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Rezensionen zu
HERKUNFT

Saša Stanišić

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Woher kommst du eigentlich? - manchmal kann und will man diese Frage nicht in einem Satz beantworten. Saša Stanišić nutzt seinen Roman um von seiner vielschichtigen Herkunft zu berichten. . Darum geht’s: HERKUNFT ist ein Buch über den ersten Zufall unserer Biografie: irgendwo geboren werden. Und was danach kommt. HERKUNFT ist ein Buch über meine Heimaten, in der Erinnerung und der Erfindung. Ein Buch über Sprache, Schwarzarbeit, die Stafette der Jugend und viele Sommer. Den Sommer, als mein Großvater meiner Großmutter beim Tanzen derart auf den Fuß trat, dass ich beinahe nie geboren worden wäre. Den Sommer, als ich fast ertrank. Den Sommer, in dem Angela Merkel die Grenzen öffnen ließ und der dem Sommer ähnlich war, als ich über viele Grenzen nach Deutschland floh. HERKUNFT ist ein Abschied von meiner dementen Großmutter. Während ich Erinnerungen sammle, verliert sie ihre. HERKUNFT ist traurig, weil Herkunft für mich zu tun hat mit dem, das nicht mehr zu haben ist. In HERKUNFT sprechen die Toten und die Schlangen, und meine Großtante Zagorka macht sich in die Sowjetunion auf, um Kosmonautin zu werden. Diese sind auch HERKUNFT: ein Flößer, ein Bremser, eine Marxismus-Professorin, die Marx vergessen hat. Ein bosnischer Polizist, der gern bestochen werden möchte. Ein Wehrmachtssoldat, der Milch mag. Eine Grundschule für drei Schüler. Ein Nationalismus. Ein Yugo. Ein Tito. Ein Eichendorff. . Ein sehr beeindruckender Roman, der einen zum nachdenken, staunen und schmunzeln bringt. Die Frage nach der Herkunft versucht Staniśić in seinem Roman mit vielen Anekdoten, Erlebnissen und Familiengeschichten zu verdeutlichen. Sein Sprachstil ist treffend, direkt und wirklich besonders. Es zeigt einem auf, wie vielschichtig das Wort „Herkunft“ ist und das sich die Frage danach, nicht in einem Satz beantworten lässt. Nicht mit einem erhobenen Zeigefinger, sondern teils sachlich-neutral werden verschiedene Situationen geschildert. Dieses Buch regt zum nachdenken. Was bedeutet Herkunft für mich? Für andere? Besonders spannend fand ich das Eintauchen in die jugoslawische Geschichte. Viele Konflikte und Tatsachen waren für mich absolutes Neuland, da ich mich bis dato damit noch kaum beschäftigt habe. Absolut spannend. Insbesondere der letzte Teil der Geschichte hat mich begeistert - da möchte ich aber nicht zu viel verraten. Ich denke, dass das Buch für Personen geeignet ist, die anspruchsvoll-verständliche Literatur lieben und sich mit dem Begriff Herkunft hinterfragen möchten.

