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Rezensionen zu
Fallensteller

Saša Stanišić

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€ 19,99 [D] inkl. MwSt. | € 20,60 [A] | CHF 27,90* (* empf. VK-Preis)

„Ein vom Leben nicht gerade verwöhnter Mann hat eine Leidenschaft für Magie. Er bittet um Stille für die große Illusion – aber die Gemeinde trinkt Kaffee und hält nicht still. Zwei Freunde jagen mit Karacho und Geschick ihren Sehnsüchten hinterher, quer durch Europa: einer christlichen Menschenrechtsaktivistin, einer syrischen Surrealistin, einem bedrohten Vogel. Ein geheimnisvoller Fremder behauptet, Fallen herstellen zu können für jeden Zweck, nicht nur für das Tier. Acht Geschichten über Menschen, die Fallen stellen, Menschen, die sich locken lassen, Menschen, die sich befreien – im Krieg und im Spiel, mit Trug und Tricks, mit Mut und Witz.“ Zu Beginn möchte ich anmerken, dass es sich hier um einen Band von Erzählungen handelt, was vielleicht nicht für jeden etwas ist. Es ist keine zusammenhängende Geschichte, sondern viele kleinere, meist kurze, Erzählungen über Menschen und Erlebnisse aus ihrem Leben. Manche Figuren kommen in mehreren Erzählungen vor, manche nicht. Wenn euch das Buch interessiert – dann lest vor dem Kauf erstmal die Leseprobe, damit ihr sicherstellen könnt, dass es euch zusagt. In seinem Erzählband stellt Saša Stanišić der Leserin selbst Fallen. Keine hinterhältigen Fallen, keine, in die man tappt und sich gefangen fühlt. Er fängt den Geist, er fängt die Meinung und regt zum Nachdenken an. Mit seiner schlichten und doch unglaublich kunstvollen, bunten Sprache kreiert Saša Stanišić wunderbare Bilder in denen sich ein jeder, wenn man sich darauf einlassen kann, geborgen fühlen kann. Es ist nie eine perfekte Welt. Stanišićs Charaktere haben alle ihre größeren oder kleineren Probleme und führen bei weitem kein perfektes Leben, aber die Ehrlichkeit, mit der sie einander und sich selbst begegnen, macht sie nahbar. „Manchmal […] verliere ich angesichts völlig banaler Dinge die Kontrolle über meinen Traurigkeitshaushalt. Ich werde so sehr traurig, dass die einzige Kommunikation, zu der ich noch in der Lage bin, keine Kommunikation ist.“ (Die immens schönen tragischen blöden glückseligen deutschen Flüsse, S.54) Da ist der ältere Mann, der es im Leben nie leicht hatte. Nur die Magie und Zauberkunst fällt ihm leicht. Sie begeistert ihn, er saugt alles förmlich in sich auf und wünscht sich, dass er andere für seine Leidenschaft begeistern kann. Da ist Georg Horvath, der ein augenscheinlich perfekt geordnetes Leben führt. Alles ist voller Präzision, sein Beruf, sein Zuhause, seine Frau. Doch tief in sich sehnt er sich nach etwas anderem als Präzision. Und so lässt er sich verwechseln, damit er seinem Alltag entfliegen kann. Da sind die beiden Freunde die, ohne ein klares Ziel, durch Europa reisen. Sie schleichen sich auf eine schicke Party auf einem Floß im Rhein, sie stehlen ein Gemälde einer syrischen Surrealistin von deren Ausstellung in Stockholm oder sie legen sich mit einem Pizzabäcker an. Alle von Saša Stanišićs Geschichten handeln vom Aufbruch und Ausbruch aus Alltäglichem. Von Abenteuer, von Mut, von Selbstverwirklichung. Seine virtuose Art zu erzählen lädt zum Nachdenken ein, zum Philosophieren. Wenn ihr mal ein etwas „anderes“ Buch sucht, dann kann ich euch diesen Band von Erzählungen wärmstens empfehlen. Lasst euch darauf ein und philosophiert ein bisschen, egal worüber.

