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Rezensionen zu
Berlin 1936

Oliver Hilmes

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Bei jedem Buch über das Dritte Reich frage ich mich, muss ich das wirklich noch lesen? Tatsächlich muss, kann und will ich nicht jedes Buch über die Jahre 1933-45 lesen. Aber die Lektüre von Oliver Hilmes Buch "Berlin 1936. Sechzehn Tage im August"? ist lohnenswert, gewährt das Buch doch tiefe Einblicke hinter die Kulissen von Sport und Politik in Zeiten der Diktatur. Bereits zwei Jahre vor der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 fiel die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin stattfinden zu lassen. Das nationalsozialistische Regime nutzte selbstredend die Spiele vom 1. bis 16. August 1936, um sich vor der internationalen Gemeinschaft als gutes, friedliebendes Deutschland zu präsentieren. Soweit reichen wohl die Kenntnisse deutscher Staatsbürger von heute. Oliver Hilmes begnügt sich aber nicht mit diesen historisch bekannten und verbreiteten Fakten. Er knüpft einen Teppich aus Geschichten. Jeder beschriebene Teppichfaden erzählt die Geschichte eines deutschen Bürgers oder internationalen Olympia-Gastes. Unter den deutschen Protagonisten finden sich Opfer, Täter oder Opfer-Täter und unter den internationalen Figuren tummeln sich Zweifler, Liebhaber oder Schmeichler des Nazi-Regimes. Jeder Faden gibt einen weiteren interessanten Aspekt des historischen Geschehens preis. Zusammen ergeben sie einen dichtgewebten Teppich deutscher Vorkriegs-Realität. Die beschriebenen 16 Tage im August lassen einen erschaudern: Wie viel Kalkül wurde im Einzelnen vom Regime und seinen Vertretern betrieben. Wie blind und taub waren die meisten Gäste wie Bürger. Wie hellsichtig und doch hilflos schaute eine erkennende Minderheit im In- wie Ausland zu. Es bleibt die Frage: Wie viel davon trifft auf unsere heutigen Zeiten mit internationalen Großereignissen etwa in Peking, Moskau oder Qatar zu?

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Trotz dreijähriger Nazi-Herrschaft präsentiert sich Berlin 1936 noch einmal als scheinbar weltoffene Stadt, denn die Olympischen Sommerspiele werden am 1. August eröffnet. Während immer offener Juden verfolgt und Kriegsvorbereitungen getroffen werden, will Hitler das Ausland mit der bisher aufwendigsten Olympiade beeindrucken und gleichzeitig den Schein eines friedlichen Landes wahren. Neben den Sportlern aus aller Welt finden sich viele nationale und internationale Größen in Berlin ein, um das Geschehen zu begleiten. Einer von ihnen ist der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe, der noch nicht ahnt, dass dieser Besuch in der von ihm geliebten Stadt ihn völlig desillusionieren wird. Oliver Hilmes schildert in seinem nach den einzelnen Tagen der Olympiade gegliederten Sachbuch Stimmung und Status quo in der Stadt aus der Sicht zahlreicher Zeitzeugen, darunter Schriftsteller wie Wolfe, jüdische Künstler und Barbesitzer, Sinti und Roma, Transvestiten, aber auch Nazi-Größen wie Joseph Goebbels. Der Ton des Buches ist erzählend – dementsprechend liest es sich für ein Sachbuch außergewöhnlich gut, wie eine Sammlung kurzer Erzählungen eben. Frappierend für den Leser ist der Kontrast zwischen Menschenmassen, die dem schwarzen Läufer Jesse Owens zujubeln, während es in Hitler angesichts dessen Erfolge kocht, und Ereignissen, die nur wenige Kilometer außerhalb stattfinden. So wird zur selben Zeit das Konzentrationslager Sachsenhausen errichtet. Unbegreiflich, dass dies ohne große Kenntnisnahme der ausländischen Besucher möglich war, denn es war möglich, sich zu informieren: „Die deutsche Exil-Presse berichtet in ihren Zeitungen beispielsweise ausführlich von Willkür und Unrecht im NS-Staat.“ (Seite 116) Hilmes führt als Beispiel eine Deutschlandkarte an, „die fast alle damals existierenden Konzentrationslager, Strafanstalten und Gerichtsgefängnisse lokalisiert“. Doch nicht alle Ausländer in der Stadt lassen sich von der Illusion blenden. So öffnet beispielsweise die in Berlin lebende amerikanische Literaturwissenschaftlerin und Übersetzerin Mildred Harnack Thomas Wolfe die Augen, macht ihm klar, welche Absichten die Nazis tatsächlich haben. Die geschilderten Ereignisse und Anekdoten ergänzt Hilmes durch Wettermeldungen und „Tagesmeldungen“ der Staatspolizeistelle Berlin, Verhaltensanweisungen des Pressedienstes der NSDAP sowie eine Reihe von aussagekräftigen Schwarzweißfotos. Es ergibt sich ein buntes Panorama einer Stadt, in der es brodelt und die bald nicht mehr bunt sein wird, in der das drohende Unheil jedoch nur von wenigen Gästen erkannt wird. Hilmes schließt sein Buch mit einem Kapitel, in dem er das weitere Schicksal der im Text genannten Personen kurz zusammenfasst. „Berlin 1936“ ist ein zugleich hochinteressantes und außergewöhnlich gut lesbares Sachbuch, in dem Zeitgeschichte lebendig wird. Rundum empfehlenswert.

