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Rezensionen zu
Der Neue

Tracy Chevalier

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Cover: Passt natürlich sehr gut zu der Geschichte. Ein schwarzer Junge alleinstehend. Schreibstil: War sehr schlicht und einfach gehalten. Es werden gleiche Sachverhalte aus immer wieder anderen Perspektiven gezeigt, was wirklich interessant war. Meinung: Ich bin wirklich positive begeistert. Die originelle Umsetzung von Shakespeares Stück „Othello“ wurde mit einem politisch immer noch sehr vordergründigen Thema sehr gut umgesetzt. Die verschiedenen Sichtwinkel zu der ganzen Geschichte, das abhandeln aller Akte innerhalb eines Schultages und die Zurschaustellung aller aufkommenden Gefühle und Intrigen hat mich wirklich positiv überrascht. Dadurch dass das Buch „nur“ an die 190 Seiten aufweist ist es auch schnell durchgelesen und zieht sich nicht zu sehr in die Länge. Fazit: Es war mal etwas anderes, doch es hat mir sehr gut gefallen.

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Othello neu verfasst von Tracy Chevalier, für das Hogarth-Shakespeare-Projekt – kann das gut gehen? Ja, das kann und meiner Meinung nach ist es Chevalier ausgezeichnet gelungen. Die groben Züge des Dramas, das Shakespeare aus der italienischen Vorlage – eine Geschichtensammlung ähnlich des Decamarone enthielt bereits die Erzählung – verändert auf die Bühne brachte, sind vielen Menschen auch heute noch bekannt. Vielfach ist der rasante Fall des Helden, ausgelöst durch Intrigen, angeblichen Verrat und Eifersucht, variiert worden. Immer aber handelte es sich bei Othello um einen Mann afrikanischer Herkunft, ein Fremder, der sich schon alleine durch sein Erscheinungsbild von der (Venezianischen) Gesellschaft abhebt, in der er lebt. Tracy Chevalier hat ihren Othello Osei genannt. Er ist der Sohn eines aus Ghana stammenden Diplomaten, der häufig seine Arbeitsstätte und damit auch den Wohnort wechseln muss. Die Familie zieht mit, keine Frage. Wir schreiben das Jahr 1974 und Osei kommt als einziger nicht-weißer Junge kurz vor Ende des Schuljahres in an eine Schule in Washington. Die letzte Schule, die er besuchte, war in New York. Dort ist auch seine fast schon erwachsene Schwester geblieben, um das Schuljahr zu beenden. Der Neue zu sein ist für O., wie er sich der Einfachheit halber gerne nennen lässt, nichts Neues. Doch dieses mal ist es anders. Das merkt O. schon, als er den Schulhof betritt, auf dem seine Mitschüler kurz vor Schulbeginn zusammenkommen. Denn Ian – der Shakespeares Jago entspricht – erkennt, neben der Hautfarbe – etwas in ihm, das seine eigene Position an der Schule gefährdet. Ian ist so etwas wie ein Anführer, jedoch nicht wie Casper (Cassio), der einfach offen, ehrlich und zu allen super nett ist, sondern weil er höchst manipulativ und Angst verbreitend zu Werke geht. Und dann ist da noch Dee (Desdemona), die beliebteste Schülerin von allen, die Lieblingsschülerin des Klassenleiters Mr. Brabant, die Osei gerade aufgrund seiner Herkunft faszinierend findet. Die anfänglich rein optische Faszination vertieft sich, als die beiden sich ernsthaft unterhalten und Dee bemerkt, dass sie sich noch nie tatsächlich und so gut mit einem Jungen unterhalten hat. Osei und Dee freunden sich an, ganz schnell, ganz unkompliziert und Osei ist mehr als dankbar, dass es einen Menschen hier gibt, der ihn offensichtlich mag. Noch dazu ein Mädchen! Denn Sechstklässler – und das ist einer der klugen Schachzüge Chevaliers – befinden sich, was die Annäherung an das andere Geschlecht betrifft quasi zwischen „Baum und Borke“. Beobachtet man Vorgänge auf Schulhöfen, dann kann man ganz genau feststellen, dass die Schüler bis ungefähr zur vierten Klasse bunt gemischt miteinander spielen. Ab der vierten Klasse jedoch beginnen sich Gruppen zu bilden, die vor allem geschlechtsspezifisch definiert sind. Die Mädchen bleiben ebenso gerne mal mehr für sich, wie die Jungen. Das vertieft sich immer mehr, bis die neue und anders motivierte Annäherung der beiden Geschlechter wieder stattfindet. Dann kommt es tatsächlich zu ersten Pärchenbildungen. Tracy Chevaliers Trick, die Handlung ihrer Shakespeare Neuinterpretation auf einen Schulhof zu verlegen, ist für mich gerade deshalb sehr clever, weil