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Nach seinen vielfach ausgezeichneten Romanen Wie der Soldat das Grammofon repariert und Vor dem Fest hat Saša Stanišić mit dem Fallensteller seinen ersten Erzählband vorgelegt – und erweist sich damit einmal mehr als großer Erzähler mit feinem Gespür für das Fabelhafte und Groteske. Dabei ist es vor allem das Reisen, das unterwegs und auf der Flucht sein, das ein wiederkehrendes Motiv der zwölf, zum Teil zusammenhängenden, Erzählungen darstellt. Stanišićs Geschichten führen nach Norwegen und Island, Frankreich und Jugoslawien, an die entlegensten Winkel Europas und in die tiefste deutsche Provinz. Sie handeln von Aufbruch und Abenteuer, vom Unheimlichen im Vertrauten und dem Wunsch nach Abstand vom Alltäglichen. Da ist zum Beispiel Georg Horvath, der als Justiziar einer Brauerei schon von Berufs wegen stets um Präzision bemüht ist – sich insgeheim jedoch nichts mehr wünscht, als einmal „selbst aus der Rolle zu fallen, Geschäftspartner mies zu behandeln, Termine zu vernachlässigen und zu Hause Pflichten.“ Dabei ist es nicht nur sein Arbeitsleben, das ihm beständige Gewissenhaftigkeit und Perfektion abverlangt, sondern auch das Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin Regina, die „professionell in allen Dingen“ ist – egal ob sie nun „ihre Patienten aufmacht“, oder „Auberginen aufschneidet“. Selbst im Privaten bleibt Horvath so keine Zeit für Müßiggang: „Auch zu Hause wäre er überflüssig gewesen, aber er hätte dabei unter dem Druck gestanden, sich nützlich zu machen. Denn für Regina war Zuhause ein Ort, der stetig optimiert werden musste, gesäubert, aufgeräumt, repariert. Nur durch kontinuierliche Arbeit an dem Zuhause blieb das Zuhause ein Zuhause.“ Da kommt Horvath die berufliche Reise nach Brasilien gerade recht, bietet sie ihm doch eine willkommene Gelegenheit, „an drei Tagen mehrheitlich überflüssig sein zu dürfen an einem warmen, voraussichtlich ansehnlichen Ort.“ Als Horvath aufgrund einer Verwechslung schließlich zu einem falschen Chauffeur ins Auto steigt, scheint sich seine größte Sehnsucht zu erfüllen: Endlich einmal nicht zu wissen, wohin die Reise hingeht. Ohne klares Ziel scheinen auch die beiden Freunde unterwegs zu sein, die auf ihrem – gleich mehrere Geschichten des Erzählbandes umfassenden – Roadtrip durch Nordeuropa immer wieder in geradezu grotesken Situationen geraten. Egal ob sie nun in Stockholm das Gemälde einer syrischen Surrealistin stehlen, einen albanischen Pizzabäcker erpressen, in Vaasa den finnischen Gott der Reise besuchen oder sich in Reykjavik auf die Suche nach der vom Aussterben bedrohten Turteltaube machen, mit der sie am Ende Karaoke in einer Hotellobby singen: Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fantasie scheinen stets fließend. Überhaupt sind die Beweggründe, die den namenlosen Ich-Erzähler und seinen Freund Mo bei ihren Handlungen antreiben, mit nüchterner Logik allein kaum zu erfassen: Ist es doch gerade ihre Faszination für das Unverständliche, die die beiden verbindet. „Mo und ich verstehen einander häufig nicht. Das ist in Ordnung, denn mehr als das Nichtverstehen fürchten Mo und ich das Verstehen. Zu versuchen, etwas zu begreifen, ist unermesslich anstrengender als verwirrt zu bleiben. Bloß geben wir das häufig nicht zu. Sind wir in einem Museum, loben wir erst mal alles, was nicht Wand ist, und manchmal auch die Wand.