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Rezensionen zu
Der begrabene Riese

Kazuo Ishiguro

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Was ist erstrebenswerter? Keine Erinnerungen an die früheren Lebensjahre besitzen und dafür in Frieden leben, oder all die Erinnerungen wiedererlangen und damit einen blutigen Krieg heraufbeschwören? Kazuo Ishiguro widmet sich dieser Frage in seiner Geschichte über kleine und große Entscheidungen des Lebens und die Treue zueinander. Das ältere Ehepaar Axl und Beatrice lebt zurückgezogen als Bauern in einem britanischen Dorf. Das einzige, was den Frieden stört, ist der Nebel, der die Landschaft umfangen hält. Anscheinend ist er es, der alle Erinnerungen an die früheren Lebensjahre verblassen lässt. Dennoch treibt Beatrice das unstillbare Verlangen an, ihren Sohn zu finden. Das Ehepaar bricht auf, um ihn zu suchen und zugleich das Geheimnis des Nebels zu lüften. Ins Auge fällt, wie ausgesprochen höflich alle Protagonisten miteinander umgehen. Flüche findet man so gut wie keine, den auftretenden Rittern tut es sogar Leid, dass sie gegeneinander antreten müssen, weil sie keinen Konsens finden können. Es wirkt, als schienen hier Ishiguros japanische Wurzeln durch. Mit viel Liebe und Gefühl begleitet der Erzähler die beiden Protagonisten auf ihrem Abenteuer. Die Handlung mag ordinär wirken: Die Helden ziehen aus, um etwas oder jemanden zu finden und am Ende sogar einen Drachen zu erschlagen. Doch in ihr finden sich fein eingeboben Botschaften und Denkanstöße. In unserer Zeit, in der der Lebenspartner so austauschbar zu sein scheint wie das nächste Smartphone, wirkt eine langjährige und innige Beziehung wie die Axls und Beatrices bemerkenswert. Doch nur sie hat es ihnen ermöglicht, ihr Abenteuer gemeinsam durchzustehen. Axls stete Sorge um seine „Prinzessin“, wie er Beatrice nennt, ist herzerwärmend. Gerade die Einfachheit, in der Axl und Beatrice leben, macht die Geschichte interessant. Sie sind beide ebenso einfache Leute, keine großen Helden oder Ritter. Damit sind sie in einer sehr ähnlichen Position wie der Leser. Dennoch sehen sie sich auf einmal in einer Situation, die ihnen fremde Rolle einnehmen zu müssen und über Krieg oder Frieden zu entscheiden. Zum Schluss bleibt die Frage im Raum stehen, was man selbst wählen würde. Frieden oder Erinnerungen? „Der Begrabene Riese“ ist kein Buch, das man beiseitelegt und dann vergisst. Ich danke dem Blessing Verlag für das Rezensionsexemplar.

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Durch Zufall bin ich in einem Literaturmagazin auf ein Interview mit dem Autor Kazuo Ishiguro gestoßen, in welchem er über sein neuesten Roman "Der begrabene Riese" erzählt hat. Allein wie Ishiguro über das Schreiben und Erzählen gesprochen hat, hat mich wahnsinnig gefesselt. Und schließlich hat sein Roman bei der Lektüre meine Erwartungen bei weitem übertroffen und ich durfte einen wahren Meister der Erzählkunst kennenlernen. Britannien im 5. Jahrhundert: Nach erbitterten Kriegen zwischen den Volksstämmen der Briten und Angelsachsen ist das Land verwüstet. Axl und Beatrice sind seit vielen Jahren ein Paar. In ihrem Dorf gelten sie als Außenseiter, und man gibt ihnen deutlich zu verstehen, dass sie eine Belastung für die Gemeinschaft sind. Also verlassen sie ihre Heimat in der Hoffnung, ihren Sohn zu finden, den sie seit langer Zeit nicht mehr gesehen haben. Ihre Reise ist voller überraschender Begegnungen und Gefahren, und bald ahnen sie, dass in ihrem Land eine Veränderung heraufzieht, die alles aus dem Gleichgewicht bringen wird, sogar ihre Beziehung. (Quelle: Klappentext) Ein Nebel des Vergessens hat sich über ganz Britannien gezogen. Beatrice und Axl wissen gar nicht, wo sich ihr Sohn gerade aufhält. Geschweige denn, ob dieser wirklich existiert. Und auch ihre Liebe basiert auf einem Gefühl tiefer