sie das, was da an teilweise unlogischen Vorgängen, deren Beweggründe man kaum hinterfragen kann, nicht zur Diskussion stellen muss, denn wenn ich meinen eigenen Fünftklässler erzählen höre, wie die Kinder miteinander umgehen, dann ist das, was Chevalier schildert, ganz alltäglicher Kram. Gut, mit einem sehr drastischen Ausgang, aber was Beweggründe angeht, hat sie somit einen guten Weg gefunden, diese nicht zu sehr in den Fokus zu stellen. Eine Kritik an solch schnell wandelbaren Gefühlslagen, wie sie ja auch bei Shakespeares Othello durchaus hinterfragbar wären, umgeht sie durch die allgemeine schwierige Seelenlage Pubertierender, die sich durch Unsicherheit ihrer Selbst gerne mal auf die eine oder andere Seite ziehen lassen. So hat Ian also leichtes Spiel, als er Osei einredet, Dee wäre untreu, was Osei wiederum sehr viel mehr trifft, als es jeden anderen Schüler an dieser Schule träfe. Denn er ist ja quasi per se der Außenseiter und das an diesem ersten Tag dort auch noch doppelt. Das Tempo der Handlung, das bei Shakespeare in der Konsequenz des dramatischen Ablaufs kulminiert, setzt Chevalier genauso gut um: ein Schultag, durch die Pausen in fünf Akte gegliedert. Ein Tag genügt, um ein tödliches Drama zu entwickeln. Oseis Hautfarbe spielt Ian dabei natürlich zusätzlich in die Hände, auch wenn er vorgibt, diese nicht mit bestimmten Vorurteilen zu verbinden. Konnte Shakespeare noch ungehindert vom „Mohr von Venedig“ sprechen, so ist das heute nicht mehr möglich. Alleine die Tatsache, einen politisch korrekten Begriff für Oseis „Andersartigkeit“ – die ja nicht außergewöhnlich ist, weil ja kein Mensch dem anderen tatsächlich gleichen kann – finden zu müssen, eine ungewollte rassistische Konnotation zu vermeiden, ist heute manchmal derart schwierig, dass auch ich gerade jetzt so meine liebe Mühe habe, mich nicht verfänglich auszudrücken. Einen, wie ich finde sehr klugen und lesenswerten Essay hat dazu Frank Günther, DER Shakespeare-Übersetzer unserer Zeit schlechthin, in seinem Buch „Unser Shakespeare“ unter dem Titel „Othello, der PoC* von Venedig“ geschrieben, der sowohl die Wichtigkeit einer angemessenen Sprache hervorhebt, aber dennoch darauf hinweist, dass auch vermeintlich politisch korrekte Ausdrücke durchaus anders konnotiert werden können. Ein weites Feld, das Chevalier nur durch die Andeutung des (N-Wortes) durch ein nicht ausgesprochenes Attribut der Hautfarbe Oseis einerseits umschifft und andererseits nicht ausgelassen hat. Tracy Chevalier hat somit die Handlung, das Motiv, den Plot des Shakespearschen Dramas in eine Zeit gehoben, die gerade für die Afro-Amerikanische Bevölkerung der Vereinigten Staaten Amerikas eine sehr wichtige und hoffnungsvolle war. Nicht umsonst hat die Kunst in den 1960er und 1973er Jahren auch auf die erstarkende Bürgerrechtsbewegung reagiert und Kultfiguren wie Black Panther oder Shaft kreiert. Shakespeares Othello wird zwar eindeutig als Fremder gezeigt, doch seine Hautfarbe wird nie tatsächlich benannt. Die Aktualität, die Chevalier ihrem Othello verleiht, ist aufgrund gesellschaftspolitischer und sozialer Vorgänge unausweichlich. Ein weiterer sehr gelungener Punkt, den es hier hervorzuheben gilt. Nach Edward St. Aubyns ebenfalls im Rahmen des Hogarth-Shakespeare-Projektes entstandene King Lear Neubearbeitung „Dunbar und seine Töchter“ war dies die zweite Lektüre aus dem Projekt, die mich vollstens überzeugen konnte und Lust auf weitere Neubearbeitungen aus dem Projekt machte. *Zur Erklärung, falls noch nicht bekannt: PoC ist der derzeit politisch korrekte Ausdruck, der in der Einzahl Person of Color und in der Mehrzahl People of Color bedeuet.

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Ein Buch, das zeigt, was passiert, wenn man nach dem Äußeren urteilt und zugleich einen (fast) normalen Tag in einer Schule darstellt, in der deutlich wird, wie Jungs und Mädchen ticken. Es ist schockierend zu sehen, wie schnell über Menschen aufgrund ihres Äußeren geurteilt wird und obwohl es in den 1970er Jahren spielt, ist es mit der Thematik des Rassismus hochaktuell. Stückweise erinnert es mich stark an „Tauben im Gras“ – wer mich kennt weiß: das ist definitiv ein Kompliment! Alles in allem ist dieses Buch wirklich toll und definitiv zu empfehlen.

