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Rezensionen zu
Eine Odyssee

Daniel Mendelsohn

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€ 26,00 [D] inkl. MwSt. | € 26,80 [A] | CHF 35,50* (* empf. VK-Preis)

Ein Buch voller Weisheiten und tiefgründiger Aussagen, das einen zum Nachdenken bringen kann und dabei immer wieder Parallelen zum weltbekannten Epos von Homer aufzeigt.

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Als ich zum ersten Mal »Eine Odyssee. Mein Vater, ein Epos und ich« von Daniel Mendelsohn in meinen Händen hielt, glaubte ich ungefähr zu wissen, was auf mich zukommen würde. Ich habe zwar die „Original“ - »Odyssee« von Homer nicht gelesen, nichtsdestotrotz habe ich vor einigen Jahren den Film »Die Fahrten des Odysseus« mit Kirk Douglas gesehen und erst vor kurzem das Videospiel »Assassin’s Creed Odyssey« beendet, die ebenfalls Homers Epos aufgreifen. So war ich erstaunt, dass Mendelsohns Buch viel mehr als nur eine weitere Interpretation von Homers Werk ist, denn es hat meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Zu Beginn lernt man die beiden Protagonisten Daniel und seinen Vater Jay Mendelsohn kennen. Schnell wird klar, dass Vater und Sohn nicht besonders gut miteinander auskommen und dass sie diesbezüglich einiges nachholen müssen. Als Jay beschließt an einem Uni-Kurs seines Sohnes teilzunehmen, lässt er keine Gelegenheit aus, Daniel zu kritisieren. Und Jay macht es Daniel wirklich nicht leicht, obwohl er sein Sohn ist. Diese schwierige Vater-Sohn-Beziehung ist eins der Schwerpunkte des Buches. Zwischendurch bezieht sich der Autor auf Homers »Odyssee«, die er sogar für Leute wie mich, die die „Original-Geschichte“ nicht kennen, verständlich herüberbringt. Er schafft es sogar, mein aufrichtiges Interesse dafür zu wecken, weshalb es nun auf meiner Wunschliste steht. „Manche Geschichten brauchen einfach ihre Zeit.“ – Zitat (Seite 214) Doch wer denkt, dass hier Homers »Odyssee« nacherzählt wird, irrt sich gewaltig. Die vielen Diskussionen um das Epos werden von persönlichen Geschichten sowohl aus Daniels als auch aus Jays Leben abgerundet. Dieser Aspekt macht den Inhalt lebendig und verflechtet ihn im Laufe der Geschichte immer mehr mit Homers Werk. Die scharfsinnigen und diskussionsreichen Dialoge sind mit der richtigen Portion Humor ausgeschmückt, sodass zu keinem Zeitpunkt Langeweile auftritt. Fazit Man lernt nicht nur viel über Homers »Odyssee«, sondern auch über Väter und deren Söhne. Ich denke, Mendelsohns Buch kann gelesen werden auch, ohne Homers Werk zu kennen (so wie ich), aber ich könnte mir trotzdem vorstellen, dass das Buch noch mehr Spaß machen würde, wenn man die „Original“ - »Odyssee« bereits kennt.