Verbundenheit, denn gemeinsame Erinnerungen- ob schlechte oder gute- existieren nicht. Ein Roman über Erinnerungen und das Vergessen. Man frägt sich, inwiefern Erinnerungen uns als Menschen oder auch eine ganze Nation prägen. Wie wichtig sind sie? Und wann ist nützlich bestimmte Dinge zu vergessen? Wo liegt die Ausgewogenheit zwischen diesen beiden Elementen? Wirklich bewundernswert, wie Ishiguro zwei so greifbare Figuren wie Beatrice und Axl erschaffen konnte. Die Charaktere der beiden alten Leute stehen einem beim Lesen deutlich vor Augen, und das, obwohl diese Menschen von keinen Erinnerungen und damit Erfahrungen geprägt sind. Sie existieren nur im Hier und Jetzt. Das Mittelalter mir Rittern, Burgen und Klöstern. Außerdem Drachen und Menschenfresser, die das Land bedrohen. Ein sagenhafter Abkömmling des berühmten Artus. Es ist eine magische Welt, die Ishiguro in seinem neuen Roman heraufbeschwört. Man könnte es wohl der Fantasy zuordnen. Aber der Autor lässt sich einfach nicht eine bestimmte Genre- Schublade packen, nein, er wechselt mit seinen Büchern zwischen diesen. In diesem Buch dient diese märchenhafte Welt lediglich dazu, dass die Geschichte funktioniert. Es ist kein Fantasy- Werk, sondern eine Erzählung. Eine Parabel. Denn hier stellt sich die aktuelle Frage, wie Nationen brutalen vergangenen Kriegen gedenken. Wie sie mit jahrzehntelangen Feindschaften zwischen einzelnen Völkern umgehen. Wo muss die Erinnerung hochgehalten werden. Wo ist Vergessen der richtige Weg? Ishiguro lehrt es uns... wenn wir es zulassen.

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„Der begrabene Riese“ war mein erstes Buch von Kazuo Ishiguro und ich war mir – vor allem wegen der doch sehr unterschiedlichen Meinungen zum Buch, aber auch weil ich zuvor noch nie etwas gelesen habe, das im 5. Jahrhundert spielt – nicht sicher, ob es mir gefallen würde. Weil ich über den Autor aber schon so viel Gutes gehört habe wollte ich dem Buch doch gerne eine Chance geben. Ich hatte zu Beginn Probleme damit, wirklich in das Buch hineinzufinden, was vor allem an der Sprache lag, die wohl ein wenig altertümlich klingen soll, die mir auf den ersten Blick einfach nur aufgesetzt und seltsam vorkam. Je mehr ich mich jedoch daran gewöhnt habe, desto weniger ist sie mir negativ aufgefallen – im Gegenteil, jetzt, wo ich fertig bin, finde ich sogar, dass diese Geschichte auf keine andere Weise, mit keinen anderen Worten hätte erzählt werden können oder dürfen. Was mir hingegen gleich von Beginn an sehr positiv aufgefallen ist, war die unheimlich atmosphärische, beinahe schon gruselige Welt, die Fantasy und Realismus auf eine Weise verknüpft, die einen direkt in die Zeit König Arturs, in das Land der Mythen und Sagen zurückversetzt. Selten habe ich ein Buch gelesen, in dem Kobolde, Menschenfresser und Drachen sich so natürlich und fast schon nebenbei in das Geschehen einfügen – man möchte beim Lesen fast glauben, dass es all das vor langer Zeit tatsächlich einmal gegeben hat. Auch die Geschichte an sich hat mir wirklich gut gefallen. Der Klappentext wird der Handlung leider absolut nicht gerecht, ich wüsste allerdings selbst auch nicht, wie man es besser machen könnte. „Der begrabene Riese“ ist einfach ein so gewaltiger, tiefsinniger Roman, der auf so vielen verschiedenen Ebenen funktioniert, dass man ihn wirklich gelesen haben muss, um zu wissen, worum es geht. Kitschig ist er dabei aber aber auf keinen Fall – mehr ein Abenteuer, nicht nur eine Reise in eine fantastische Welt sondern auch in den Menschen selbst. Ein Liebesroman vielleicht, ja, aber doch ganz anders als Liebesromane sonst so funktionieren – ohne Funken und Feuerwerk, dafür mit Gefühlen so tief und echt, wie sie wohl nur ein Paar, welches ein Leben lang zusammen gewachsen ist, verbinden. Vielleicht macht das das Buch sogar zum einzig „echten“ Liebesroman, den