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Heute habe ich den neuesten Roman aus der Hogarth-Shakespeare-Reihe für euch. Noch einmal zur Erinnerung: Anlässlich des 400. Todestages von William Shakespeare erscheinen beim englischen Verlagshaus Hogarth seit 2016 insgesamt 6 Romane, die Retellings beliebter Shakespeare-Theaterstücke darstellen. Als deutscher Verlag ist Knaus an dem Projekt beteiligt. Mit „Der Neue“ erschien im April die Romaninterpretation von „Othello“ aus der Feder von Tracy Chevalier. Einigen mag sie vielleicht als Autorin von „Das Mädchen mit dem Perlohrring“, die Buchvorlage für den gleichnamigen Film mit Scarlett Johansson und Colin Firth um den niederländischen Maler Jan Vermeer, ein Begriff sein. Warum „Der Neue“ für mich zwar der bisher schwächste Roman der Reihe, aber trotzdem eine wichtige Botschaft bereithält, erfahrt ihr in der folgenden Rezension. Wie das Theaterstück ist der Roman in fünf Abschnitte untergliedert. Die Handlung spielt sich an einem einzigen Schultag ab und beleuchtet vordergründig die freie Zeit zwischen dem Unterricht. Eben jene Zeit, in der die Schüler sich selbst überlassen sind und das Buhlen um Anerkennung und Machtspielchen zu einer gefährlichen Mischung werden können, die nicht selten in Mobbing endet. So auch bei O, dem „Neuen“. Es braucht einige Seiten, bis der Protagonist in das „Haifischbecken neue Schule“ hingeworfen wird. Vorher werden dem Leser erst die Alianzen und Rivialitäten der Schüler vorgestellt, sämtliche relevanten Figuren tauchen bereits jetzt auf. O wird als letzte Figur eingeführt, als eine neue Variable, die sofort beginnt, die bestehenden Beziehungsgeflechte aufzubrechen und durcheinander zu bringen, ohne, dass er aktiv etwas tun muss. Die Machtgefüge verschieben sich einzig allein dadurch, dass er auftaucht. Dies führt sich über die fünf Abschnitte auf fatale Art und Weise fort, indem sich die Figuren immer mehr in diesem Gefüge verstricken (das Seilspringen auf dem Pausenhof könnte man als gelungene Metapher dafür sehen), und mündet – Shakespeares Vorlage entsprechend – am Ende in einer Katastrophe. Und genau hier liegt eine große Schwäche des Romans. Die Entwicklung, die der Tag nimmt, ist zwar unschön, rechtfertigt jedoch keinesfalls das Ende mit dem sich Dee (Desdemona) und O (Othello) konfrontiert sehen. Hier scheint es mir, dass man auf Biegen und Brechen etwas Schlimmes ans Romanende setzen wollte, um der Vorlage gerecht zu werden, ohne dass es jegliche Rechtfertigung dafür gibt. Lesern, die die Vorlage nicht gelesen haben, aber den Inhalt grob kennen, mag dies vielleicht irritierend, aber noch verständlich sein, für Leser, denen der Inhalt von Othello gänzlich unbekannt ist, werden dem Romanende wohl wenig abgewinnen können. Und dies ist schade, denn die anderen Romane der Reihe, die ich bisher gelesen habe („Der weite Raum der Zeit“, „Hexensaat“), funktionieren auch wunderbar ohne Kenntnis der Vorlagen. Grund zur Irritation gibt teilweise auch das Agieren der Figuren: mal ihrem kindlichen Alter entsprechend, dann jedoch auch mit Gedanken und Sätzen, die ihrem Alter weit voraus scheinen. Dadurch wirkt der Roman noch parabelartiger und konstruierter als ohehin schon. Ich halte die Idee einer Mileustudie mit begrenzten Zeitrahmen für eine sehr gute Idee, um „Othello“ neu zu interpretieren. Allerdings frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, den Roman statt an einer Schule mit Kindern in einem Unternehmen mit erwachsenen Figuren spielen zu lassen. Dies wäre dem Ausgangsstoff vielleicht ein wenig angemessener gewesen. Zum Schluss möchte ich gern noch einige Worte zum grundsätzlich wichtigen Thema „Mobbing in der Schule“ verlieren. Im Roman werden die Lehrer das Verhalten gegenüber O als Bagatelle ab und schauen weg oder befeuern Mobbing im schlimmsten Falle noch, weil sie selbst rassistische Vorurteile pflegen. Die Debatte um den Ausstieg von Mesut Özil aus der Nationalmannschaft sorgt bei Twitter unter dem Hashtag #MeTwo derzeit dafür, dass Erfahrungen von Schülern mit Migrationshintergrund publik werden, die bei gleicher Leistung schlechter benotet werden als ihre deutschen Mitschüler, die für ihre späteren Berufswünsche ausgelacht werden. Etwas, das mich persönlich völlig sprachlos machtund mich geichzeitig glauben lässt, dass die ein odere andere Situation aus „Der Neue“ doch nicht so aus der Luft gegriffen scheint, wie ich zunächst gedacht habe. Die Serie „Tote Mädchen lügen nicht“, man möge sie für das ein oder andere durchaus kritisieren können und auch wenn es dabei nicht um Rassismus geht, verdeutlicht ebenfalls, dass Schule eine Verantwortung dafür hat, dass Schulhöfe keine „rechtsfreien“ Räume sind. Und dies führt uns „Der Neue“, auch wenn er nicht ganz so gut gelungen ist, ebenfalls deutlich vor Augen.