“ (139) Wie schon bei Horvath, hat das Reisen auch hier nur wenig mit einem klassischen Erholungsurlaub zu tun, ist es vor allem eine Flucht vor den alltäglichen Gewissheiten, die in Begriffen wie ,Heimat‘ und ,Zuhause‘ ihren Ausdruck finden. „Mo und ich sind unabhängig, ungebunden, unverzweifelt, privilegiert. Wir reisen, damit geschehen kann, was zu Hause nicht geschehen kann. Damit Zuhause nicht geschehen kann. Uns verbindet eine große Feigheit vor Nachbarschaften und Mitgliedschaften, vor Smalltalk mit dem Postboten, vor der Kaufberatung im Kaufhaus, vor Spieleabenden.“ Mitten hinein in einen solchen nachbarschaftlichen Mikrokosmos führt Stanišić schließlich mit seiner titelgebenden Erzählung Fallensteller. Mit dem uckermärkischen Fürstenfelde wählt er dabei einen Schauplatz, der seinen Lesern bereits aus seinem Roman Vor dem Fest mehr als vertraut sein dürfte. Dabei präsentiert sich die Erzählung nicht nur als ein Wiedersehen mit alten Bekannten – natürlich sind auch das Bäckerehepaar Zieschke, die Malerin Frau Kranz und der draufgängerische Lada hier wieder mit von der Partie –, sondern erzählt mit einem Augenzwinkern auch davon, wie es mit Fürstenfelde weiterging, nachdem es literarische Berühmtheit erlangt hatte: Wie „Literatur-Touristen“ auf „den Spuren des Buchs“ durch das Dorf radeln zum Beispiel oder ein „Lesezirkel aus Lübeck“ plötzlich in Ullis Trinker-Garage steht und Fotos mit den Dorfbewohnern machen will. Sie erzählt außerdem von dieser unangenehmen Sache, die im Roman unerwähnt blieb: von den Ratten in der Garage, die eine echte Zumutung sind. Da trifft es sich gut, dass eines Tages ein Fremder in Fürstenwalde erscheint, der sich auf das Fallenstellen spezialisiert hat. Und weil es in Fürstenfelde weit mehr als Ratten zu fangen gibt – Mäuse, Wölfe oder gar noch Schlimmeres – bleibt der geheimnisvolle Gast gerne etwas länger zu Besuch. Wie in fast allen Erzählungen des Bandes, ist es dabei vor allem die feine Mischung aus groteskem Humor, märchenhaften Elementen und purer Lust am Fabulieren, die den Fallensteller seinen einzigartigen Charme verleiht. Dabei sollte man sich als Leser nicht davon irritieren lassen, dass mit der Geschichte rund um den angehenden Magier Ferdinand Klingenreiter und Billard Kasatschok ausgerechnet zwei der eher schwächeren Erzählungen den Auftakt des Bandes bilden. Spätestens mit Die immens schönen tragischen blöden glückseligen deutschen Flüsse tritt so schließlich jene, mit Melancholie gepaarte, sprachliche Virtuosität wieder zutage, die Stanišić zu Recht den Ruf eingebracht hat, einer der talentiertesten Erzähler der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur zu sein.

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Sätze, die man nicht schon mal irgendwo gelesen hat

Von: Liesbeth Völkel aus Naila

19.12.2017

An einem nasskalten Nachmittag im oberfränkischen Sibirien - eigentlich suchte ich nur nach Bastelpapier für Goldsterne - lag dieser schön gestaltete Erzählungsband in der einzigen Buchhandlung unserer Kleinstadt. Ohne es zu merken hatte ich schon ca eine Viertelstunde im Stehen gelesen, vergaß ich anscheinend wo ich war, und erst die Stimme einer Verkäuferin "Das Buch g'fällt Ihnen wohl?" riss mich aus dem luziden Traum, in den mich das Buch hineinversetzt hatte. Ja - es gefällt mir sogar sehr, sagte ich - solche Sätze hat man nämlich nicht schon einmal irgendwo gelesen. Weihnachten wird spannend (sagt das Fernsehen und weist auf Thriller hin, die man nicht verpassen darf.) Weihnachten wird harmonisch (sagen die gratis Lifestyle-Prospekte der Ladenketten). Ich schenke mir einfach dieses Buch mit den Libellenflügeln, und lese es zu Weihnachten aus. Das wird jedenfalls - für ganze zehn Euro - eine schöne Reise.