ich je gelesen habe. Es ist ein wahnsinnig ruhiges und doch gleichzeitig unheimlich spannendes Buch, welches ich kaum aus der Hand legen konnte – man hat quasi konstant das Gefühl, dass man beinahe weiß, was denn nun wirklich vor sich geht, aber so ganz kommt man dann doch erst am Ende dahinter. Vor allem die vielen verschiedenen Charaktere, die alle ihre eigenen Absichten haben, und diese selbst dem Leser nicht wirklich mitteilen bis sie sie dann in die Tat umsetzen, haben daran einen großen Anteil. Alles in allem kann ich nur sagen, dass mir „Der begrabene Riese“ – trotz anfänglicher Schwierigkeiten – wirklich, wirklich gut gefallen hat. Es war anders als jedes andere Buch, das ich bisher gelesen habe, und ich werde mit Sicherheit noch einige Zeit lang darüber nachdenken. Ich bin wirklich froh, Axl und Beatrice auf ihrer Reise begleitet zu haben und werde das Buch nicht nur jedem wärmstens ans Herz legen sondern mir mit Sicherheit auch noch mehr Bücher von Kazuo Ishiguro zulegen!

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Der britische Schriftsteller Kazuo Ishiguro hat fast zehn Jahre nach seinem letzten Roman nun ein ganz besonderes Werk veröffentlicht. 1989 erhielt der Autor den Bookerprize für seinen Roman " Was vom Tage übrig bleibt" und hat insgesamt bis heute nur acht Bücher veröffentlicht. Genauso wirkt sein Roman auch. Sehr durchdacht. Ein Fantasybuch, dass gar nicht so richtig eins ist, denn über England im 5 Jahrhundert ist historisch gesehen nichts bekannt. So füllt der Autor eine vergessene Zeit mit Leben und verbindet eine fiktive Geschichte mit fantastischen Elementen, die sich aber wie selbstverständlich einfinden. Ishiguro schafft es durch Wahl von Zeit und Ort einen Roman zu schreiben, der außerhalb unserer Gesellschaft spielt und dennoch, anders als in vielen anderen Fantasyromanen, eine Welt zu erschaffen, an die man sofort glaubt, wo einem nichts unreal erscheint. Zum einen hängt es bestimmt damit zusammen, dass er typische Assoziationen mit dem Mittelalter aufgreift und ausschmückt. Es gibt Ritter, Klöster mit Geheimgängen und viel Grausamkeit. Genauso gibt es aber Drachen und Kobolde und natürlich die Liebe. Zum anderen schafft er es durch seine bildliche Sprache, dass der Leser an der Seite von Beatrice und Axl wandert. Axl und Beatrice brechen auf um ihren Sohn zu suchen. Sie wissen aber gar nicht so recht wo und ob sie überhaupt mal einen Sohn hatte, denn ein Nebel des Vergessens hat sich über die Gegend gelegt. Sie wissen nicht, was sie vorher in ihrem Leben erlebt haben und ihre Liebe beruht nicht auf gemeinsamen Erinnerungen als vielmehr einem großen Gefühl der Verbundenheit. Durch die Erzählweise, weiß auch der Leser nicht, wer die Figuren eigentlich sind und erst als sich Axl und Beatrice auf ihre Reise bewegen und andere Menschen treffen können sie sich an Gedankenfetzten erinnern. Doch im Laufe der Zeit wissen sie gar nicht, ob sie ihre Erinnerungen wieder haben möchten. Dies gilt für alle Menschen der Gegend. Warum haben sie alles vergessen? Im Laufe des Buches wird klar, dass diese Menschen nach einem Bürgerkrieg nur deshalb heute friedlich zusammen leben können, da sie die Gabe des Vergessens besitzen und nicht mehr wissen, was ihr freundlicher Nachbar vor nicht allzu langer Zeit auf dem Schlachtfeld oder im Dorf aus Hass auf die anderen Bevölkerungsgruppe getan hat. Trotz der vielen philosophischen Aspekte kommt die Spannung in diesem Roman nicht zu kurz. Nicht nur das Aufdecken der Vergangenheit auch der Kampf gegen Kobolde und die Unklarheit über die Motive der Reisegefährten lassen einen Seite um Seite umblättern, um zu erfahren wie es mit Axl und Beatrice ausgeht. Die letzte Szene ist eine Meisterleistung. Um nichts vorwegzunehmen sei so viel gesagt: Dieses Buch ist still und leise und schreibt dabei eine unglaubliche Liebesgeschichte.