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Tag für Tag, beginnend bei der Eröffnungsfeier a, 1. August und Endend mit der Abschlussfeier am 16. August lässt Hilmes in ganz eigener Weise mit einer spürbaren Intimität zu den vielen Personen, denen er je kurz nachgeht in diesen Tagen, die Olympiade von 1936 noch einmal vor den Augen des Lesers auferstehen. Er macht es konkret. Er folgt Menschen, die vor Ort anwesend waren. Manche davon überaus bekannt, andere wiederum ganz einfache Leute. Sportler kommen nicht zu kurz, auch das halbseidene Berlin findet seine Aufnahme im Buch. Politiker begegnen sich, im geheimen wird durchaus weiter „aufgeräumt“. Aufgelockert durch eine ganze Reihe von Fotografien entsteht so letztendlich eine gewisse Romanform, in der Kapitelweise das Erleben der konkreten Personen nachgezeichnet wird. Dies präzise, eher knapp beschrieben und dennoch so, dass der Leser sich den Personen innerlich anzunähern vermag. Wobei eine fast ebenso große Rolle die Örtlichkeiten Spielen. Cafés, elegante Hotels, das Stadion, die Stadt selbst mit ihrer heraus geputzten Stimmung (im wahrsten Sinne, denn so manche Schmähruf an jüdischen Geschäften war abgewischt. Was diesen biographischen Portraits eine auch aktuelle Note verleiht. Jene „Wölfe im Schafspelz“, die alten, auch in Berlin damals schon verbreiteten Ressentiments rassistischer Art, das war ja nicht ganz unterdrückt, da spüren die Besucher hier und da mit einem kurzen Blick, an kleinen Zeichen, das es im Hintergrund schon brodelt. Dazu brauchte es gar nicht erst Hitler mit seinem Unbehagen, farbigen Siegern zu applaudieren. Und innerlich seine Enttäuschung über die Niederlage des Deutschen Erich Borchmeyer kaum verhehlen kann. Ob es nun die Ciro-Bar ist, die mit Swing Tönen die eleganten Gäste in ganz internationalen, „normalen“ Gestus unterhält. Ob in der „Residenz Casino“ über Tischtelefone Kontakt geknüpft wird (damals nicht unüblich). Es kann also weitestgehend „ganz normal und friedlich und „schön“ sein und sich verhalten werden, an so mancher Kleinigkeit ist dennoch zu sehen (wer sehen möchte), was da im Kommen ist. Ob ein „wehret den Anfängen “ möglich gewesen wäre bei konsequenter Bündelung der Kräfte? In manchend er kleinen Geschichten erscheint es fast so und für die Gegenwart gilt dies vielleicht noch. Wie in der „Sherbini-Bar“, in der sich die Geschäftsführerin wohlweislich zurückhält, denn sie ist Jüdin. Oder auch Thomas Mann, der ein immer deutlicheres Unbehagen spürt bei der Radio-Übertragung der Spiele, der weiß, dass es nur darum geht, die Ausländer zu beeindrucken. Und doch dann eher mit seinen körperlichen Malästen beschließt, sich zu beschäftigen. Locker und gut zu lesen, vielfach auf den Punkt gebracht, ergibt das Buch im Gesamten ein überaus breites Bild der Atmosphäre und mancher Hintergründe in diesen Tagen der Olympiade in Berlin 1936, die es wert sind, gelesen zu werden. Weil eine bestimmte Strategie des Scheins, um das Sein zu überdecken, zu allen Zeiten Anwendung findet und es gut ist, immer genau hinzuschauen.