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Fallensteller ist eine Sammlung an Kurzgeschichten, die von Menschen handeln, die im wörtlichen oder im übertragenen Sinne Fallen stellen. Es sind Menschen, die sich Verlockungen hingeben und Menschen, die sich befreien – sei es im Krieg und Spiel, mit Trug und Tricks oder Mut und Witz. So geht ein alter Mann seiner Leidenschaft als Magier nach, wird vom Publikum aber nicht gehört. Anders zwei Freunde, die gemeinsam durch Europa ziehen und dabei lügend und stehlend geschickt ihren Sehnsüchten hinterherjagen. Nicht zuletzt schreibt der Autor über den Fallensteller, einem Fremden, der helfen will und dazu Lösungen anbietet, die auf den ersten Blick nicht immer welche sind. Stanišić weiß mit diesem Balanceakt aus Gegensätzen umzugehen. Seine Kurzgeschichten und Charaktere spiegeln dies wieder. Die Figuren sind genauestens ausgestaltet, aber wirken dennoch einfach. Vielleicht liegt das an der humorvollen Charakterisierung. Denn tatsächlich sind es oft die Charaktere und weniger die Ereignisse, die im Fokus stehen. Letztlich sind es gerade die Dinge, die leicht erscheinen, hinter denen sich großes Können verbirgt. Außerdem erlebt der Leser die Geschichten entsprechend aus Sicht der Protagonisten. Dass alle Charaktere sympathisch sind, heißt es jedoch noch lange nicht. Vielmehr hat man für die eine Figur verständnisloses Kopfschütteln übrig, für die andere Person schlicht Mitleid. Doch gerade das macht die Kurzgeschichten so besonders und die individuellen, teils anstrengenden Charaktere für die Dauer einer Kurzgeschichte erträglich. Einige Kurzgeschichten erfahren innerhalb des Buches eine Fortsetzung in einer nächsten Kurzgeschichte. Das hat mir gut gefallen, denn hatte man sich gerade an Handlung oder Charaktere gewöhnt, so muss man sich nicht gleich davon verabschieden. Mir haben nicht alle Kurzgeschichten zugesagt. Durch die einen habe ich mich durchgekämpft, die anderen regelrecht verschlungen. Aufgrund von Tiefgründigkeit und Moral hat mir die Kurzgeschichte, die zugleich Namensträger des Buches ist, am besten gefallen. Interessanterweise ist dies auch die mit Abstand längste Geschichte. Eine Übersicht über alle Kurzgeschichten findet sich auf den letzten Seiten. Nicht zuletzt zeichnet sich das Werk durch den unverwechselbaren Schreibstil des Autors aus. Stanišić weiß ganz klar Dinge anzusprechen, die sonst in Gedanken, wenn nicht gar im Unterbewusstsein, verborgen bleiben. Das erreicht er durch eine kreative und sehr bildhafte Ausdrucksweise wie es die folgenden Beispiele andeuten: „Thomas verstand nicht, der Applaus übersetzte es ihm.“ (15) oder „Ein Keiler übt an den Tomaten Rache für den Wildschweinbraten.“ (169). Ich habe lange gebraucht, bis ich das Buch beendet hatte. Da es sich aber um Kurgeschichten handelt, die bekanntermaßen in sich abgeschlossen sind, war das kein Problem. Eigentlich bin ich kein großer Fan von Kurzgeschichtenbänden. Trotzdem halte ich Fallensteller für lesenswert und kann das Buch jedem empfehlen, der sich für ein paar kurze Momente von einem einzigartigen Schreibstil gefangen nehmen lassen möchte.