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Über die Zeit nach König Artus hat Kazuo Ishiguro in seinem zauberhaft magischen Buch "Der begrabene Riese" geschrieben. Das alte Ehepar Axl und Beatrice begeben sich auf die Reise zu ihrem Sohn, der in einem anderen Dorf wohnt. Gemeinsam mit den beiden machte ich mich als Leserin auf - immer mit der Reise als roten Faden - eine finstere Welt, die bevölkert von zahlreichen mystischen Ungeheuern und sonstigen Gestalten ist. Wir reisen durch einen geheimnisvollen Nebel, der unsere Erinnerungen unterdrückt. Der wie ein Schleier des Vergessens über unserer Vergangenheit liegt, so als wäre alle Opfer einer kollektiven Amnesie geworden. Der Nebel als mystisches Mittel für schöne und unschöne Erinnerungen, an solche, an die wir uns gerne erinnert hätten und solche, die wir verdrängt haben? Auf jeden Fall ist der Nebel mystisch gesehen ein tolles stilistischer Kniff, um der Geschichte die nötige unheilvolle, magisch-düstere Note zu geben. Wir erleben oftmals Bedrohung, erfahren aber auch oft unverhoffte Hilfe und Unterstützung. Oftmals weiß man als Leser nicht, ob man sich nun in der realistischen Geschichte befindet oder wo diese Reise denn nun eigentlich - mysthisch betrachtet - uns hinführen soll. Und genau das ist die einzigartige, zauberhafte dieser an alte Sagen erinnernde Geschichte über Axl und Beatrice auf dem Weg zu ihrem Sohn. Herr Ishiguro hat das Märchen als stilistische Form gewählt, um seine Geschichte zu erzählen. So klingt die Geschichte beruhigend, wie wir Märchen aus Kindertagen kennen. Mit diesem genialen Kniff gelingt es dem Autor meisterhaft, das mystisch-fantastische Drumherum mit der nötigen Distanz zu betrachten. Und heldenhaft trösten und beschützen sich Axl und Beatrice gegenseitig. Besonders gefallen hat mir, dass alle Personen so sprechen, wie wir es aus Sagen- und Märchengeschichten kennen. So wirkt die fabelhafte Geschichte wie eine warme Tasse Kakao, wie wir sie als Kinder so oft und uneingeschränkt hingebungsvoll genossen haben. Fazit: Unbedingt lesen! Das schreibt der Blessing Verlag: Britannien im 5. Jahrhundert: Nach erbitterten Kriegen zwischen den Volksstämmen der Briten und Angelsachsen ist das Land verwüstet. Axl und Beatrice sind seit vielen Jahren ein Paar. In ihrem Dorf gelten sie als Außenseiter, und man gibt ihnen deutlich zu verstehen, dass sie eine Belastung für die Gemeinschaft sind. Also verlassen sie ihre Heimat in der Hoffnung, ihren Sohn zu finden, den sie seit langer Zeit nicht mehr gesehen haben. Ihre Reise ist voller überraschender Begegnungen und Gefahren, und bald ahnen sie, dass in ihrem Land eine Veränderung heraufzieht, die alles aus dem Gleichgewicht bringen wird, sogar ihre Beziehung. Ein gewaltiger, intensiver, spannender Roman, der uns mitnimmt auf eine so tiefgründige wie faszinierende Reise. Kazuo Ishiguros unprätentiöser und zugleich betörender Realismus macht ihn zu einem feinsinnigen Meister des Erzählens. Über den Autor: Buchinformationen:

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In der Literatur scheint nicht nur das Thema Endzeit die Autoren derzeit viel zu beschäftigen. Heinz Helles “Eigentlich müssten wir tanzen”, Cormac McCarthys “Die Straße”, Emily St. John Mandels “Das Licht der letzten Tage” oder Valerie Fritzschs “Winters Garten” seien an dieser Stelle genannt. Mehr und mehr finden sich Leser auch bei der Lektüre von ernster Literatur in Märchen und fantastischen Geschichten wieder. David Mitchell und ja auch Haruki Murakami sind da beispielgebend. Mit “Der begrabene Riese” legt der japanisch-englische Autor und Gewinner des renommierten Booker-Prizes Kazuo Ishiguro nun seinen lang erwarteten neuen Roman vor, der ein großes Thema in Form eines Märchens erzählt. Der Roman ist eine Zeitmaschine, der den Leser in das 5. Jahrhundert versetzt. In Britannien haben sich die einst verfeindeten Stämme der Sachsen und Britannier versöhnt. Doch über dem Land liegt nach dem Tod des legendären Artus ein Fluch. Die Menschen haben keine Erinnerungen mehr an vergangene Jahre, Monate, Tage. Auch Axl und Beatrice, ein älteres Ehepaar, bemerkt es. Da die Erinnerungen an ihren Sohn verblassen, wollen sie ihn in seinem Dorf besuchen. Sie verlassen ihre bescheidene Gemeinschaftssiedlung, in dem sie keinen leichten Stand haben, und machen sich auf den Weg. Dabei treffen sie auf besondere Gestalten, so in einem Sachsendorf den Ritter Wistan, der den Jungen Edwin aus den Fängen eines Menschenfressers befreit, aber ihn nicht davor bewahren kann, von der Dorfbevölkerung als verwünscht und damit als unerwünscht in der Gemeinschaft angesehen zu werden. Beide fliehen, begleiten das Ehepaar auf ihrem weiteren Weg, der sie zu einem heilenden Mönch in ein Kloster führen soll. Unterwegs machen sie die Bekanntschaft mit Gawain, Neffe des legendären Artus und zu dessen Gefolge er einst zählte. Der alte Ritter plant, mit seinem Ross Horaz den gefährlichen Drachen Querig zu vernichten. Doch im Kloster, einer früheren Bergfeste, überschlagen sich die Ereignisse, kommt ans Licht, was die Ursache für den Verlust der Erinnerungen ist. Der Roman hat mich in seiner Konstruktion etwas an die Trilogie “Der Herr der Ringe” von Tolkien erinnert. Nachdem die Gruppe aus Axl und Beatrice, Wistan und Edwin sowie Gawain zusammenkommt, werden sie wenig später wieder mehrfach getrennt, um später im großen Finale am Steinmal und damit in der Nähe des Drachen wieder aufeinanderzutreffen. Der Erzähler wechselt die Schauplätze und Sichtwinkel. Es gibt Rückblenden. Zudem wird Gawain zum Erzähler, der von der Bedeutung des Drachen berichtet. "Der begrabene Riese” ist nur auf den ersten Blick eine spannende und fantasievolle Geschichte. Hinter Ishiguros neuestem Streich verbirgt sich weit mehr, so dass er auf verschiedene Arten und durchaus von mehreren Generationen gelesen werden kann. Die märchenhafte Story, die Fantasie-Gestalten wie schreckliche Kobolde und gefährliche Menschenfresser beherbergt, enthält eine Reihe mythologischer Anspielungen, so Verweise auf Artus und seine Tafelrunde und die Rolle des Fährmanns, der in der griechischen Sagenwelt als Charon in seinem Kahn die Toten über das Wasser setzt. Er gibt dem Roman an seinem Ende eine sehr melancholische Note, denn Axl und Beatrice treffen auf den Fährmann. Der Nebel des Vergessens hat dabei nicht nur Einfluss auf die Länder und Völker, die einstige Schlachten und Gräueltaten des Feindes vergessen haben, so dass Rache und Vergeltung keine weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen und damit einen Teufelskreis der Gewalt anschüren könnten, es vielmehr Frieden herrscht. Doch zu welchem Preis? Das ist