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„Die Odyssee selbst bewegt sich durch die Zeit in der gleichen gewundenen Weise, wie sich Odysseus durch den Raum bewegt.“ Wie die beiden zuvor besprochenen Bücher handelt es sich auch bei „Eine Odyssee“ von Daniel Mendelsohn um ein Vaterbuch. „Mein Vater, ein Epos und ich“, so der Untertitel, wurde jedoch nicht von mir gewählt, sondern von unserem Literaturkreis. Bereut habe ich es nicht, was ich nicht von jeder unserer Lektüren behaupten kann. Nicht nur mir, auch den anderen Teilnehmern, zumindest den Anwesenden, hat Mendelsohns „Odyssee“ sehr gut gefallen. Vordergründig erzählt der Altphilologe und Uni-Dozent Daniel Mendelsohn von einem Odyssee-Seminar und dem Wunsch seines Vaters Jay daran teilzunehmen. Im Laufe der Geschichte wird das Seminar für Vater und Sohn zum Anlass und Vehikel über Gemeinsames nachzudenken. Mit dem Epos als Schatzkarte gräbt Mendelsohn in der Vergangenheit und bringt Geschichten zu Tage, die er mit den Ereignissen der Odyssee in Verbindung bringt. Schon beim Aufbau seines Buchs dient ihm das Epos als Vorbild. Wie in diesem und anderen Epen der Antike steht zu Beginn das Proömium, welches die wichtigsten Ereignisse der nachfolgenden Handlung vorausschauend benennt. Wir erfahren von Mendelsohns Uni-Seminar, der Teilnahme des Vaters, dessen Weigerung Odysseus als Held zu betrachten, hören von dem aus einem Türblatt gebauten Bett, der Kreuzfahrt auf Odysseus' Spuren, die ausgerechnet um Ithaka einen Bogen macht, schließlich vom Sturz des Vaters, der letztendlich zu dessen Tod führt. Wenn man dies alles bereits zu Beginn erfährt, sollte man dann überhaupt noch die restlichen Seiten lesen? Unbedingt! Schließlich will man erfahren, wie dies alles geschieht und vor allem, wie es erzählt wird. Dies gilt für Mendelsohns „Odyssee“ und erst recht für das Original, dessen kunstvolle Erzählkonstruktion Mendelsohn nicht minder kunstvoll adaptiert. Es handelt sich um die Ringkomposition, eine in der antiken griechischen Literatur gepflegten Erzähltechnik. Eine Erzählung beginnt, schweift, um etwas zu erklären, auf eine zurückliegende Episode ab, wählt einen weiteren Umweg und vielleicht noch einen, um schließlich wieder zur eigentlichen Geschichte zurück zu kehren. Solche Assoziationsspiralen kennen wir aus dem Alltag, sie unterlaufen beim mündlichen Erzählen und führen bisweilen „vom Hölzchen aufs Stöckchen“. Mendelsohn hingegen kriegt immer die Kurve, er beherrscht dieses Konstruktionsprinzip perfekt. In diesen Kurven führt er uns durch sein Buch. Seine „Telemachie“ beispielsweise beginnt mit der Kindheitserinnerung des Vaters an den