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Osei Kokote, oder auch O genannt, Sohn eines Diplomaten muss wieder einmal die Schule wechseln. Er ist der einzig dunkelhäutige auf dem Schulhof. Das ist nichts Neues für ihn, Osei ist die neugierigen Blicke und Vorurteile inzwischen gewohnt, weiß, wie er sich dagegen zur Wehr setzen kann. Sein Blick fängt den von der beliebten Dee auf und die beiden vergucken sich augenblicklich ineinander. Doch Ian, der meist gefürchtetste Junge auf dem Platz hat es auf den Neuen abgesehen und versucht durch Intrigen und Drohungen die frisch Verliebten auseinander zu bringen. „Der Neue“ ist Teil der Hoghart-Shakespeare Collection. Bekannte Autoren interpretieren Shakespeares Stücke ganz neu. In diesem Fall ist es Tracy Chevalier, die ihr schriftstellerisches Können einmal mehr unter Beweis stellt. Sie schickt „Othello, de(n) Mohr von Venedig“ auf einen schnöden amerikanischen Schulhof der 70 Jahre. Und wie Othello muss sich auch Osei mit Anfeindungen, Vorurteilen und Rassismus auseinandersetzen. Selbst die Lehrer lassen den Jungen ihre Abneigung deutlich spüren, Mobben ihn geradezu. Das Stück – eigentlich in 5 Akten – spielt nun in den 5 Schulpausen eines Tages. So ist der Zeitraum sehr komprimiert und dafür entwickelt sich die Handlung nun umso schneller. Erzählt wird aus den jeweiligen Perspektiven der Protagonisten, sodass der Leser immer einen kleinen Schritt voraus ist und die Intrigen von Ian, oder die Missverständnisse zwischen O und Dee genau durchschaut und sie in die richtige Richtung stupsen möchte, um ihnen Unheil zu ersparen. Tracy Chevalier beschreibt mit ganz feinen Beobachtungen, wie sich die Persönlichkeiten weiterentwickeln, welche Dynamik auf dem Schulhof herrscht und wie Beziehungen wachsen. Diese Feinheit und ihre ganz besondere Art zu schreiben, haben das Buch zu einem ganz besonderen Lesegenuss für mich gemacht. „Othello“ ist eine Tragödie und auch dieses Buch lässt die Gefühle bestimmt nicht kalt. Es hat mich mitgenommen, wütend und traurig gemacht, aber doch auch gleichzeitig verzaubert. Weitere Titel aus der Collection sind: Jeanette Winterson: "Das Wintermärchen"- der weite Raum der Zeit Howard Jacobson: "Der Kaufmann von Venedig" - Shylock Margaret Atwood: "Der Sturm"- Hexensaat Tracy Chevalier "Othello" – der Neue Gillian Flynn "Hamlet" Jo Nesbø: "Macbeth" Edward St Aubyn: "König Lear" - Dunbar und seine Töchter Anne Tyler: "Der Widerspenstigen Zähmung" die störrische Braut

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Kurzinhaltsangabe (eine ausführliche Zusammenschau befindet sich im Anschluss an das Resümee): Osei Kokote - wohl 12 oder 13 Jahre alt - ist der Sohn eines ghanaischen Diplomaten. Kurz vor Ende des laufenden Schuljahres tritt dieser eine neue Stelle in Washington an, sodass Osei noch für ein paar Wochen die 6. Klasse der Elementary School besuchen muss, bevor er nach den Sommerferien auf die Junior High wechselt. Für ihn ist es nach Rom, London und New York der 4. Schulwechsel innerhalb von 6 Jahren. An der neuen Schule ist er der einzige Schüler mit dunkler Hautfarbe, und er spürt nicht nur Neugierde, sondern sowohl bei Mitschülern als auch speziell bei seinem Klassenlehrer Vorurteile. Doch Osei hat gelernt, dass er nicht negativ auffallen darf und möglichst gleich am ersten Tag Freundschaften schließen muss, um bei Konflikten Verbündete zu haben. Seine bei allen beliebte und hübsche Klassenkameradin Daniela - Dee - kümmert sich fürsorglich um den Neuen, hilft ihm und erklärt ihm alles Notwendige. Beide freunden sich sofort an, denn Dee hat keinerlei Vorbehalte gegenüber Osei, für sie zählt nur der Charakter eines Menschen. Ian, einem gleichaltrigen Jungen, ist die Vertrautheit der beiden jedoch ein Dorn im Auge. Er will sie auseinanderbringen und spinnt raffinierte Intrigen, von denen Osei und Dee nichts ahnen. So geraten sie immer mehr in sein fein gesponnenes Netz. Eine verhängnisvolle Entwicklung nimmt ihren Lauf und endet schließlich in einer Katastrophe. Resümee: Die Romanhandlung spielt in den 70er Jahren in Amerika, genauer gesagt in Washington. Bereits 1964 wurde von Präsident Lyndon B. Johnson der "Civil Rights Act" unterzeichnet, in dem Rassendiskriminierung und -trennung in öffentlichen Einrichtungen wie z.B. Restaurants, Kinos, Bussen, Schulen für illegal erklärt wurden. Mit diesem formalen Akt waren in der Bevölkerung jedoch noch lange nicht die Vorurteile und Anfeindungen gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe ausgelöscht. Das bekommt auch Osei gleich an seinem ersten Tag auf der Elementary School zu spüren, in der er der einzige dunkelhäutige Schüler ist. Mit einer Mischung aus Sensationslust und Ablehnung sowie offen ausgesprochenen Vorurteilen begegnen ihm nicht nur seine Mitschüler, sondern auch Lehrer, besonders sein Klassenlehrer. Die Autorin