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„Auf so einen bist du nie vorbereitet, mit seinem Gepäck voll Allerlei: Sprache, Mut und Zauberei“, das ist der letzte Satz der Erzählung Fallensteller, die dem kürzlich erschienen Erzählband von Saša Stanišić seinen Namen stiftet. Dieses Zitat kann durchaus als Sinnspruch für das Erleben dieses eindrucksvollen Werkes gelten – Stanišić erschafft in seinen Geschichten eine literarische Spiegelwelt voller Seltsamkeiten, Anlässen zum Wundern und Staunen. Sein unberechenbarer Stil ist dabei ein Abbild seiner eigenen Biographie – voller Unwegsamkeiten, Brüchen und einer melancholisch angehauchten Heiterkeit. Komplette Rezension unter http://postmondaen.net/2016/07/21/sasa-stanisic-fallensteller/

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"Ein vom Leben nicht sehr verwöhnter alter Mann hat eine Leidenschaft für die Magie. Er bittet um Ruhe für die Große Illusion. Aber die Gemeinde trinkt Kaffee und hält nicht still. Anders der Fremde, er ist geduldig. Er will helfen, sagt er und bietet Lösungen an: manche sind keine, manche tun weh, und manche haben Gitter aus gebogenem Draht. Zwei Freunde ziehen durch Europa, sie reden und meiden das Zuhören, sie lügen und stehlen, jagen mit Karacho und Geschick ihren Sehnsüchten hinterher: einer syrischen Surrealistin, einem bedrohten Vogel und Rebekka. Um nur ein paar zu nennen. Dies sind Geschichten über Menschen, die Fallen stellen, Menschen, die sich locken lassen, Menschen die sich befreien - im Krieg und im Spiel, mit Trug und Tricks und Mut und Witz. " Fallensteller zog mich schon alleine wegen des Covers magisch an. Die Farben und die Libelle wirkten irgendwie beruhigend und dennoch spannend. Ich wusste sofort es würde eine besondere Lektüre werden. Dieses Buch beinhaltet 12 verschiedene Erzählungen. Man könnte nicht behaupten, dass die Erzählungen aufeinander aufgebaut sind oder dass die immer aufeinander Bezug nehmen. Es ist vielleicht nicht die Geschichte und Inhalt an sich, es sind Emotionen und Wünsche die diese Erzählungen miteinander verbinden lassen. Erst musste ich mich an die an die Schreibweise des Autors gewöhnen, doch der Einstieg fiel mir trotzdem leicht. Der Schreibstil ist etwas anders als man es sonst kennt. Man liest viel zwischen den Zeilen und die poetische und tiefsinnige Bedeutung des Geschriebenen für sich zu deuten. Es ist mein erstes Werk des Autors und ich habe mich jetzt schon unheimlich in seine Sprache und fabelhafte Art die Geschichte zu erzählen. Ein wenig habe ich ihn mit Mathias Malzieu verglichen. Sasa Stanisic ist ein wahrer Zauberer der Worte, einer der die normalsten Dinge magisch und außergewöhnlich wirken lässt. Als ich Fallensteller im Briefkasten entdeckte, machte mein Herz einen kleinen Sprung. Ich setzte mich sofort auf die Couch und fing an zu lesen, dabei total vergessen dass ich doch eigentlich noch weg wollte. Im Ferienlager im Wald und Fallensteller, diese Geschichten sind meine Favoriten, die anderen waren aber auch durchaus überzeugend. Fallensteller, diese Geschichte hat mich total verzaubert. Hier geht es um Fürstenfelde. Sehr ungewöhnliches Werk, eins welches ich mir schon länger wünschte. Diese Art, wie man von der Sprache und Sätzen gefangen und nicht mehr losgelassen wird. Ich glaube es ist mein neuer Lieblingsautor. Sehr lesenswerte Lektüre, außergewöhnlich und unterhaltsam. Mit Hoffnung auf mehr, Glück und Zuneigung.