eine Frage, die vor allem das letzte Drittel des Romans beherrscht. Denn neben den Völkern verlieren auch die Menschen ihre Vergangenheit. Denn ohne Erinnerungen fehlt das Bewusstsein um die eigene Herkunft, das eigene Schaffen, die eigene Rolle in der Gemeinschaft. Nach und nach kristallisiert es sich heraus, das Axl, Wistan und Gawain sich bereits aus der Vergangenheit kennen und dass es in der Beziehung des Ehepaars trotz ihrer innigen Liebe und Vertrautheit auch Krisen und Schicksalsschläge gegeben hat. Nach “Alles, was wir geben mussten” hat Ishiguro erneut ein sehr brisantes Thema verarbeitet. Während er in seinem Roman aus dem Jahr 2005 das Klonen in den Mittelpunkt rückt, geht es in seinem aktuellen Werk um die Frage nach der Bedeutung der Erinnerungen. Das Verarbeiten der Vergangenheit, eine angemessene Erinnerungskultur ist regelmäßig Teil des gesellschaftlichen Diskurs – in Deutschland angesichts der Verbrechen des Dritten Reiches wohl etwas mehr als in anderen Ländern, wo das Mahnen an das Leid anderer Völker oder der eigenen Bevölkerung unterdrückt wird beziehungsweise erst an seinem Anfang steht. Ein Blick in Geschichtsbücher oder auf aktuelle Krisenherden zeig, dass Rache die Spirale der Gewalt stets und ständig in Gang setzt. Aber sind dafür die Erinnerungen verantwortlich oder vielmehr das Vergessen an die eigenen Verbrechen und damit die eigene Schuld? Man möchte jedem Staatsmann diesen, im Übrigen auch sehr schön gestalteten Roman in die Hand drücken. Obwohl: Es bedarf wiederum großer Hoffnung, dass Literatur die große Weltgeschichte beeinflussen, ja zum Positiven verändern kann. Ihr fällt womöglich lediglich die Aufgabe zu, Historie und einstige Geschehnisse zu hinterfragen und zu mahnen. Und das kann “Der begrabene Riese” auf beeindruckende, berührende und wohl einmalige Weise.

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Viele Jahre sind vergangen, seit der legendäre König Artus Britannien befriedet und geeint hat, und noch viele mehr, seit die Römer das Land seinem Schicksal überlassen hatten. Britannien verfällt mehr und mehr in Unwissenheit und Nebel. Ein in die Jahre gekommenes Paar, Axl und Beatrice, lebt wie unzählige andere in ärmlichen Umständen in einem kleinen Dorf. Beide sind sie mehr und mehr beunruhigt durch ihre Vergesslichkeit, eine, die jedoch nicht mit ihrem Alter zusammen hängt. Auch die Jüngsten in ihrem Dorf vergessen alsbald die Ereignisse der letzten Stunden und Minuten, die Erinnerungen an ganze Leben verschwinden unbemerkt. Doch von Zeit zu Zeit haben sowohl Axl als auch Beatrice lichte Momente, in denen sie sich kurz an Bruchstücke ihrer verlorenen Vergangenheit erinnern. Ihr Sohn - wo war noch gleich ihr Sohn? Sie sollten ihn besuchen, die Reise zu ihm haben sie schon viel zu lange aufgeschoben. Beschwerlich wird sie werden, diese Reise, voller natürlicher wie übernatürlicher Gefahren. Ungewollt nähern sie sich der dunklen Wahrheit über den Nebel des Vergessens, welcher ganz Britannien in seinen Fängen hält - einer Wahrheit, die nicht nur ihre eigene Liebe auf die Probe stellen wird. (...) Unvorhersehbar und voller kleiner Wunder steckt dieser wunderbare, vielschichtige Roman, den sich alle Liebhaber von Historischem und Mythologischem nicht entgehen lassen sollten. (Die komplette Rezension findet sich auf meinem Blog!)