hat Shakespeares Tragödie "Othello, der Mohr von Venedig" inhaltlich komprimiert und auf diesen Plot übertragen unter der Fragestellung, was es heißt, wegen seiner Andersartigkeit Außenseiter zu sein. Bei dem sich unheilvoll entwickelnden Geschehen sorgen Perspektivwechsel für zusätzliche Dramatik, wenn dieselbe Szene aus Sicht einer anderen beteiligten Person erzählt wird. Der Leser spürt, dass Ians heimtückische Machenschaften und Manipulationen unaufhaltsam und unwiderruflich auf ein folgenschweres Unheil zusteuern. Oseis und Dees völlige Ahnungslosigkeit und die Manipulierbarkeit anderer Schüler verstärken die Wirkung zusätzlich. Dies ist für den Leser zugegebenermaßen ebenso erschütternd wie fesselnd - ein Spannungsfeld ganz im Sinne der antiken griechischen Tragödien. Dadurch dass die Handlung • auf die Schule als Ort des Geschehens begrenzt ist, • den überschaubaren Zeitraum eines Tages nicht überschreitet, • durch 5 Kapitel klar strukturiert ist und Nebenstränge fehlen, erfüllt der Roman im aristotelischen Sinne die Einheit von Ort, Zeit und Handlung eines Dramas. Thematisch geht es, wie schon erwähnt, um Vorurteile, Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund von Andersartigkeit, die hier durch Oseis Hautfarbe vorgegeben ist. Aber auch Freundschaft, Eifersucht und Macht spielen eine zentrale Rolle, ebenso wie Mobbing und die Manipulierbarkeit von Menschen, hier insbesondere jugendlichen Schülern. Den Schluss hat die Autorin zwar offen gestaltet, jedoch lässt er in Kenntnis von "Othello" Schlimmes erahnen. Fazit: hervorragend! Die Autorin hat für dieses Buch die Handlung der Tragödie "Othello, der Mohr von Venedig", 1603 oder 1604 von William Shakespeare geschrieben, komprimiert auf einen Schultag in den 70er Jahren in Amerika übertragen Daher im Folgenden ein Vergleich der Handlung von William Shakespeares Tragödie "Othello, der Mohr von Venedig" mit Tracy Chevaliers Roman "Der Neue" (Achtung: Spoiler!): Der leichteren Lesbarkeit halber habe ich die Passagen beider Werke, die sich jeweils aufeinander beziehen, mit gleichen Ziffern nummeriert: 1. ("Othello") Othello, ein dunkelhäutiger venezianischer Feldherr, ist ein ehrenhafter, aufrichtiger und gutgläubiger Mensch. Aber die Bewohner Venedigs empfinden ihn als fremdartig, assoziieren seine Hautfarbe mit negativen Charakter-Eigenschaften und grenzen ihn aus. 2. ("Othello") Doch für die schöne Desdemona zählt nur das Wesen eines Menschen, Äußerlichkeiten sind ihr egal. Sie verliebt sich in Othello und schließlich heiraten beide heimlich gegen den Willen ihres Vaters. 3. ("Othello") Othellos Feldherr und Vertrauter Jago ist ein gewissenloser Intrigant. Als Othello nicht ihn, sondern den unbescholtenen Cassio befördert, ist er bitter enttäuscht und will sich für die vermeintliche Ungerechtigkeit rächen, indem er Othellos Misstrauen gegenüber Desdemona schürt. 4. ("Othello") Dabei ist der Edelmann Rodrigo sein Werkzeug: Er provoziert in Jagos Auftrag Cassio, der ihn bei einer Prügelei verwundet. Gleichzeitig bittet Jago hinterlistig die arglose Desdemona, sich bei Othello für Cassio einzusetzen. Als sie seinem Wunsch entspricht, wird der erste Keim des Misstrauens bei ihrem Gatten gelegt: Warum nimmt sein Weib den Soldaten in Schutz? - Gegenüber Jago ist Othello jedoch völlig gutgläubig und vertraut ihm weiterhin. 5. ("Othello") Auf einem Feldzug wird Othello von seiner Ehefrau, Rodrigo, Cassio sowie von Jago und dessen Ehefrau Emila - gleichzeitig Desdemonas Kammerzofe - begleitet. Jago macht dem ohnehin schon misstrauisch gewordenen Othello gegenüber vage Andeutungen über eine mögliche Beziehung Desdemonas zu Cassio. 6. ("Othello") Da kommt ihm der Zufall zu Hilfe: Emilia findet ein besticktes Taschentuch, das Othello seiner Frau einst geschenkt hatte, das sie aber kürzlich verloren hat. Sie überlässt den Fund Jago. Der schiebt das Tuch sofort Cassio unter, der mit der Mätresse Bianca angebandelt hat. 7. ("Othello") Als Othello später bei ihm das Taschentuch sieht, fühlt er sich bestätigt: Seine Frau hat ein Verhältnis mit dem Soldaten und Othellos Geschenk als Liebespfand an ihn weitergereicht. 8. ("Othello") Er tobt vor Eifersucht. In einer Aussprache gelobt Desdemona immer wieder ihre Unschuld und beteuert wie auch schon vorher, dass sie nicht wisse, wie das Tuch in Cassios Besitz gelangt sei. Vergeblich - Othello sieht rot und erdrosselt seine Gattin. 9. ("Othello") Emilia erzählt ihm daraufhin von Jagos intrigantem Spiel, das sie inzwischen durchschaut hat, und bestätigt Desdemonas Unschuld. Daraufhin wird sie von Jago getötet. 