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Tja, ich denke der Titel macht schon klar worum es geht: Um die olympischen Spiele 1936 in Berlin. Als Hitler und Co. es schafften der Welt ein friedliches und "normales" Deutschland vorzuführen obwohl schon die ersten Konzentrationslager gebaut wurden. Genau genommen berichtet Oliver Hilmes aber nicht nur über diese 16 Tage sondern auch über Sachen, die vorher und nachher passierten. Inklusive einem "Was wurde aus...?" am Ende. Die in "Berlin 1936" vorgestellten Personen decken quasi die ganze Bandbreite ab: Vom Präsidenten des internationalen olympischen Komitees über ranghohe Nazis wie Goebbels zu Restaurantbesitzern und einfachen (jüdischen) Bürgern. Dabei schlägt Oliver Hilmes nicht den typischen eher belehrenden, mit Fußnoten und Anmerkungen durchsetzen Sachbuch-Stil an, stattdessen erzählt er Geschichten. Ja, er zitiert auch z.B. aus dem Tagebuch von Joseph Goebbels, aber diese Zitate sind quasi einfach nur da und werden nicht besonders hervorgehoben. Gut, es findet auch keine Diskussion der Bedeutung und Verlässlichkeit der verschiedenen Quellen statt. Eine Tatsache, die meine Geschichtslehrerin aus der Oberstufe wahrscheinlich verurteilen würde. Teilweise finden sich auch Auszüge aus Primärquellen direkt wieder z.B. aus Polizeiberichten oder den Anweisungen der "Reichspressekonferenz". Generell wird nicht bewertet was diese Auszüge oder auch andere Begebenheiten bedeuten. Das wird dem Leser überlassen. Oliver Hilmes ist quasi wirklich nur der Erzähler. Mir persönlich gefällt diese Art und Weise sehr gut, man fühlt sich ins Jahr 1936 versetzt. "Berlin 1936" ist nicht in Kapitel sondern in Tage unterteilt. Jedem Tag ist ein Bild aus der Zeit sowie der offizielle Wetterbericht des Tages vorangestellt. In einzelnen Abschnitten werden dann verschiedenen Geschichten erzählt. Einige Personen tauchen dabei immer wieder auf, während andere nur einmal einen kurzen Absatz bekommen und dann wieder von der Bildfläche verschwinden. Besonders fasziniert hat mich die Geschichte um Thomas Wolfe und Heinz Ledig-Rowohlt, aber auch das "Was wurde aus...?" war sehr interessant. Da stellt sich der kleine Junge plötzlich als später weltbekannter Historiker heraus und die Frau, die spontan Hitler küsste bei den olympischen Spielen, rettet dank ihrer Deutschkenntnisse wenige Monate später einer Frau das Leben. Mal ganz abgesehen von den vielen Geschichten über Menschen, die auf die eine oder andere Art versuchen zu fliehen. Insgesamt würde ich sagen: Definitiv 5 Sterne. Es hat unglaublich Spaß gemacht "Berlin 1936" zu lesen und interessant war es noch dazu!