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Im Vorfeld zu meinem Besuch von Kazuo Ishiguros Lesung beim internationalen literaturfestival berlin hatte ich bereits sein neues Buch Der begrabene Riese gelesen, damit ich auch weiß, worüber geredet wird :) Vor Erscheinen wurde schon viel über den lange erwarteten neuen Roman von Ishiguro diskutiert. Denn dieser Roman ist wohl so ganz anders als die Romane, die Ishiguro zuvor veröffentlicht hatte. Ich muss zugeben, dass ich es noch nicht geschafft habe, ein anderes Buch von ihm zu lesen, will das aber dringend nachholen. Die öffentliche Diskussion hatte mich definitiv neugierig gemacht auf den Riesen. Warum geht es also? Kazuo Ishiguro nimmt uns mit nach Britannien im 5. Jahrhundert. Das Land ist geplagt und ausgebeutet durch die Kämpfe zwischen den Briten und den Angelsachsen. In diesem Setting leben Axl und seine Frau Beatrice, ein älteres Ehepaar, in einem kleinen Dorf. Dort sind sie allerdings ziemlich Außenseiter, werden nicht richtig anerkannt und bekommen von der Dorfgemeinschaft nicht einmal eine Kerze ausgehändigt, um Nachts Licht in ihrer Kammer zu haben. Warum das so ist? Das weiß niemand so genau. Wie lange Beatrice und Axl da leben? Weiß man auch nicht. Und wie ihre persönliche Geschichte ist? Noch viel weniger. Denn irgendwie scheint über alle Menschen der Schleier des Vergessen zu hängen und Schuld daran ist der mysteriöse Nebel, der über dem ganzen Land wabert. Die beiden Alten beschließen eines Tage los zu gehen und ihren Sohn, der in einem anderen Dorf leben soll, zu besuchen. Sie haben die Hoffnung, dass sie dort vielleicht mehr willkommen sind, als in ihrem eigenen Heim. Auf ihrem Weg stoßen sie jedoch auf einige Hindernisse und treffen auf interessante Persönlichkeiten, wie den alten Ritter Gawain, der noch von Königs Artus den Auftrag bekommen hat die Drachin Querig zu töten, deren Atem Quelle des Nebel des Vergessens ist. Den gleichen Auftrag hat aber auch der sächsische Krieger Wistan. Wird es den beiden gelingen, die Drachin niederzustrecken? Finden die beiden Alten zurück zu ihrem Sohn? Und was hat es mit dem Jungen Edwin auf sich, der von Wistan gerettet wird und angeblich von einem Drachen gebissen wurde? Vor allem geht es bei dieser mittelalterlichen Aventüre aber um eine viel wichtigere Frage: Gibt es eine kollektive Erinnerung einer Nation? Und ist es vielleicht manchmal besser Vergangenes zu vergessen, hinter sich zu lassen und neu zu beginnen? Oder sollte man sich dieser Dinge immer bewusst sein? Ist Vergessen - egal ob gesellschaftlich oder persönlich - eine sinnvolle oder vielleicht sogar notwendige Option um für Frieden zu sorgen? Oder sollen diese Erinnerungen immer omnipresent sein, damit man aus ihnen lernt, sich ihrer bewusst ist und dementsprechende Maßnahmen ergreift? Und wenn man alles vergisst, wie lange geht das gut? Warum Kazuo Ishiguro diese Idee in ein mittelalterliches Setting Gesetzt hat? Gute Frage! Die Welt vermutet kürzlich, dass Ishiguro "jetzt einen auf Game of Thrones macht" (Den Artikel findet ihr hier: Klick). Das hat Kazuo Ishiguro bei seiner Lesung aber gleich abgestritten. Er kennt auch weder die Fernsehserie noch die Buchreihe von G.R.R. Martin. Er selbst berichtete auf dem internationalen literaturfestival, dass er die Geschichte in jedem Setting hätte schreiben können. Es gab sogar eine Vorversion des Romans, in einer noch archaischeren Sprache. Da hatte seine Frau - laut Ishiguro seine kritischste Leserin - aber ein Machtwort eingelegt und gesagt, dass dies so nicht gehen würde. Sie fand die Idee gut, aber die Sprache ganz schrecklich. Also musste der Autor noch einmal ran ans Papier und hat die Geschichte überarbeitet. Das Setting ist dabei gleich geblieben, nur die Sprache hat er für uns Leser etwas vereinfacht. Ich fand die Idee hinter Kazuo Ishiguros Buch wirklich total spannend. Ich mochte auch das mittelalterliche Setting und die mystische Geschichte um den Drachen sehr gerne. Denn ein bisschen "Fantasy" darf ab und zu bei mir schon mal sein. Allerdings muss ich zugeben, dass die Geschichte hier und da auch schon einige Längen hatte, die sich wirklich sehr gezogen haben. Besonders in den Gesprächen zwischen Axl und Beatrice, die sich ja an nichts erinnern können, hatte ich oft das Gefühl, dass sich alles Gesagte eh wieder nur im Kreis drehen würde. Mich hat es auch etwas gestört, dass Axl Beatrice wirklich ausnahmslos mit "Prinzessin" angesprochen hat... aber das ist natürlich eine sehr subjektive Auffassung, und dieser "Schönheitsfehler" fällt einem anderen Leser vielleicht gar nicht wirklich auf. Insgesamt fand ich das Buch schon gut, auch wenn ich nicht in Jubelstürme ausgebrochen bin nach der Lektüre. Aber ich will definitv noch mehr Romane von Kazuo Ishiguro lesen.

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