Lateinunterricht, greift dann mit einer Kreuzfahrt-Episode Künftiges vor, schwenkt auf ein weit zurückliegendes Gespräch, um erneut in der Vergangenheit des Vaters zu landen, die den Erzähler an Telemachos‘ Erstaunen über Menelaos‘ Palast erinnert, und mit einem erneuten Einschub führt sie schließlich wieder zum Lateinlehrer des Vaters. Doch die Leserin folgt nicht nur diesem Geflecht, das in der Analyse komplizierter klingt, als es zu lesen ist, sie sitzt auch im Seminar. Dort hört sie von den Ereignissen des Epos, folgt den Interpretationen des Dozenten und den Diskussionen mit den Studenten. Geschickt bindet Mendelsohn dabei Philologisches ein. Die verschiedenen Theorien zur Entstehung des Epos, aus einem Guss oder ein Konglomerat, fehlen ebenso wenig wie die Fragen zur Identität seines Verfassers, war Homer einer oder viele. Es wird ein wenig konjugiert, sogar eine Seite in altgriechischer Schrift fehlt nicht. Erhellend sind Mendelsohns Wortanalysen. Wer weiß schon, daß Odysseus‘ schlaue Wahl des Namens „Niemand“, die ihn aus der Kyklopen-Höhle entkommen lässt, im Original durch doppelte Doppeldeutigkeit an Raffinesse übertroffen wird? Die Diskussionen mit den Studenten, unter denen Vater Jay als besonders kritisch hervortritt, verlaufen anders als es Dozent Mendelsohn plant. Es tauchen unerwartete Fragen auf. Ist Odysseus ein Held, wenn er unablässig die Hilfe der Götter erhält? Hofft Telemachos unbewusst auf den Tod seines Vaters? Und sind all‘ die Abenteuer, die Odysseus den Phaiaken berichtet, nichts anderes als Lügengeschichten? Gerade die letzte Frage erzeugt beim Blick auf das stete Hin- und Herschwenken zwischen den Erzählebenen, eine Frage an Mendelsohns „Odyssee“. Ist die Geschichte, die der Autor uns von einem Reisebegleiter der Kreuzfahrt berichtet, nicht auch eine erfundene? „Niemand wird dir glauben“, lautet jedenfalls Jays Prophezeiung. Die Erfahrungen im Seminar stellen Mendelsohns Herangehensweise an das Epos ebenso in Frage, wie seine Sicht auf den Vater. So wie seine Studenten ihm neue Blickweisen auf die Odyssee vermitteln, lehrt die Odyssee ihn neue Facetten des Vaters. Diese werden während der Kreuzfahrt ganz real greifbar. Bisweilen werden die alten Konflikte zwischen Vater und Sohn ein wenig melodramatisch geklärt. Dies sei meine einzige Kritik an dem Buch, das für mich tatsächlich die Entdeckung des Jahres ist. Es motivierte mich, die Odyssee zu hören, einen meiner Literaturkreis-Kollegen sogar seine Ehe auf Homophrosyne abzuklopfen. So wird Daniel Mendelsohn, indem er in seiner „Odyssee“ von Vätern und Söhnen, von Lehrern und Schülern erzählt, auf unterhaltsame Weise zum Lehrer seiner Leser.