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Ganz bewusst habe ich im Falle von „Fallensteller“ das Hörbuch ausgewählt, denn Saša Stanišic ist ein wunderbar lebendiger Erzähler – das ist schon mehr als Vorlesen, das ist Inszenierung und Spielerei. Normalerweise habe ich lieber den Text in der Hand, die Buchstaben und Sätze vor Augen und inszeniere innerlich selbst. Aber hier ist das Zuhören ein großer Genuss. Vielleicht ist es jedoch sinnvoll, zusätzlich das Buch zu lesen, um zu spüren, wie sich dann die Geschichten öffnen. Mir scheint, sie sind dringlicher, tiefer, als es durch die lockere Vortragsweise Stanišic´ zum Ausdruck kommt. Im Hörbuch finden sich ausgewählte Erzählungen, nicht das komplette Buch und manchmal auch gekürzt vorgetragen, wobei Stanišic das Fehlende dann erläutert und somit einen Übergang schafft. Sie sind schon sehr witzig und sprühen vor Sprachlust, die man dem charmanten Autor auch beim Vorlesen/Erzählen anmerkt. Da ist einer voller Leidenschaft bei dem was er tut. Und doch wird hinter dem Lustigen auch bald eine tiefe Melancholie spürbar. Stanišic schafft es meist, nicht immer, kurz bevor er mit seiner Komik überdreht und ins Alberne gleitet, eine Wendung hinzulegen. Und dann kommt es zu solchen wunderschönen Szenen wie die in der „Ferienlager im Wald“-Geschichte (die auch mein Favorit ist), als der Aussenseiter Jörg mit den großen Ohren aufsteht und sich endlich traut den Mund aufzumachen und mit seinen Worten alle zum Staunen bringt. „Jörgs Stille. So eine Stille kommt in der Natur gar nicht vor. […] Eine Stille kannst du nur dann besitzen, wenn du was zu sagen hast, was wichtig war.“ Oder „Die große Illusion am Säge-, Holz- und Hobelwerk Klingenreiter Import Export“, in der der Hobby-Zauberer mit seiner Leidenschaft endlich ernst genommen wird und das auch noch vom Neffen im Teenageralter. Oder „Georg Horvath ist verstimmt“, in der Justitiar Horvath ein Geschäft in Rio de Janeiro abschließen soll, aber aufgrund einer Buchstabenverwechslung im Namen im Dschungel landet auf den Spuren eines Vogels mit dem klingendem Namen Pica-paul-de-cabeça-amarela. Wer den Roman „Vor dem Fest“ kennt, begegnet alten Bekannten aus dem Dorf Fürstenfelde in der Uckermark, die mit einem „Fallensteller“ der besonderen Art konfrontiert werden. Ein Rattenfänger der in Versen spricht? Unglaublich … Stanišic ist auch ein großer Worterfinder, da kommen solche Worte wie „Erinnerungsamtsstube“ oder eine „sich räuspernde Fabrik“. Seine Geschichten quellen über vor Fantasie und Fabulierfreude. Klang und Rhythmus treiben den Text voran, Wortwiederholungen verstärken und alles zusammen macht jenen bestimmten stanišic´schen Ton aus.

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"Der Druck von hinten, das Geschiebe. Mo und ich können ja nicht für immer dieses Leben selbst aussuchen. Es ist unausweichlich, dass wir irgendwann irgendwo bleiben und für jemand anderen, einen Polizisten vielleicht, unausweichlich sind." Für mich ist das neue Buch von Sasa Stanisic in all seinen verschiedenen Geschichten, genau immer wieder ein Buch über dieses Thema: Wie wir Menschen, und vielleicht auch wir Tiere, versuchen, uns unser Leben selber auszusuchen, wie von hinten geschoben wird, so dass wir dabei in Fallen geraten, unvermeidlich; wie wir uns danach sehnen, für jemanden, für etwas unausweichlich zu sein, wovor wir uns im gleichen Moment auch entsetzlich fürchten, weil diese Unausweichlichkeit ja die Falle schlechthin ist, in der man dann möglicherweise ein Leben lang sitzt. Alle Helden sind wirklich Helden in diesem Buch, weil sie sich so unglaublich ernsthaft und aufrichtig