10. ("Othello") Zu spät realisiert auch Othello Jagos hinterlistige Machenschaften, bricht zusammen, weil er seiner Gattin bitter Unrecht getan hat, und begeht Selbstmord. Die Parallele zwischen dem Shakespeare-Drama und dem Roman "Der Neue" wird schon durch die Ähnlichkeit der Namen und Rollen deutlich: Othello, "der Mohr von Venedig", entspricht Osei, genannt O., aus Ghana Desdemona, Othellos Ehefrau, entspricht Daniela, genannt Dee, Oseis Freundin Jago, ein Soldat niederen Ranges, und Vertrauter Othellos, entspricht Ian, einem intriganten und streitsüchtigen Mitschüler, der Kontakt zu Osei sucht Emilia, Jagos Ehefrau und Desdemonas Zofe, entspricht Mimi, Ians Freundin und Dees Vertraute Rodrigo, ein Edelmann, entspricht Ron, der sich von Ian zum Handlanger machen lässt Cassio, ein integrer Soldat und zunächst Vertrauter Othellos, entspricht Caper, einem tadellosen Schüler und anfangs Freund von Ian Bianca, Cassios Mätresse, entspricht Blanca, Caspers Freundin. 1. ("Der Neue") Osei - die Hauptfigur in "Der Neue" - ist ein dunkelhäutiger Junge, der aus Ghana stammt. Er ist aufrichtig, benimmt sich korrekt, hegt keinen Argwohn gegenüber dem intriganten Ian, dem er bis zum Schluss vertraut. Viele Mitschüler äußern ihm gegenüber Vorurteile, sein Klassenlehrer hätte ihn am liebsten nicht auf der Schule, schon gar nicht in seiner Klasse. 2. ("Der Neue") Osei und Dee, ein allseits beliebtes und hübsches Mädchen, fühlen sich zueinander hingezogen und freunden sich schnell an, obwohl Dee ahnt, dass ihrer Mutter die Verbindung wohl nicht recht wäre. Doch für Dee zählt nicht die Hautfarbe, sondern der Charakter eines Menschen. Beide wollen sich den neugierigen Blicken der Kameraden entziehen und treffen sich in den Pausen heimlich an einer entlegenen Ecke des Schulhofes, um miteinander zu reden. Doch man beobachtet sie trotzdem und tuschelt über "das Liebespaar". 3. ("Der Neue") Auch der Mitschüler Ian sucht den Kontakt zu Osei. Bei sportlichen Pausenaktivitäten kommen sie sich etwas näher. Als "der Neue" sich in der Schulmensa jedoch an den Tisch von Casper, einem absolut unbescholtenen Schüler, setzt, fühlt Ian sich abserviert. In ihm reift ein perfider Rache-Plan: Er will Dee und Osei auseinanderbringen, indem er Osei eifersüchtig macht. 4. ("Der Neue") Für sein Vorhaben lässt sich Ron, ein Cliquenmitglied, instrumentalisieren: Er zettelt in Ians Auftrag einen Disput mit Casper an, der sich provozieren lässt und Ron ein blaues Auge verpasst. Ian bittet Dee, bei Osei ein gutes Wort für den bis dato völlig unbescholtenen Casper einzulegen. Und Osei reagiert wie von dem Intriganten geplant: Er fragt sich, welche Motivation Dee für die Fürsprache haben mag. Geht sie etwa mit Casper? In ihm keimt Eifersucht auf. Von Ians hinterlistigen Machenschaften ahnt er nichts und vertraut ihm weiterhin. 5. ("Der Neue") Gleichzeitig macht Ian gegenüber Osei vage Anspielungen, dass Dee vielleicht nicht das "saubere" Mädchen ist, für das sie alle halten, und deutet eine engere Beziehung zu Casper an. Oseis Eifersucht bekommt Nahrung, er beobachtet die beiden argwöhnisch. 6. ("Der Neue") Der Zufall hilft Ian: Osei musste an diesem ersten Schultag mit der rosafarbenen Erdbeerfedertasche seiner Schwester zum Unterricht gehen, da seine eigene zu Hause nicht auffindbar war. Dee, die bemerkt hat, dass ihm dies äußert peinlich ist, tauscht sie kurzerhand gegen ihre, vergisst sie jedoch in der Mittagspause. Als ihre Busenfreundin Mimi sie findet, übergibt sie den Fund auf sein Drängen Ian, der gerade mit ihr angebandelt hat. Der jedoch reicht das Mäppchen an Casper weiter, der mit Blanca geht, die gerne offen ihre Zuneigung zu dem Jungen zeigt. 7. ("Der Neue") Als Osei wenig später nach einem entsprechenden Hinweis von Ian das Erdbeertäschchen bei Blanca sieht, ist ihm klar, dass Casper etwas damit zu tun haben muss. Die einzige Möglichkeit besteht für ihn darin, dass Dee es ihm gegeben hat - die Federtasche seiner Schwester, eine Erinnerung an sie, die er seiner Freundin Dee anvertraut hat. 8. ("Der Neue") Für ihn bricht eine Welt zusammen. Er stellt Dee, die ihre Unschuld beteuert, zur Rede, schubst sie dabei wütend, sodass sie hinfällt. Doch gegenüber den herbeieilenden Lehrern nimmt sie die Schuld für den Sturz auf sich. Osei bittet sie nach Schulschluss zu einem klärenden Gespräch aufs Klettergerüst. Das Mädchen beteuert - wie auch schon zuvor - immer wieder, dass sie nichts mit Casper hat und gesteht, dass sie die Federtasche mittags in der Schule gelassen hat, sie ohne ihr Zutun den Weg zu Casper bzw. Blanca genommen haben muss. Doch vergeblich: Osei beschimpft sie als Hure, und Dee läuft völlig aufgelöst weg. 9. ("Der Neue") Dees Busenfreundin Mimi findet den aufgewühlten Osei auf dem Klettergerüst. Ihr ist mittlerweile klar geworden, welches perfide Spiel Ian getrieben hat, und erklärt dem verzweifelten Jungen die Zusammenhänge. Als sie zu ihm hochklettern will, zieht Ian sie mit Gewalt herunter, sodass sie auf den Asphalt knallt, wo sie schwer verletzt liegenbleibt. 10. ("Der Neue") Kurz darauf stürzt sich Osei vom höchsten Punkt des Gerüstes hinunter.

