer einer kollektiven Amnesie geworden. Der Nebel als mystisches Mittel für schöne und unschöne Erinnerungen, an solche, an die wir uns gerne erinnert hätten und solche, die wir verdrängt haben? Auf jeden Fall ist der Nebel mystisch gesehen ein tolles stilistischer Kniff, um der Geschichte die nötige unheilvolle, magisch-düstere Note zu geben. Wir erleben oftmals Bedrohung, erfahren aber auch oft unverhoffte Hilfe und Unterstützung. Oftmals weiß man als Leser nicht, ob man sich nun in der realistischen Geschichte befindet oder wo diese Reise denn nun eigentlich - mysthisch betrachtet - uns hinführen soll. Und genau das ist die einzigartige, zauberhafte dieser an alte Sagen erinnernde Geschichte über Axl und Beatrice auf dem Weg zu ihrem Sohn. Herr Ishiguro hat das Märchen als stilistische Form gewählt, um seine Geschichte zu erzählen. So klingt die Geschichte beruhigend, wie wir Märchen aus Kindertagen kennen. Mit diesem genialen Kniff gelingt es dem Autor meisterhaft, das mystisch-fantastische Drumherum mit der nötigen Distanz zu betrachten. Und heldenhaft trösten und beschützen sich Axl und Beatrice gegenseitig. Besonders gefallen hat mir, dass alle Personen so sprechen, wie wir es aus Sagen- und Märchengeschichten kennen. So wirkt die fabelhafte Geschichte wie eine warme Tasse Kakao, wie wir sie als Kinder so oft und uneingeschränkt hingebungsvoll genossen haben. Fazit: Unbedingt lesen! Das schreibt der Blessing Verlag: Britannien im 5. Jahrhundert: Nach erbitterten Kriegen zwischen den Volksstämmen der Briten und Angelsachsen ist das Land verwüstet. Axl und Beatrice sind seit vielen Jahren ein Paar. In ihrem Dorf gelten sie als Außenseiter, und man gibt ihnen deutlich zu verstehen, dass sie eine Belastung für die Gemeinschaft sind. Also verlassen sie ihre Heimat in der Hoffnung, ihren Sohn zu finden, den sie seit langer Zeit nicht mehr gesehen haben. Ihre Reise ist voller überraschender Begegnungen und Gefahren, und bald ahnen sie, dass in ihrem Land eine Veränderung heraufzieht, die alles aus dem Gleichgewicht bringen wird, sogar ihre Beziehung. Ein gewaltiger, intensiver, spannender Roman, der uns mitnimmt auf eine so tiefgründige wie faszinierende Reise. Kazuo Ishiguros unprätentiöser und zugleich betörender Realismus macht ihn zu einem feinsinnigen Meister des Erzählens. Über den Autor: Buchinformationen:

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In der Literatur scheint nicht nur das Thema Endzeit die Autoren derzeit viel zu beschäftigen. Heinz Helles “Eigentlich müssten wir tanzen”, Cormac McCarthys “Die Straße”, Emily St. John Mandels “Das Licht der letzten Tage” oder Valerie Fritzschs “Winters Garten” seien an dieser Stelle genannt. Mehr und mehr finden sich Leser auch bei der Lektüre von ernster Literatur in Märchen und fantastischen Geschichten wieder. David Mitchell und ja auch Haruki Murakami sind da beispielgebend. Mit “Der begrabene Riese” legt der japanisch-englische Autor und Gewinner des renommierten Booker-Prizes Kazuo Ishiguro nun seinen lang erwarteten neuen Roman vor, der ein großes Thema in Form eines Märchens erzählt. Der Roman ist eine Zeitmaschine, der den Leser in das 5. Jahrhundert versetzt. In Britannien haben sich die einst verfeindeten Stämme der Sachsen und Britannier versöhnt. Doch über dem Land liegt nach dem Tod des legendären Artus ein Fluch. Die Menschen haben keine Erinnerungen mehr an vergangene Jahre, Monate, Tage. Auch Axl und Beatrice, ein älteres Ehepaar, bemerkt es. Da die Erinnerungen an ihren Sohn verblassen, wollen sie ihn in seinem Dorf besuchen. Sie verlassen ihre bescheidene Gemeinschaftssiedlung, in dem sie keinen leichten Stand haben, und machen sich auf den Weg. Dabei treffen sie auf besondere Gestalten, so in einem Sachsendorf den Ritter Wistan, der den Jungen Edwin aus den Fängen eines Menschenfressers befreit, aber ihn nicht davor bewahren kann, von der Dorfbevölkerung als verwünscht und damit als unerwünscht in