abmühen damit, Menschen zu sein. Dabei wird kaum ein Thema ausgespart, das uns heute beschäftigt. Dies geschieht in keinster Weise plakativ, sondern wie es die gesellschaftliche Aufgabe eines Schriftstellers idealerweise vorsieht, hat Stanisic bereits ganz viel von dem, was gerade erst geschieht, verdaut, daraus Geschichten gemacht, die das Außergewöhnliche bereits aus dem Blickfeld der Gewöhnlichen zu etwas macht, das ganz und gar zu zu uns und unseren Leben dazu gehört. Wunderbar ist das und poetisch ist das neue Buch von Sasa Stanisic auch, dabei so voller Fabulierlust, dass man beim Lesen süchtig wird. Selten trauen sich Autoren, ihrer Fantasie so derart freien Lauf zu lassen. Wenn sie es tun, ist es in den meisten Fällen nicht so gut, wie bei Stanisic. Ich bin noch nie einem Autor in den Wald gefolgt, um mit einer Hirschherde "eine Runde Fifa auf der X-Box zu spielen, und alle Hirsche wollen als FC Bayern spielen", der Oberhirsch heißt auch noch Dietmar, ganz ehrlich, das könnte mir kein anderer Autor unterjubeln, ohne dass ich das Buch zuschlagen und mich etwas anderem widmen würde. Aber bei Stanisic ist die Fabulierlust so meisterhaft, so tiefgründig und wunderschön, dass ich in der U-Bahn mehrere Stationen zu weit fahre, mit Dietmar, und irgendwann verwundert feststelle, dass die U-Bahn nicht mehr fährt, sondern in einer Art dunklem Tunnel steht, leer, das Licht innen geht auch aus. Ich panicke. Dietmar, wo sind wir? Da kommt der BVG-U-Bahnfahrer, grinst meine Panik an, geht im dunklen Tunnel außen an der Bahn vorbei, winkt majestätisch, steigt am anderen Ende wieder in die U-Bahn-Fahrerkabine ein und fährt aus dem Tunnel raus. Das Licht geht an und ich merke, ich bin über die Endhaltestelle hinaus gefahren und jetzt ist diese Endhaltestelle die Anfangshaltestelle. Das macht aber nichts. So habe ich mehr Zeit zum Lesen gewonnen. Fallensteller also, ein Band voller Erzählungen, erschienen im Luchterhand Literaturverlag. Ich gebe zu, die ersten beiden Geschichten haben mir nicht so gut gefallen, auch im Rückblick mag ich sie nicht. Ich wollte das Buch schon beiseite legen, war auch ein bisschen enttäuscht. Aber immerhin war es Stanisic, ich hatte ihn schon einmal live gesehen, und ich hatte seine anderen Bücher gelesen und geliebt. Da legt man ein Buch nicht so einfach zur Seite, was eine gute Entscheidung war. Denn im dritten Kapitel schlug die Fanfalle zu und seitdem sitze ich darin fest, ziemlich beglückt, beschwipst von dieser Sprache, die einfach immer weiter fließen sollte, wie Kölsch, oder meinetwegen Champagner, so dass ich nichts anderes mehr lesen muss. Auf trat also Mo, und eine Icherzählerin, die ich ewig für einen Icherzähler hielt, bis sie irgendwann, in der dritten oder so Geschichte von den beiden, als "deine Kleine" tituliert wurde, von den Pizzaalbanern. Da waren die Geschichten, die vorher schon gut waren, noch viel besser. Weil da dieses Kribbeln dazu kam, das eben da ist, wenn ein Typ und eine Kleine bestimmte Storylines zusammen erleben. "Mo und ich wollen zu den christlichen Menschenrechtsaktivisten stoßen, die auf einem Rheinfloß in einer Rheinstadt ein Rheinfest feiern. Das Wasser steht uns unsymbolisch bis zum Hals." Weil Mo in die Menschenrechtsaktivistin Rebekka aus Köln verliebt ist, schwimmen sie also durch den Rhein zu diesem Floß und mischen sich unter die Menschenrechtsaktivisten. Denn Mo ist niemand, der die Liebe leicht nimmt. "Mo bemüht sich einfach stärker um Liebe, als das heutzutage üblich ist, wo es oftmals reicht, dass zwei Menschen in die gleiche Richtung auf ihrem Smartphone wischen, um miteinander quasi schon im Bett zu landen." Ein