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Das literarische Quartett hatte mich auf das neue Buch von Saša Stanišić aufmerksam gemacht und als „Herkunft“ auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2019 stand, war meine Neugierde gänzlich da. Mittlerweile steht dieses sehr persönliche Buch des Autors auf der Shortlist. Am 14.10.2019 wird der Gewinner bekanntgegeben und das Zittern hat ein endlich ein Ende. Die Geschichte begann mit dem Schwinden von Erinnerungen und mit einem bald verschwundenen Dorf. Sie begann in Gegenwart der Toten: Am Grab meiner Urgroßeltern trank ich Schnaps und aß Ananas. – S. 30 In „Herkunft“ erzählt der Autor Saša Stanišić auf einer humorvollen, aber auch ergreifenden Art und Weise, wie er zu dem Begriff „Herkunft“ steht. Ist Herkunft ein Ort? Eine Person? Ein Gefühl? Eine Erinnerung? Ein Gegenstand? Dabei verweist er sowohl auf Passagen aus seiner Jugend, stellt seine Verwandtschaft vor und philosophiert über die Bedeutung von Herkunft. Seine Schilderungen sind deshalb so interessant, weil Sašas Familie - im Gegensatz zu meiner - einen langen, oft beschwerlichen Weg der Flucht und Auswanderung hinter sich hat. Erst als Saša mit 30 Jahren für die Einwanderungsbehörde ein Formular ausfüllen muss, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, wird das Thema Herkunft ein für ihn relevanter Begriff. Der einzureichende Lebenslauf stimmt Saša nachdenklich: Wie soll er seine Heimat und Herkunft benennen? Im Verlauf des Buches nehmen wir als Leser an seinen Gedankengängen teil. Saša wuchs in einem Land auf, das es heute nicht mehr gibt: Jugoslawien. In Višegrad geboren, mit seinen Kindern in Hamburg ein trautes Heim geschaffen. Die Antwort auf die Frage ist verzwickt und nicht leicht zu beantworten. Neben der Schilderung über die eigene Kindheit, Schulzeit, den Status als Flüchtling, geht er zentral auf seine Großmutter ein, die an Demenz erkrankt ist und eine enge Beziehung zu ihm pflegt. Er schreibt über Familie und Heimat, über die Vergangenheit und Gegenwart. Wie war es früher in Jugoslawien? Warum ist seine Familie im Bosnienkrieg geflüchtet? Wer gehört überhaupt zur Familie? Wie ergeht es Saša in Deutschland? Wir tragen Häkchen im Namen. Jemand, der mich gern hatte, nannte meine mal „Schmuck“. Ich empfand sie in Deutschland oft eher als Hindernis. – S. 61 Der Schreibstil von Saša Stanišić würde ich als außergewöhnlich und ungewohnt beschreiben. Teilweise schildert er sein Leben in kurzen, präzisen, einfachen Sätzen. Diese werden dann abgelöst von langen, nachdenklichen und poetischen Reihen. Eine interessante Mischung, die zunächst sehr ungewohnt ist und mich oft stolpern lassen haben. Zudem behandelt der Autor in jedem Kapitel, die sehr kurz gehalten werden, eine prägende Situation oder eine Person in der Familie und springt gerne mal von Familienmitglied zu Familienmitglied, von Ort zu Ort, bis ich das Gefühl hatte, ihm nicht mehr folgen zu können. Die Zeitsprünge haben mir die meisten Probleme bereitet. Eine Jahreszahl folgt willkürlich nach der anderen. Schnelle Gedankengänge in kurzen Kapiteln – rasant und nüchtern. Neben den vielen beschreibenden Momenten, versieht er dem Buch auch eine humorvolle Note, die mir sehr gut gefallen hat. Pfiffige, originelle, freche Kommentare oder amüsante Metaphern. Darunter gibt es viele emotionale Szenen mit seiner Großmutter – ehrlich, verletzlich und authentisch. Es ist der 7. März 2018 in Višegrad, Bosnien und Herzegowina. Großmutter ist siebenundachtzig Jahre alt und elf Jahre alt. – S. 5

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Heimaten

Von: Frau Lehmann

21.09.2019

Deutschland ist im Aufbruch, so mein Eindruck. Wohin die Reise geht ist ungewiss. Auf der einen Seite demonstrieren unzählige Menschen für eine Wandlung im Umgang mit unserer Heimat Erde, auf der anderen Seite erhalten Parteien Zuwachs, die den Begriff "Heimat" sehr eng fassen. "Deutschland den Deutschen" ist wieder salonfähig. Sasa Stanisics Buch trifft somit den Zeitgeist. Herkunft und Zukunft, das sind Themen, die derzeit viele beschäftigen. Herkunft ist Zufall, der erste von vielen im Leben. Wo wir geboren werden, die Entscheidung liegt nicht bei uns. Stanisic ist in Jugoslawien geboren, einem Staat, den es so nicht mehr gibt. Als Kind hat er in Visegrad gelebt, seine Familie kommt aber ursprünglich väterlicherseits aus einem kleinen Bergdorf mit nur noch wenigen Einwohnern. Wie soll er nun also seine Herkunft benennen: Jugoslawien, Visegrad oder doch Oskorusa? Und was ist Heimat? Der Ort seiner Kindheit, der Herkunftsort seiner Familie, ein Land, das nicht mehr existiert oder Deutschland, wo er den Großteil seines Lebens verbracht hat? Stanisic läßt den Leser an seinen Überlegungen teilhaben, schreibt sehr eindrücklich über ein Leben als Flüchtling in Deutschland, schreibt über sein Leben vor der Flucht und zeigt dabei, dass Begriffe wie "Heimat" und "Herkunft" der eigenen Interpretation überlassen und vor allem wandelbar sind. Heimat kann ein Stück Land sein, eine Person oder auch eine Erinnerung, ist mehr ein Gefühl, als ein konkreter Punkt auf der Landkarte. Mit "Herkunft" legt Stanisic sein persönlichstes Buch vor, ein Buch, das zu Recht auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2019 steht. Nicht umsonst zählt Stanisic zu Deutschlands derzeit besten Autoren. Sein Umgang mit Sprache, ebenso spielerisch wie präzise, seine ungewöhnliche Herangehensweise, seine Einfühlsamkeit in der Beschreibung seiner Umgebung, das alles macht "Herkunft" zu einem besonders lesenswerten Buch. Intelligenz und Empathie gegen Stammtischparolen, Weltoffenheit gegen Abschottung und Experimentierfreude in Literatur und Alltag, das wäre ein guter Weg in die Zukunft...