der Gemeinschaft angesehen zu werden. Beide fliehen, begleiten das Ehepaar auf ihrem weiteren Weg, der sie zu einem heilenden Mönch in ein Kloster führen soll. Unterwegs machen sie die Bekanntschaft mit Gawain, Neffe des legendären Artus und zu dessen Gefolge er einst zählte. Der alte Ritter plant, mit seinem Ross Horaz den gefährlichen Drachen Querig zu vernichten. Doch im Kloster, einer früheren Bergfeste, überschlagen sich die Ereignisse, kommt ans Licht, was die Ursache für den Verlust der Erinnerungen ist. Der Roman hat mich in seiner Konstruktion etwas an die Trilogie “Der Herr der Ringe” von Tolkien erinnert. Nachdem die Gruppe aus Axl und Beatrice, Wistan und Edwin sowie Gawain zusammenkommt, werden sie wenig später wieder mehrfach getrennt, um später im großen Finale am Steinmal und damit in der Nähe des Drachen wieder aufeinanderzutreffen. Der Erzähler wechselt die Schauplätze und Sichtwinkel. Es gibt Rückblenden. Zudem wird Gawain zum Erzähler, der von der Bedeutung des Drachen berichtet. "Der begrabene Riese” ist nur auf den ersten Blick eine spannende und fantasievolle Geschichte. Hinter Ishiguros neuestem Streich verbirgt sich weit mehr, so dass er auf verschiedene Arten und durchaus von mehreren Generationen gelesen werden kann. Die märchenhafte Story, die Fantasie-Gestalten wie schreckliche Kobolde und gefährliche Menschenfresser beherbergt, enthält eine Reihe mythologischer Anspielungen, so Verweise auf Artus und seine Tafelrunde und die Rolle des Fährmanns, der in der griechischen Sagenwelt als Charon in seinem Kahn die Toten über das Wasser setzt. Er gibt dem Roman an seinem Ende eine sehr melancholische Note, denn Axl und Beatrice treffen auf den Fährmann. Der Nebel des Vergessens hat dabei nicht nur Einfluss auf die Länder und Völker, die einstige Schlachten und Gräueltaten des Feindes vergessen haben, so dass Rache und Vergeltung keine weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen und damit einen Teufelskreis der Gewalt anschüren könnten, es vielmehr Frieden herrscht. Doch zu welchem Preis? Das ist eine Frage, die vor allem das letzte Drittel des Romans beherrscht. Denn neben den Völkern verlieren auch die Menschen ihre Vergangenheit. Denn ohne Erinnerungen fehlt das Bewusstsein um die eigene Herkunft, das eigene Schaffen, die eigene Rolle in der Gemeinschaft. Nach und nach kristallisiert es sich heraus, das Axl, Wistan und Gawain sich bereits aus der Vergangenheit kennen und dass es in der Beziehung des Ehepaars trotz ihrer innigen Liebe und Vertrautheit auch Krisen und Schicksalsschläge gegeben hat. Nach “Alles, was wir geben mussten” hat Ishiguro erneut ein sehr brisantes Thema verarbeitet. Während er in seinem Roman aus dem Jahr 2005 das Klonen in den Mittelpunkt rückt, geht es in seinem aktuellen Werk um die Frage nach der Bedeutung der Erinnerungen. Das Verarbeiten der Vergangenheit, eine angemessene Erinnerungskultur ist regelmäßig Teil des gesellschaftlichen Diskurs – in Deutschland angesichts der Verbrechen des Dritten Reiches wohl etwas mehr als in anderen Ländern, wo das Mahnen an das Leid anderer Völker oder der eigenen Bevölkerung unterdrückt wird beziehungsweise erst an seinem Anfang steht. Ein Blick in Geschichtsbücher oder auf aktuelle Krisenherden zeig, dass Rache die Spirale der Gewalt stets und ständig in Gang setzt. Aber sind dafür die Erinnerungen verantwortlich oder vielmehr das Vergessen an die eigenen Verbrechen und damit die eigene Schuld? Man möchte jedem Staatsmann diesen, im Übrigen auch sehr schön gestalteten Roman in die Hand drücken. Obwohl: Es bedarf wiederum großer Hoffnung, dass Literatur die große Weltgeschichte beeinflussen, ja zum Positiven verändern kann. Ihr fällt womöglich lediglich die Aufgabe zu, Historie und einstige Geschehnisse zu hinterfragen und zu mahnen. Und das kann “Der begrabene Riese” auf beeindruckende, berührende und wohl einmalige Weise.

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