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Sehr mitreißend

Von: Lea

04.11.2019

Eine sehr spannende Geschichte von Vater und Sohn, die parallel zu dem Epos erzählt wird und einige Gemeinsamkeiten aufzeigen. Der Schreibstil war zu Beginn etwas ungewohnt, aber man findet schnell in die Geschichte rein. Normalerweise lese ich Bücher dieser Art nicht, aber die Erzählungen wie Daniel Mendelsohn und sein Vater wieder annähern, hat mich sehr mitgerissen und überrascht. Außerdem habe ich einige Weisheiten aus dem Buch mitgenommen.

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„Eine Odyssee. Mein Vater, ein Epos und ich“ von Daniel Mandelsohn erhält von mir 4,5 von 5 Herzen. Eine fesselnde Reise mit Odysseus, der nach dem Trojanischen Krieg nach Hause zurückkehren will, und eine berührende autobiografische Vater-Sohn-Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Daniel Mendelsohn hat mich mit seinem Werk verzaubert! Beeindruckender Schreibstil; sachlich, aber auch emotional; zwei liebenswerte Persönlichkeiten und ein weltbekannter Epos, den ich jetzt detailliert kennengelernt habe! Ich bin begeistert! Eine absolute Leseempfehlung von mir! Sosehr die Odyssee eine Geschichte von Mann und Frau ist, sie ist auch, ja vielleicht noch mehr, eine Geschichte von Vätern und Söhnen. - S. 34 Story ♥♥♥♥,♥/5 Charaktere ♥♥♥♥♥/5 Gefühle ♥♥♥♥♥/5 Spannung ♥♥♥♥/5 Schreibstil ♥♥♥♥♥/5 Ende ♥♥♥♥/5 „Eine Odyssee. Mein Vater, ein Epos und ich“ war zunächst ein Leseprojekt, mich näher mit dem Epos "Odyssee" von Homer auseinanderzusetzen. Doch aus dem Leseprojekt, die die Odysseus-Bildungslücke schließen sollte, wurde schnell viel mehr. Der Autor und Ich-Erzähler, Daniel Mendelsohn, hat mich mit seinem literarischen Werk verzaubert! Nach dem Lesen fühle ich mich einerseits in Bezug auf die Sachgeschichte schlauer, aufgeklärter und bin weiterhin sehr interessiert, aber das eigentliche Highlight des Buches ist die autobiografische Erzählung der Vater-Sohn-Beziehung, die mich über alle Maßen in den Bann gezogen hat: Aufwühlend, ehrfürchtig, wertvoll, liebenswert und facettenreich. Ich fühle mich schon ein bisschen geehrt, dass ich das persönliche Verhältnis zwischen zwei Menschen wie Daniel und Jay Mendelsohn kennenlernen durfte. Der Autor geht äußerst gewitzt vor, zwei Aspekte des Buches zu vereinen: Einerseits die Handlung und Interpretationen von Homers Epos „Odyssee“ und andererseits das emotionale Verhältnis des Autors zu seinem Vater. Da die „Odyssee“ selbst das komplexe Verhältnis zwischen dem Held Odysseus und seinem Sohn Telemachos behandelt, nutzt der Autor diese Chance, um seine Beziehung zu seinem Vater zu schildern und zu analysieren. Eine interessante Erzählweise! Der Autor und Ich-Erzähler Daniel Mendelsohn nimmt seinen 81-jährigen Vater Jay Mendelsohn bisher als strengen, hochgelehrten, distanzierten und kultivierten Menschen wahr, dem es schwerfällt, enge soziale Bindungen aufzubauen, Gefühle zu zeigen und über Probleme zu reden. Sprich: Die Beziehung zu seinem Vater ist in einigen Gesichtspunkten problematisch und umso überraschter ist Daniel, als sein Vater, zu dem er aufblickt, sein Seminar über die „Odyssee“ besuchen möchte. Zweifel, Unwohlsein, Skepsis. Doch der Seminar-Besuch und die gemeinsame Auseinandersetzung mit Homers Werk „Odyssee“ eröffnet beiden Männern eine Chance, sich intensiver kennenzulernen und Gefühle einzugestehen. Eine äußerst emotionale autobiografische Vater-Sohn-Geschichte mit herzergreifenden und fesselnden Erinnerungen; interessanten Aspekten, die zum Nachdenken anregen und weisen Erkenntnissen, die ich mit auf dem Weg nehme. Des Weiteren hat es der Autor geschafft, mich äußerst neugierig auf die deutsche Übersetzung des Primärtextes „Odyssee“ von Homer zu machen, die ich mir jetzt zulegen möchte. Der Autor hat mich nicht nur die einzelnen bedeutsamen Etappen der jahrelangen Irrfahrt des mythischen Helden Odysseus, der nach dem Trojanischen Krieg in die Heimat zurückkehren will, gelehrt. Ich weiß nun, wie das weltbekannte Epos in seiner Struktur aufgebaut ist, habe das Konzept der Ringkomposition kennengelernt, bin mit verschiedenen Interpretationsansätze in Berührung gekommen, meinen Wortschatz erweitert, andere Epen wie „Ilias“ kennengelernt und weiß jetzt schlussendlich, worum es geht, wenn Jemand aus meinem Bekanntenkreis das Synonym „Odyssee“ gebraucht. Der Schreibstil von Daniel Mendelsohn ist auf der einen Seite sachlich, auf der anderen Seite gefühlsbetont, malerisch, fesselnd und insgesamt mit dieser Mischung sehr angenehm. Mich hat vor allem begeistert, dass der Autor die Erzähltechnik von Homer übernommen hat. „Es bringt zum Ausdruck, dass bestimmte Geschichten am besten nicht geradeaus erzählt werden, sondern in ausladenden […] Zirkelbewegungen“ (S. 45). Wir springen mit dem Autor von Episode zu Episode, um vor allem den Vater Jay Mendelsohn näher kennenzulernen, Beweggründe zu verstehen und die schnelle positive fortschreitende Entwicklung der Beziehung zu erkennen. Ich bin beeindruckt und konnte das Buch kaum aus den Händen legen.