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Eine Autobiografie, die nicht chronologisch niedergeschrieben wurde. Der Autor pickt häppchenweise Erlebnisse und Begebenheiten aus seinem Leben heraus. Was für eine beeindruckende Biografie, wenn man bedenkt, dass Sasa Stanisic die deutsche Sprache erst mit 14 Jahren erlernte und heute ein Autor ist, der mit dieser Sprache aktuell zu den besten Schriftstellern Deutschlands zählt. Sasa Stanisic wurde im ehemaligen Jugoslawien geboren und musste aufgrund des Krieges gemeinsam mit seinen Eltern nach Deutschland flüchten, er war damals 14 Jahre alt. Das Jugoslawien, aus dem er geflüchtet ist, gibt es heute nicht mehr. Der Krieg ist zwar schon lange vorbei, jedoch so, wie er es verlassen hat, ist es nicht mehr, Jugoslawien ist zerfallen. Er erzählt von der ersten Zeit mit der Mutter alleine in Deutschland, mit den Schwierigkeiten, die Sprache nicht zu sprechen und einfach neu zu sein. Eine zentrale Person ist seine Großmutter Kristina, die nach und nach ihre Erinnerung verliert. Aber erzählt auch von seiner ersten Liebe und der Clique an der ARAL Tankstelle. Er berichtet von seinen ersten Schreibversuchen und dem Deutschlehrer, der ihn motiviert hatte, weiterzuschreiben. Wie schwierig es war, in Deutschland zu bleiben und dass ihm das gelang, weil er studierte und später konnte er endlich einen Vertrag mit einem Verlag vorweisen, um zu zeigen, dass er in Deutschland für sich selbst sorgen kann. Er erzählt heitere und traurige Episoden aus seinem Leben, aber auch aus dem Leben jener, die in bestimmten Lebensabschnitten wichtig für ihn waren und ihn begleitet hatten. Manche hat er heute aus den Augen verloren, von manchen weiß er zumindest, was aus ihnen geworden ist. Es geht in dem Buch um Herkunft, Heimat und Wurzeln, um fremd sein und dazugehören. Das Buch ist an manchen Stellen heiter, dann wieder traurig, melancholisch, nachdenklich, es ist amüsant und unterhaltsam und dann wieder sehr ernst.