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Was bin ich im Englischunterricht mit Shakespeare gequält worden. Aber wie bei so vielen literarischen Werken, die mir in der Schule aufgezwungen wurden, weiß ich erst jetzt, diese zu schätzen. Interessant finde ich daher ein Projekt, das in Deutschland im April 2016 startete, anlässlich des 400. Todestages von Shakespeare: International bekannte und erfolgreiche Autoren haben die Möglichkeit, ein Werk von Shakespeare auf ihre spezielle und persönliche Art und Weise neu zu erzählen. Der Knaus Verlag - als deutscher Partner dieses Projektes (federführend ist The Hogarth Press, UK) - hat bereits etliche Shakespeare Neuerzählungen veröffentlicht. Eine davon stammt von Tracy Chevalier, welche sich mit "Der Neue" der Tragödie "Othello" angenommen hat. "Othello", in seiner ursprünglichen Form, ist schnell erzählt: Im Großen und Ganzen geht es um Liebe, Verrat und Eifersucht. Also Themen, die immer aktuell und für einen Bestseller gut sind. Othello ist ein schwarzer Feldherr im Venedig des 15. Jahrhunderts, der sich in die schöne Desdemona verguckt ... und sie sich auch in ihn. Auch andere haben ein Auge auf Desdemona geworfen. Der böse Bube in dieser Geschichte ist Jago, ein Untergebener Othellos und Meister der Intrige. Ob durch Eifersucht, Fremdenhass oder purer Boshaftigkeit ... Jago schafft es am Ende, unter Mithilfe anderer Beteiligter, die er schachfigurengleich in seinem Intrigenspiel einsetzt, dass Othello übelst eifersüchtig auf Desdemona wird und die Arme am Ende umbringt. Falsche Entscheidung! Denn nachdem er erfährt, dass Desdemona unschuldig war, nimmt er sich selbst auf spektakuläre Weise das Leben. Tracy Chevalier hat in ihrer Version einen Schauplatz gewählt, der herzlich wenig mit dem malerischen und prunkvollen Shakespeare-Venedig zu tun hat: ein amerikanischer Schulhof im Amerika der 70er Jahre; und ihr "Othello" ist kein Feldherr sondern ein 14-jähriger farbiger Schüler. Bei der Namensgebung hat sich die Autorin an dem Original orientiert: Othello = Osei, ein afrikanischer Diplomatensohn, der seinen ersten Tag an dieser Schule verbringt; und man wundert sich, welche Tragödien sich auf einem Schulhof abspielen können Desdemona = Dee, wohlbehütete Tochter, gutaussehend, Lehrerliebling, die von Osei magisch angezogen wird, da er für sie ein anderes Leben als ihres verkörpert; so ganz nebenbei sieht er auch noch gut aus, hat wenig pubertäres und rüpelhaftes Gehabe an sich, wie andere Jungs seines Alters Jago = Ian, der Schrecken der Schule, leicht gestört, hat Spaß daran, andere zu schikanieren und zu manipulieren; definiert sich über die Angst, die andere vor ihm haben (Dies sind die 3 Hauptcharaktere. Auch die Nebencharaktere sind von Tracy Chevalier selbstverständlich in Bezug zum Original angelegt.) Osei hat seinen ersten Tag an der Schule in dieser amerikanischen Kleinstadt. Er ist der einzige Farbige. Dementsprechend trifft er auf viel Be- und Verachtung. Kaum zu glauben, aber auch im Lehrerkollegium hält man sich nicht mit rassistischen Äußerungen zurück. Nur wenige Kinder begegnen ihm freundlich. Eine davon ist Dee, die sich schnell in ihn verguckt. Die Empfindungen beruhen auf Gegenseitigkeit und bereits in der ersten Pause, wird die Beziehung klar gemacht. Dee und Osei „gehen“ also miteinander. Ian passt nicht, dass Osei so viel Beachtung erhält. Daher spinnt er ein Netz aus Intrigen. Und mit Schulschluss kommt es zum Supergau. Bei Tracy Chevaliers Roman war ich von Anfang an gespannt, ob sie sich auch beim Ende an Shakespeares Theaterstück orientiert. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es zum Schluss Tote geben wird. Wir befinden uns schließlich auf einem Schulhof mit 14-Jährigen, die i. d. R. aus „normalen“ Verhältnissen kommen. Hätte sie die Geschichte irgendwo in einem sozialen Brennpunkt angesiedelt, hätte ich mit allem gerechnet. Daher war ich sehr gespannt über ihre Auflösung, werde aber an dieser Stelle nicht spoilern. Die Autorin inszeniert ihre Version wie ein Theaterstück. Wie im Original gibt es 5 Kapitel (Akt 1 bis 5), die in einzelne Szenen unterteilt sind. Zu Beginn jeder Szene erhält man zunächst einen Überblick: wer befindet sich wo und ist womit beschäftigt. Der Schauplatz konzentriert sich dabei hauptsächlich auf das Klassenzimmer und den Schulhof. Hier interagieren die einzelnen Charaktere. Durch Wechsel in der Erzählperspektive erfährt der Leser, was die einzelnen Charaktere fühlen bzw. was sie zu ihrem Handeln antreibt. Im Unterschied zum Original lässt Tracy Chevalier einzelne Szenen wiederholen, indem sie diese aus der Sicht unterschiedlicher Perspektiven schildert. Dadurch wird das Geschehen intensiver wahrgenommen. Wenn man Shakespeares Othello kennt, weiß man, was passieren wird. Trotzdem durchzieht diesen Roman eine ungeheure Spannung, unterschwellig meint man, ein Brodeln zu verspüren. Man kann fühlen, dass sich etwas anbahnen wird. Schaurig schön! Mit einer Sache hatte ich meine Schwierigkeiten. Wir reden hier von 14-Jährigen