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Wer gerne zügig von A nach B kommt, sollte dieses Buch nicht lesen. Es empfiehlt sich zudem, das Original von Homer greifbar zu haben – oder zumindest in Erinnerung. Denn die Lektüre von Daniel Mendelsohns Homer-Interpretation samt Familiengeschichte „Eine Odyssee – mein Vater, ein Epos und ich“ verlangt vor allem eins: Geduld. Das Foto zum Beispiel habe ich im Mai gemacht – da dachte ich noch, in spätestens einer Woche einen Beitrag posten zu können… am Ende habe ich gut zwei Monate gebraucht. Zum Glück, um das schon vorweg zu nehmen, denn das Buch entfaltet sehr allmählich seinen Zauber. Wer zu schnell durch ist, mag einen entscheidenden Teil verpassen. Denn alles, was uns in dem Buch von Mendelsohn lesetechnisch begegnet – endlose Abschweifungen, merkwürdiges Mäandern durch die Zeit, kleine Anekdoten, die Begegnung mit viel mehr Menschen, als man sich merken kann oder will, viel verstecktes Gefühl, Unausgesprochenes, das sich erst im Laufe der Zeit als ein wesentliches, scheinbar immer fehlendes Puzzle-Teil entpuppt, Beziehungen, die sich über die Generationen ziehen – alles weist direkt auf das Verständnis von Homers Epos. Und wer das als „aufgebläht“ empfindet (und es gab für mich tatsächlich solche Momente, in denen ich ein paar Seiten lieber hätte überspringen wollen), mag auch mit der Original-Odyssee seine Schwierigkeiten haben. Denn auch hier (oder gerade hier) geht es ums pure Erzählen, nicht aber um die Story, den eigentlichen Plot. Selbst wenn man das von einer Helden-Saga erwarten möchte. Bei beiden ist die Handlung schnell erzählt. Aristoteles schreibt schon vor mehr als 2.000 Jahren eine Zusammenfassung der Odyssee, die jede/n potentielle/n Teilnehmer/in von Monty Pythons „Summarize Proust Challenge“ vor Neid erblassen lässt: „Ein Mann weilt viele Jahre in der Fremde, wird ständig von Poseidon überwacht und ist ganz allein; bei ihm zu Hause steht es so, dass Freier seinen Besitz verzehren und sich gegen seinen Sohn verschwören. Nach überstandener stürmischer Reise kehrt er zurück und gibt sich zu erkennen, vernichtet seine Feinde und ist gerettet.“ Bei Mendelsohn geht es noch schneller: Ein Sohn gibt ein Uni-Seminar über Homers Odyssee, sein pensionierter Vater nimmt an dem Seminar teil, gemeinsam machen beide darauf eine 10-tägige Kreuzfahrt in der Ägäis, auf den Spuren Odysseus‘. Was ist die Geschichte eines Menschen im endlos scheinenden Fluss der Zeit? Wie ist er oder sie in die Generationen eingebunden? Wer kann er oder sie ohne die Familien sein? Was geht in einem Menschenleben, was nicht? Ist alles Wiederholung? Wer kann ausbrechen und wohin? Muss ich mich an meinem Vater, an meiner Mutter messen? Bleibt der Sohn eines Helden auf immer ein Looser? Und überhaupt: Was bitteschön ist überhaupt ein Held? – Die Fragen sind zeitlos und drehen sich vermeintlich im Kreis. Auch die Fragen: was bedeutet erzählen? Was ist sagbar (und wie), was lässt sich nur zwischen den Zeilen verteilen? Wie weit kann ich die Erwartungen meines Publikums enttäuschen? Wie schreibe ich nicht elitär, ohne mich darum zu kümmern, ob alle wirklich alles verstehen? – Indem wir Daniel Mendelssohn, einem klugen, zeitgenössischen Alt-Philologen folgen, verstehen wir, dass antike Literatur nichts, aber auch gar nichts Verstaubtes an sich haben muss. Die Fragen sind nämlich längst noch nicht beantwortet, oder besser: Sie beantworten sich für Epochen und Generationen immer wieder aufs Neue. Auch so eine Frage, warum es nach wie vor für Kinder Sinn macht, Latein zu lernen, wird hier anders als verstaubt beantwortet – eine Frage übrigens, die schon John Locke stellte, und die mit der Begründung der Altphilologie als Wissenschaft gekontert wurde. Am Schluss hatte ich öfters Tränen in den Augen. Obwohl ich nichts davon bemerkt hatte, war mir die Familie Mendelsohn ans Herz gewachsen. Wahrscheinlich auch, weil ich bei ihnen – oder in der Erzählung über sie – viel aus meiner eigenen Familie wiederfand, Vergessenes, Unsagbares, aber auch viel Komisches. Ob übrigens Helden weinen sollen oder dürfen, gehört zu den Fragen, die ebenfalls kontrovers – v.a. kontrovers zwischen den Generationen – erörtert werden. Ein Fazit: Es gibt mehr Helden, als wir gemeinhin denken. Ein anderes: Letztlich weiß man nie, wohin Erzählungen führen. Deshalb sollte man vor allem nie aufhören, damit weiter zu machen. Daniel Mendelsohn, Eine Odyssee – Mein Vater, ein Epos und ich, München, Siedler Verlag 2019. Ich danke Random-House für das Rezensionsexemplar.