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Im Frühjahr 2009 besuchte Saša Stanišić mit seiner Großmutter das 13-Seelen-Dorf Oskoruša in den bosnischen Bergen, Heimat seiner Vorfahren. Es war der erste Anstoß, sich mit seiner Herkunft zu beschäftigen: „Bevor ich den Friedhof in Oskoruša sah, hatte ich mir aus Herkunft im Sinne familiärer Abstammung nichts gemacht.“ Zunächst war das Thema für ihn eher peinlich, weil vermeintlich rückständig und destruktiv, denn die „Herkunftsfolklore“ und der „Zugehörigkeitskitsch“ hatten während des Balkankriegs sein Geburtsland, den Vielvölkerstaat Jugoslawien, ausgelöscht. Zusammen mit seiner bosnisch-muslimischen Mutter, einer studierten Politologin, musste Stanišić 1992 nach Deutschland fliehen, der serbische Vater folgte ihnen ein halbes Jahr später nach Heidelberg. Die Eltern „schufteten sich traurig“ in einer Großwäscherei und auf dem Bau und kamen 1998 ihrer Ausweisung in das ethnisch gesäuberte Višegrad an der Drina zuvor, indem sie nach Florida auswanderten. Als Saša Stanišić mit 14 Jahren nach Heidelberg kam, war er Teil einer „Statistik der Gegenwart am Rand einer ehrwürdigen Stadt… Wir waren Kriminalität, Jugendarbeitslosigkeit, Ausländeranteil.“ Er sprach kein Deutsch, schämte sich für seine Armut, litt unter der ständigen Angst vor Abschiebung und stemmte sich gegen die Vorurteile, „aggressiv, primitiv, illegal“ zu sein. Anders als für seine Eltern wurde die neue Heimat für ihn zu einer Erfolgsgeschichte. Er stürzte sich in die neue Sprache, fand Freunde an der ARAL-Tankstelle in Emmertsgrund, wo die Herkunft keine Rolle spielte, schaffte es aus der Förderklasse mit Schwerpunkt Spracherwerb zum Abitur mit Leistungskurs Deutsch, absolvierte ein Studium, erhielt schließlich – aufgrund des Vertrags für seinen ersten Roman – die ersehnte Aufenthaltsgenehmigung, die den Eltern verwehrt geblieben war, und besitzt heute einen deutschen Pass. Für mich war diese Erzählung über ein schwieriges Ankommen in einer neuen, nämlich meiner Heimat der stärkste Teil des Romans und hat mich mit tiefer Bewunderung erfüllt. Gleichzeitig habe ich mich gefragt, wie ich, wie wir alle, damals auf die jugoslawischen Flüchtlinge reagiert und sie wahrgenommen haben – sicher nicht wertschätzend und offen genug. Der zweite, für Stanišić wahrscheinlich wichtigere Teil der Geschichte ist der alten Heimat, seinen Wurzeln und seinen Großeltern gewidmet, vor allem der Großmutter väterlicherseits, die in Višegrad geblieben war: „Als meine Großmutter Kristina Erinnerungen zu verlieren begann, begann ich, Erinnerungen zu sammeln.“ In der zweiten Jahreshälfte 2018, kurz vor deren Tod und danach, brachte er sie für diesen lesenswerten, hochaktuellen Roman zu Papier. Nicht nur um die Bewahrung der Erinnerung ging es ihm dabei, sondern auch um das Brückenschlagen zu seiner verstreuten Familie und gegen die Entfremdung: „Ich schiebe Geschichten als Übersprungshandlungen zwischen uns.“ Ich habe diesen sehr positiven, anrührenden, humorvollen Roman, auf dessen letzten Seiten der Leser spielerisch-zufällig den Fortgang der Handlung selbst bestimmen kann, als ein glühendes Plädoyer für das Dazugehören gelesen, als Warnung vor Ausgrenzungen, als Mahnung gegen die „Fetischisierung von Herkunft und gegen das Phantasma nationaler Identität“. Die Abschweifungen, „Modus meines Schreibens“, habe ich Saša Stanišić, der so virtuos mit der deutschen Sprache umzugehen vermag, gerne verziehen. Zurecht steht "Herkunft" auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2019.

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Lieblingsoma

Von: wal.li

08.09.2019

Als der Autor das Mal davor seine Großmutter in Višegrad besucht hat, war sie noch gesund. Energiegeladen ist sie mit ihm in das Heimatdorf des Großvaters gefahren, auf den Berg, wo etliche Stanišićs lebten und etliche auf dem Friedhof liegen. Doch den Lebenslauf zu seinem Einbürgerungsantrag beginnt er nach vielen Versuchen mit einer Schlittenfahrt. Und eine Erinnerung führt zur nächsten, eine Geschichte zur anderen. Geburt, Flucht, ein Leben als Flüchtling in den 1990ern als aus dem Vielvölkerstaat Jugoslawien viele kleine Staaten wurden. Irgendwie wiederholen sich die Einwanderungs- und Flüchtlingswellen und leider auch die Reaktionen der Alteingesessenen. Die Fremden sind eben fremd und nicht unbedingt willkommen. Ein Fünkchen Hoffnung könnte der Gedanke geben, dass es doch viele immer wieder geschafft haben. Und jeder eingedenk der wiederholten Wellen, sollte sich jeder erinnern, so wie es der Autor beschreibt, wo seine Herkunft liegt. Nun, so bildhaft und eindringlich wie der Autor wird es einem vielleicht nicht gelingen, aber der Gedanke zählt. Und häufig wird man in der eigenen Vergangenheit oder der der Vorfahren eine Wanderungsbewegung finden. Der Migrationshintergrund ist manchmal alles andere als weit weg. Es könnte ein Anreiz sein, es den Neuankömmlingen etwas leichter zu machen. Die Schilderungen von Saša Stanišević berühren. Sie pendeln zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Sie beinhalten eine Familiengeschichte wie sie war oder wie sie ungefähr war. Leicht hat es der Junge nicht gehabt, aber er hat sich durchgekämpft, er hat es geschafft. Und irgendwann war die Herkunft irgendwie zweigeteilt. Die Wurzeln der Geburt werden nicht vergessen und doch wird neu verwurzelt. Beim Lesen fühlt man mit. Die Eltern opfern viel für ihren Sohn, er soll es einmal besser haben. Die Oma erdet ihn, sie bleibt die Verbindung in die Geburtsheimat. Man wird zum Nachdenken angeregt, über die eigene Herkunft. Das Schicksal der eigenen Eltern und Großeltern. Der Schluss liegt mehr als nahe, dass Krieg und Vertreibung nun wahrlich nicht erstrebenswert sind. Doch gibt die Lektüre viel Positives an Kraft und Hoffnung. Und ein Gedenken an die eigene Lieblingsoma. 4,5 Sterne