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Die Propaganda, zumindest die rassistische, antisemitische, hält im August 1936 für kurze Zeit die Luft an, denn es ist Olympiade. Das Dritte Reich möchte sich von seiner besten Seite zeigen, friedvoll, friedliebend und weltoffen. Im selben Jahr hatte Hitler zwar die Verträge von Locarno gebrochen und die Wehrmacht im Rheinland einmarschieren lassen, aber dies sollte nicht die größte Sportveranstaltung der Welt stören. Ebenso wenig der bereits tobende Bürgerkrieg in Spanien, der heimlich von Deutschland auf Seiten Francos untersützt wird. berlin 1936 oliver hilmes coverOliver Hilmes, bekannt durch seine Alma Mahler Biographie, seine Arbeiten zu Ludwig II., der Familie Wagner und Franz Liszt hat die Zeit der olympischen Spiele in Berlin als Aufhänger für sein neues Buch genommen. Der Berliner Historiker wirft sich ins Nachtleben der 30er Jahre, blickt hinter die Kulissen der Propaganda und schaut den Berühmten über die Schulter. Diese knapp zwei Wochen vom 1. bis zum 16. August 1936 reichen Hilmes um ein Panoptikum einer Epoche zu zeichnen, den letzten Akt der Inszenierung einer Regierung, eines ganzen Landes, das sich später voll Begeisterung in einen weltumspannenden Krieg werfen wird und hinter dessen Kulissen bereits die Vorbereitungen für diesen laufen. Hilmes verschneidet geschickt Tagebuchaufzeichnungen von Harry Graf Kessler und dem unvermeidbaren Goebbels, offizielle Äußerungen und Pressemitteilungen und Wetterberichte mit Zeitzeugenberichten. Er nutzt der Technik, derer sich auch Florian Illies in 1913 bediente, Prominente einander beobachten zu lassen, wahre Begebenheiten so zu komponieren, dass hieraus nicht nur eine, sondern die Geschichte, entsteht. Also sitzt der junge Reich-Ranicki im Theater bei Gründgens, Heinrich Maria Ledig-Rowohlt zieht mit Thomas Wolfe, einem geheimen Protagonisten des Buchs, um die Häuser und Mascha Kaléko verlässt ihren Mann, während alle sich das Maul über Pauline Strauss, die Frau des Komponisten Richard Strauss, zerreißen. Hierein fügen sich immer wieder Bilder, die das Kolorit der Zeit nachzeichnen. Einen großen Anteil hieran hat die Musik dieser Zeit, die zwischen wildem "Negerswing", Propagandafanfaren und dem ewigen Wagner vorkommt.

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Kurzweilige Klimaanalyse

Von: Ludwig Brandt aus Berlin

14.05.2016

Die Ereignisse rund um die Olympischen Spiele 1936 herauszuarbeiten ist nichts Neues. Durch interessante TV Dokumentationen und Literatur ist diese Thema für den halbwegs historisch Interessierten bereits bekannt. Die Ereignisse aus verschiedenen Sichtweisen und Standpunkten zu beleuchten ist ein guter Ansatz um das Zeitgeschehen besser und intensiver zu begreifen. Noch ein wenig mehr unter die Oberfläche zu gehen und den Leser emotional tiefer in die Atmosphäre des Sommers 1936 einzubinden hätte zu einem berührenden Werk führen können, aber immerhin ist das Buch von Oliver Hilmes lesenswert und kurzweilige Sommerliteratur.

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Geschichte einmal anders. Gut verpackt und interessant geschrieben. Der Schreibstil von Oliver Hilmes zieht den Leser direkt in das Geschehen und schon befindet man sich in Berlin im Jahr 1936. Der Leser besucht mit Thomas Wolfe die Bars, Restaurants und das Olympia-Stadion in Berlin und steht neben dem Barbesitzern am Eingang, um die Prominenz zu begrüßen. Das Stadion wird oft besucht und die Sportler bejubelt. Die sechszehn Tage der Olympischen Spiele teilt Oliver Hilmes in einzelne Kapitel. Er schreibt jedoch nicht nur über die Sportler und die Wettkämpfe, sondern auch über die politischen Ereignisse und das Kulturleben in Berlin. Es wird gefeiert und gelacht, die Bars bleiben offen, auch wenn sie eigentlich nicht in das Deutschlandbild der Nazis passt. Für die internationale Öffentlichkeit wird eine große bunte Show aufgebaut. Hitler und sein Gefolge als friedliche und offene Weltbürger, dass ist das Ziel der Spiele. Doch nicht alle Besucher und Beobachter glauben dem Szenario. Es gibt Zweifeler und Verzweifelte, die versuchen den Menschen die Augen zu öffnen. Ganz zum Ende kommt noch ein Kapitel "Was wurde aus...?". So schließt sich der Kreis für den Leser, denn die Geschichten werden in den einzelnen Kapiteln nicht immer zu Ende erzählt. Die gute Aufbereitung des promovierten Oliver Hilmes sorgt für Glaubhaftigkeit und der sehr gute Schreibtstil für einen guten Lesefluss. Ein Buch, was sich lohnt.