andermal sind sie, auch wieder wegen Rebekka, auf einer Vernissage in Stockholm, wo sie dann eines der Bilder der ausstellenden syrischen Surrealistin stehlen, um es teuer zu verkaufen und ihr das Geld dann zukommen zu lassen. "Man kann ja nicht immer nur nichts tun." Mo und die Kleine begegnen uns immer wieder in den Geschichten, verfolgen eine Turteltaube in Reykjavik oder tauchen unangemeldet auf der Vor-Hochzeits-Party seiner Schwester Sabrina auf, wo Teams gebildet und Spiele gespielt werden. Ständig gibt es in diesen Geschichten Situationen, die peinlich sind und in denen man total als Alien auffällt. Großartig! Nach Mo treffe ich Hirten, auf der Romanija, wo es auch mal, fast, eine Fabrik gegeben hätte. Auch die haben mich sofort auf ihrer Seite. "Ich habe gehört, auf dem Karstklotz namens Romanija, zwischen öden Kalkschollen und Hügelgräbern aus Klaubsteinen, Gräbern für illyrische Hirten und jugoslawische Partisanen stehe eine Fabrik. Sie hat ein paar bescheidene Träume hergestellt. Die Hirten haben ihrem Räuspern gelauscht und hüten ihr Zögern." Schließlich ist da noch Georg Horvath. In einem Flugzeug auf dem Weg nach Brasilien sitzt er neben einem Asiaten, der ihn den ganzen Flug über, zu seiner Irritation, nicht beachtet, sondern Filme mit Außerirdischen schaut, während Georg Horvath sich den Inflight-Riesling so reichlich schmecken lässt, dass er sich nach der Landung verirrt. Auch ihm begegnen wir mehrfach. Ich habe das Buch noch lange nicht beendet, Gott sei Dank. Es wäre ein Jammer, all diese Charaktere, die so echt sind, und gleichzeitig so verrückt, schon wieder zu verlassen. Also, echte Charaktere müssen ja verrückt sein. So wie echte Menschen. Jeder hat schließlich seine Macken. Diese Macken erkennt und poetisiert Sasa Stanisic mit einer ungeheuren Leichtigkeit und Liebe zu den Typen und ihren Geschichten. Auch platzt das Buch vor Humor, einerseits, vor Melancholie andererseits, weil es eben nicht so leicht ist, dieses Leben, man verzettelt sich, so mag es erscheinen, unvermeidlich. Aber doch ist es eines der positivsten Bücher, die ich bislang in diesem Jahr gelesen habe. Es ist nicht so witzig, dass man ständig lachen müsste (wie mir das zum Beispiel bei Meyerhoff erging), sondern es ist feiner, so dass man lächelt, die ganze Zeit, beglückt, unter diesen Menschen gelandet zu sein, die so einzigartig, verrückt und verloren sind. Mo und Georg Horvath, so wie Lada, den wir schon aus "Vor dem Fest" kennen, gehören schon jetzt zu meinen Lieblingscharakteren in Büchern, also ich meine "Lieblingscharaktere aller Zeiten und für immer, nicht nur gerade jetzt". In "Vor dem Fest" gab es noch Momente, wo ich mich fragte, warum die Geschichte aufgeschrieben werden musste. Ich nahm Enden wahr, die irgendwie im Leeren verbaumelten. Aber bei Fallensteller kommt mir dieser Gedanke gar nicht mehr. Die Geschichten, die teilweise Fortsetzungen sind, dringen weiter in die Tiefe und in die Breite, sie führen stellenweise "Vor dem Fest" fort, erzählen auch, wie es dem Ort ging, der durch diesen Jugo-Autor plötzlich zu einer Art literarischen Metropole geworden ist. "Später sind dann "Literatur-Touristen hergeradelt, "auf den Spuren des Buchs". Kamen bei Ulli vorbei, wollten Fotos machen. Musst du dir mal vorstelle! Pichelst schön in aller Ruhe deine Molle, plötzlich latscht ein Lesezirkel aus Lübeck in die Garage." Die Geschichten locken die baumelnden Enden in die Falle, nicht alle, was aber gut ist, man darf sich schon auf Stanisics nächstes Buch freuen. Möge seine Fabulierlust niemals enden. Amen! © Susanne Becker

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