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Der Mann mit dem Namen, den ich nicht aussprechen kann, hat ein grandioses Buch ge-schrieben, von dem sämtliche Feuilletons in Liebeserklärungen ausbrechen, Blogger und sogar andere Schriftsteller via Social Media seit Veröffentlichung schwärmen, schwärmen und schwärmen, und das sich damit beschäftigt, wer wir sind, wenn das wo uns fluchtartig genommen wird. Im Grunde ist die Geschichte kurzgefasst recht schnell erzählt: Saša Stanišić flüchtet noch als Kind mit seinen Eltern aus Jugoslawien nach Deutschland und reflektiert in diesem Buch all die Begegnungen und Momentaufnahmen, die seiner und anderer Meinung nach etwas mit Herkunft und der Überlegung dahinter zu tun haben. Da ist schon der Clou: Herkunft – wo steckt sie drin, was macht sie aus und wen, oder was? Ist der junge Mann, der als Kind schneller die deutsche Sprache lernt als seine Eltern, somit deutscher als sie oder deswegen weniger jugoslawisch? Ist die Flucht der Zeitpunkt, an dem sie Heimat verlieren oder eine neue hinzugewinnen? Kann man je einen Ort finden, den man Heimat nennen kann oder ist Heimat eine Person, ein reines Gefühl, Spekulation und Kon-strukt einer heimatlosen Gesellschaft? Was haben Heimat und Herkunft miteinander gemein, was unterscheidet sie? Ist der Geburtsort Herkunft, das Blut, das in uns fließt oder die Perso-nen, die einen prägen? Wann komme ich irgendwoher, wohin gehe ich von da aus und wo sind deswegen meine Grenzen gesetzt? Das sind einige Fragen, mit denen man sich bei der Lektüre des Buches befasst, die man im Kopf ständig selbst versucht, zu beantworten, und die nur immer darauf hinauslaufen, dass man kopfschüttelnd aufgibt, weil sie alle nicht beantwortbar sind. Umso beeindruckender die Aufnahme Stanišićs dieses Sujets als einen ganzen Roman, der mehr ein Erinnerungsstück ist, das in struktureller Un-Reihenfolge Einschnitte erzählt, die Heimat und Herkunft sein können. Ganz sanft wählt der Autor seine Worte, bleibt nüchtern, aber verliert sich nie in die Emoti-onslosigkeit. Präzise und formal außergewöhnlich klopft er ein neues Gebiet der Literatur ab und bestreitet die literarische Autobiografie mit frischem Wind und einem Sujet, das in der heutigen Zeit kaum relevanter sein könnte. Seine Zeit im Flüchtlingsheim, die Flucht selbst, der Deutschunterricht, die Arbeit seiner Eltern, das Auswandern, das Heimatsuchen. Er führt den Leser an mit kleinen Gesten, sanften Schubsern in die richtige Richtung und hebt dabei nie mahnend-moralisierend den Zeigefinger. Es wirkt am Ende wie ein langer Traum, in dem jemand überlegt und denkt und reflektiert, ob das, was wir da sehen gut ist, und warum. Oder warum nicht. Beeindruckend, einschärfend, relevant.

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Sasa Stanisic schreibt seit mehreren Jahren fantastische Bücher auf deutscher Sprache. Das Faszinierende bei ihm ist, das deutsch nicht seine Muttersprache ist. Denn seine Eltern flohen in den 90ern mit ihm während des Krieges in Jugoslawien nach Deutschland. So wurde Heidelberg zu seiner neuen Heimat und die ARAL Tankstelle zum Mittelpunkt seiner Jugend. Stanisic schreibt seine Biografie sehr nahrhaft und authentisch. Mit viel Gefühl begleitet man ihn auf seinen Rückblicken und Besuchen bei den Großeltern und Kindheitstagen in Bosnien. Die kurzen Sätze waren zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, doch passen sie sehr gut zu seiner bruchhaften Lebensgeschichte. Eine der großen Figuren der deutschen Literatur bringt uns zum nachdenken über Herkunft und unsere 'Heimat' und das Privileg in Deutschland geboren zu sein. Sehr sehr lesenswert, immer, für jeden! Vielen Dank für das Rezensionsexemplar @randomhouse [Werbung - Markierung - Rezensionsexemplar]

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