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Vor genau 80 Jahren fanden in Berlin die 11. Olympischen Sommerspiele der Neuzeit statt.Das ist weithin bekannt. Anlässlich der diesjährigen Olympiade in Rio de Janeiro und des runden Jahrestages lässt Oliver Hilmes diese sechszehn Tage im August 1936 noch einmal Revue passieren. Dieser Rückblick lohnt, denn er zeigt uns etwas Außerordentliches, nämlich wie sich Nazi-Deutschland ungeachtet seiner Kriegsvorbereitungen perfide als weltoffener Gastgeber einer Veranstaltung gebärdet, die vor allem der Völkerverständigung dienen soll. Berlin war bereits 1916 als Olympiastadt auserkoren worden, doch fielen seinerzeit die Spiele wegen es Ersten Weltkriegs aus. Die Nationalsozialisten, erst seit drei Jahren an der Macht, nutzten die Gelegenheit für eine breit angelegte Propagandaschau eines modernen Deutschlands. Hilmes zeigt uns, wie zeitgleich zu den Olympischen Spielen, die in aller Welt ohne großen Argwohn verfolgt wurden, Hitler unter unmenschlichen Bedingungen das unmenschliche Konzentrationslager Sachsenhausen bauen lässt und beispielsweise die Reisegesellschaft Union mit einem Kreuzfahrschiff im spanischen Cádiz anlegt. Hinter dieser ominösen Reisegruppe samt ihrer schweren Gepäckladung verbirgt sich niemand anderes als die Legion Condor, die ihren Einsatz im spanischen Bürgerkrieg auf der Seite Francos vorbereitet. Natürlich werden sie auf Hitlers ausdrücklichen Befehl erst ins Geschehen eingreifen, wenn die Olympischen Spiele in Berlin friedlich zu Ende gegangen sind. Die Bars und Cafés auf dem Kurfürstendamm sind überfüllt, täglich gibt es große Galaveranstaltungen, jeder von Hitlers Paladinen veranstaltet an einem anderen Abend einen pompösen Empfang für mehrere hundert ausländische Gäste umd Prominente mit bestem Essen und ansprechendem Unterhaltungsprogamm. Das Nachtleben in Berlin boomt, vor allem in so exotischen und angesagten Etablissements wie der Ciro-Ba, dem Sherbini oder dem Quartier Latin. Jazz und Swing klingen durch die Großstadtnacht. Von den Nationalsozialisten geduldet. Noch. Für lange Zeit zeigt sich die Hauptstadt des Deutschen Reiches ein letztes Mal als weltoffene Kulturmetropole. Im Hintergrund bereiten die Nazi-Schergen der Gestapo bereits die Verhaftung der jüdischen Bar- und Restaurantbesitzer, das Verbot von so genannter "Negermusik" und die Schließung der entsprechenden Lokale vor. Ähnlich wie in dem Erfolgsbuch "1913 - Der Sommer des Jahrhunderts" (2012) von Florian Illies präsentiert der promovierte Historiker Oliver Hilmes, der bereits durch mehrere Biographien (Cosima Wagner, Ludwig II. u.a.) auf sich aufmerksam machte, nach Tagen gegliedert ein buntes Kaleidoskop von einzelnen Geschichten, Tagesmeldungen und Erinnerungen, die sich zu einem intensiven Gesamteindruck verdichten. Die Regisseurin Leni Riefenstahl spielt dabei ebenso ein Rolle, wie der dunkelhäutige, vierfache Goldmedaillengewinner Jesse Owens, der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe und immer wieder die Tagebucheinträge von Joseph Goebbels. Hilmes hat dazu vielfältigstes Material gesichtet. Eine schöne Idee ist zudem, es nicht bei der Darstellung der sechzehn Tage zu lassen, sondern noch ein Kapitel "Was wurde aus ...?" nachzuschieben. Dadurch wird die Neugier gestillt, was aus einzelnen Personen nach der Olympiade geworden ist. Abgerundet wird das Ganze durch ein ausführliches Quellenverzeichnis, das es ermöglicht, einzelnen Spuren weiter nachzugehen. Oliver Hilmes: Berlin 1936. Sechzehn Tage im August. Siedler Verlag, München 2016. 304 Seiten, gebunden. 19,99 €

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