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Es kommt überraschend für den Altphilologen Daniel Mendelsohn, als sich sein 81-jähriger Vater Jay entschließt, an seinem College-Seminar über Homers Odyssee teilzunehmen. Ein Entschluss, der Vater und Sohn unerwartet nahe zusammenführt. Die beiden verbringen eine sehr intensive Zeit miteinander, gehen sogar zusammen auf eine Mittelmeerkreuzfahrt auf Odysseus‘ Spuren. Daniel Mendelsohn erzählt von dieser Zeit. Es ist eine sehr berührende und emotionale Geschichte. "Eine Odyssee: Mein Vater, ein Epos und ich“ ist kein Roman und keine Biografie, der Verlag nennt das Buch ein „erzählendes Sachbuch“. Dabei verwebt Daniel Mendelsohn die Geschichte seines Vaters Jay sowie seine eigene Lebensgeschichte mit sprachwissenschaftlichen Überlegungen zu Homers Epos. Die Odyssee, eine 3000 Jahre alte Geschichte, die von Familie, Identität, Herkunft und Heldentum erzählt, als Auslöser für eine Reise zu den eigenen Wurzeln. Das hört sich zunächst etwas herausfordernd an. Aber Daniel Mendelsohn bleibt bei allen wissenschaftlichen Interpretationen und Analysen des umfangreichen Klassikers der griechischen Antike in Sprache und Stil auf einer absolut gut verständlichen Ebene. Odysseus‘ Sohn Telemach kennt den eigenen Vater nicht, das unterscheidet ihn wohl von Daniel. Doch auch der Autor lernt den Vater am Ende seiner Tage auf eine ganz neue Weise kennen. Gegen Ende des Buches verstärkt sich die Verbundenheit von Vater und Sohn zunehmend, fast so als ob der Autor den wissenschaftlichen Teil ein klein wenig als Vorwand benutzt hätte, ein zutiefst emotionales Buch über seinen Vater schreiben zu können. „Das Gedicht ist realer!“, sagt Jay zu Daniel während der Kreuzfahrt. Große Literatur und das Leben an sich, da ist oft nicht viel dazwischen!