pubertierenden Schülern. Bei Tracy Chevalier entwickeln diese Schüler Gedankengänge und Ideen, die manch ein Erwachsener nicht entwickeln würde. Diese Reife und Fähigkeit, Gefühle in komplexen Aussagen zu erfassen, hat mich teilweise befremdet. Insbesondere Ian, der Intrigant, formuliert seine Geisteshaltung in einer Art, die man eher von einem ausgewachsenen, hochintelligenten Psychopathen erwarten würde, aber nicht von einem 14-Jährigen. Daran muss man sich gewöhnen. Diese Gestaltung der Charaktere ist wahrscheinlich der Inszenierung geschuldet, die Tracy Chevalier in ihrem Roman vermitteln wollte. Sicherlich gibt es noch mehr in diesem Roman zu entdecken. Ich kann mir vorstellen, dass eine Deutsch- oder Englischklasse großen Spaß an einer Gegenüberstellung von Roman und Theaterstück hätte. Tracy Chevalier gibt dem Originalwerk einen verblüffenden neuen Anstrich und beweist, dass Shakespeare immer zeitgemäß ist und seine Aktualität nie verlieren wird. Leseempfehlung! © Renie

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Tracy Chevaliers „Der Neue“ erschien im Rahmen des Hogarth Shakespeare Projekts, das die Klassiker von beliebten Autoren in ein neues, modernes Gewand stecken soll. Auch hier kenne ich das Original nicht, deshalb werde ich nur die Geschichte, wie sie ist, und nicht, ob sie nah am Original ist etc. besprechen. Es geht um Osei, auch schlicht O genannt, der zum wiederholten Male an eine neue Schule kommt. Obwohl das Washington der 70er Jahre als „Chocolate City“ bekannt ist, hat Osei es als einziger Schwarzer schwer. Alle Kinder beäugen ihn kritisch, mögen ihn nicht berühren und halten sich von ihm fern. Dass sich nun eines der beliebtesten Mädchen der Schule mit Osei anzufreunden scheint, passt einigen der Jungs auf dem Schulhof überhaupt nicht, und Ian, vor dem alle Angst haben, plant ein Komplott, dass Osei und Dee schnell wieder auseinander bringen soll… "Weiße stellten immer Fragen, die mit der Haarpflege zu tun hatten. Und konnten Schwarze eigentlich auch einen Sonnenbrand bekommen? Oder braun werden? Waren sie von Natur aus besser im Sport und wenn ja, warum? […]" Chevaliers Geschichte rund um Dee und Osei hat mir sehr viel Spaß gemacht; der Erzählstil ist flüssig und die Abschnitte des Buchs sind in „Große Pause“ oder „Mittagessen“ gegliedert, so weiß man sofort, in welchem Zeitrahmen man sich die Geschehnisse denken muss. Die Ankunft Oseis in der Schule gestaltet sich trotz der eigentlich toleranten Zeiten und Gegend schwierig, alle anderen Schüler scheinen ihn anzustarren und die Lehrer, die es eigentlich besser wissen sollten, stempeln ihn als minderbemittelten, dummen Jungen ab. Nur Dee ist sofort Feuer und Flamme für den „Neuen“, auch wenn sie sich bewusst ist, dass sie dafür zahlreiche komische Blicke erntet. Die Beziehung zwischen den Beiden entwickelt sich auch gleich zu einer kleinen Liebelei und noch in der ersten Pause fragt Dee Osei, ob er „mit ihr gehen“ möchte; die Zwei kommen also von vornherein miteinander klar. Dass das Neider auf sich zieht, ist klar, ist Dee doch eines der beliebtesten Mädchen an der Schule. Zudem wirbelt Osei mit seinem „Anderssein“ und seiner Art die Dynamik des Pausenhofs gehörig auf und dies bleibt ebenso wenig frei von Neid und Argwohn. Das Original von Shakespeare, das dieser Geschichte zugrunde liegt, Othello, kannte ich auch dieses Mal nicht (Schande über mein Haupt), dennoch finde ich, dass die Dramatik, mit der Beziehungen geschlossen und Feindschaften besiegelt werden, direkt an Shakespeare erinnert. Für 11-Jährige vielleicht ein wenig unpassend, doch denkt man sich Tracy Chevaliers „Der Neue“ an eine Highschool mit Teenagern, erscheint die Geschichte schon viel realistischer. Der Schreibstil von Chevalier gefällt mir wirklich wunderbar, er war flüssig zu lesen und erschien mir sehr authentisch, sodass ich das Buch direkt in einem Rutsch ausgelesen habe. Durch mehrere Rückblenden in die Zeit vor Oseis Umzug nach Washington erfahren wir zudem auch noch mehr über seine Schwester, die der Black Power Bewegung angehört, und auch über seine Eltern — spannend! Sehr gern hätte ich mehr über seine Familie gelesen. Während Osei und auch Dee so etwas mehr Hintergrund erhalten, bleiben die anderen Personen des Schulhofs etwas blass, besonders für Ian hätte ich mir etwas mehr Informationen gewünscht, warum er so ist, wie er ist, und warum er nach dem Unglück der anderen trachtet. Fazit: Tracy Chevalier ist hier ein wirklich toller Roman gelungen. Zwar kann ich keinen Vergleich zum Original ziehen, doch haben einige andere Rezensionen sich positiv über die Verarbeitung Shakespeares‘ Werk ausgesprochen. Ich jedoch kann lediglich den Roman für sich beurteilen. Chevaliers Erzählsprache ist wunderbar leicht und gut zu lesen, sodass man — schwuppdiwupp — relativ schnell durch den Roman fliegen kann. Wer das Original kennt, wird mit diesem Werk vermutlich noch mehr Spaß haben als ich, aber auch für „Unbelesene“ ist „Der Neue“ sehr empfehlenswert!

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