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Daniel Mendelsohn, geboren 1960 auf Long Island, ist Journalist, Autor, Kritiker und Übersetzer und ein in den USA sehr geschätzter Intellektueller. Mir war er bislang nicht bekannt. Ein ganz großes Versäumnis, wie mir bei der Lektüre von „Eine Odyssee. Mein Vater, ein Epos und ich“ klar wurde. Beinahe hätte ich auch dieses Buch verpasst, denn die griechischen Sagen und Mythen konnten mich bisher nicht sonderlich begeistern und die Philologie Alter Sprachen habe ich nach dem Latinum ad acta gelegt. Natürlich kennt man grob die Stücke der drei großen Dichter der griechischen Tragödie, Aischylos, Sophokles und Euripides, und Homer ist mit der Ilias und der Odyssee in den Bildungskanon eingebrannt. Mir waren die Verwicklungen der Götter, Halbgötter und Sterblichen aber immer zu verworren, rachsüchtig und blutig, um mich wirklich damit beschäftigen zu wollen. Daniel Mendelsohn, der an der University of Virginia und in Princeton klassische Philologie studiert hat und auch selbst unterrichtet, hat die Odyssee nun als Gerüst für eine wunderbare, anrührende Vater-Sohn-Geschichte verwendet. 2010 bittet ihn sein 81jähriger Vater Jay, an seinem Odyssee-Seminar teilnehmen zu dürfen, dass Mendelsohn am Bard College hält. Der äußerst rüstige Alte nimmt jeden Donnerstag eine mehrstündige zunächst Auto-, dann Zugfahrt auf sich, um unter den jungen Studenten seinem Sohn zu lauschen. Doch nicht nur zu lauschen, wie zunächst versprochen. Jay ist eigensinnig genug, um Daniel mit seinen klugen, oft widerspenstigen Fragen zu verblüffen und zeitweise in die Enge zu treiben. Warum wird Odysseus als Held gefeiert?, ist eine seiner Fragen. Stets erhält der doch die Hilfe der Götter, vorwiegend Athenes, ist nicht in der Lage, seine Männer auf der Heimfahrt zu schützen, betrügt seine Frau und ist gleichzeitig ständig am Klagen und Weinen. Weinen - das geht für einen Mann nicht, schon gar nicht für einen Helden, so Jays Meinung. Sehr zum Vergnügen und Gewinn für die Studenten, aber natürlich letztlich auch für Vater und Sohn, entspinnt sich eine lebhafte Diskussion nicht nur um das Epos, sondern über ganz grundsätzliche Fragen. Für Daniel ergibt sich ein gänzlich neuer Blick auf seinen Vater, der stets streng, ein wenig unnahbar und eher kühl, wenn auch fürsorglich war. Ein Vater-Sohn-Verhältnis wie es so viele gibt, Vater und Sohn, die eigentlich nie viel miteinander reden konnten. Und die sich nun im und um den Seminarraum näherkommen, völlig neue Seiten an sich erkennen. Besonders dass Jay von den Studenten so positiv aufgenommen wird, überrascht Daniel. Mendelsohn erzählt nun aber nicht nur die Geschichte eines (Wieder)Findens von Vater und Sohn. Er spiegelt das Ganze im griechischen Epos, denn auch dort steht ja am Beginn die Suche des Sohnes Telemachos nach seinem Vater Odysseus. Der König von Ithaka war einst nach Troja aufgebrochen, um dort an der Seite der Griechen zu kämpfen. Er zeichnete sich vor allem durch seine Listigkeit aus (Trojanisches Pferd). In der Ilias erzählt Homer von den Kriegshandlungen. Fast berühmter geworden ist aber die Sage um seine ereignis- und wendungsreiche Heimfahrt, die zehn Jahre dauerte, so dass Odysseus insgesamt zwanzig Jahre fern der Heimat war. Die Heimkehr nach Ithaka und zu seiner Frau Penelope, war aber stets sein ersehntes Ziel. So wie Telemachos seinen Vater Odysseus sucht und schließlich auch findet, so finden auch Daniel und Jay auf neue Art zueinander. Erinnerungen an die Kindheit, seine Eltern, die Familie tauchen auf, verflechten sich. Zudem werden Fragen nach Identität, nach dem wahren Ich, danach, wie gut man einen Menschen, und sei es er Vater überhaupt kennen kann, gestellt. Auch Leser*innen, die wie ich nur sehr rudimentäre Kenntnisse der Handlung haben, wird die Dichtung auf wunderbar leichte, einleuchtende und unterhaltsame Weise nacherzählt und näher gebracht. Das gelingt auch daher sehr gut, weil Mendelsohn die thematische Strukturierung seines Seminars nutzt und die Diskussion der Studenten und natürlich seines Vaters einbindet. Familiengeschichte und Textanalyse in einem also. Aber damit nicht genug. Nach Ende des Seminars machen sich Daniel und Jay auf zu einer Kreuzfahrt „Auf den Spuren des Odysseus“. Der Bericht über diese Reise durch die Ägäis ist vielleicht der schönste Teil eines schönen Buchs. Der vermutete Standort Trojas in der Türkei, die Grotte der Kalypso und der Eingang des Hades auf den Campi Flegrei sind u.a. die Ziele. Nur Ithaka, den letzten Hafen erreichen sie ironischerweise wegen eines Streikes nicht. Hervorragend komponiert, angelehnt an die Ringkomposition der Odyssee, elegant geschrieben und äußerst klug, geistreich und anregend, ist Mendelsohns „Odyssee“ eines schönsten Bücher, die ich in diesem Jahr bisher gelesen habe. Ich hoffe sehr, dass nach den vielen positiven Stimmen vielleicht zu einer Neuauflage seines vergriffenen und leider auch antiquarisch nicht mehr zu bekommenden „Die Verlorenen: Eine Suche nach sechs von sechs Millionen“, der Spurensuche nach seinem im Holocaust ermordeten Großonkels, führen könnte.

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