Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezensionen zu
Dunbar und seine Töchter

Edward St Aubyn

(4)
(4)
(1)
(1)
(0)
€ 15,99 [D] inkl. MwSt. | € 15,99 [A] | CHF 23,00* (* empf. VK-Preis)

Shakespeare ist wohl der unangefochtene Meister des Theaters und besonders seine Tragödie "König Lear" hat es mir besonders angetan. Das Stück vereint alles, was eine Tragödie in meinen Augen haben sollte: Spannung, Emotionen, ein passendes Setting, gelungene Charaktere ...., weshalb ich mich umso mehr freute, als ich feststellte, dass es das Stück in einer modernen Adaptionen im Rahmen des Shakespeare projekts zu erwerben gibt. Edward St. Aubyn hält sich sehr genau an das Original ohne verkrampft jede Szene einbauen zu wollen. Die verschiedenen Charaktere sind eindeutig wiederzufinden, aber auch hier bleibt er im Großen und Ganzen seiner eigenen Handschrift treu, zumindest insoweit ich das beurteilen kann. Gerade die Töchter sind ihm herrlcih gelungen und sorgten bei mir für mehr als nur einen Schmunzler. Der schmale Grat des Wahnsinns auf dem schon Lear im Original regelmäßig ins Schwanken gerät, hat St. Aubyn ebenfalls gekonnt in Szene gesetzt. Der Schreibstil war flüssig, bildhaft und einfach perfekt passend für die Geschichte. Das Ende hält auch für Kenner des Stücks noch die ein oder andere Überraschung bereit, was mir ebenfalls gut gefallen hat. Fazit: Die perfekte Adaption: Nah genug am Original und dennoch losgelöst, um als individuelle Geschichte zu funktionieren. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!

Lesen Sie weiter

Der Medienmogul

Von: Bri

24.07.2018

William Shakespeares Stücke sind ohne Zweifel Meisterwerke. Auch heute noch sind seine Stoffe aktuell, handeln sie doch von den uns als Menschen maßgeblich bestimmenden Gefühlen und Eigenschaften wie zum Beispiel Liebe und Vertrauen, Hass und Mißgunst, Neid und Hinterhältigkeit. Die Struktur gebenden Elemente seiner Bühnenstücke sind uns bis heute mehr als bekannt und gerade deshalb werden seine Dramen und Komödien nach wie vor überall auf der Welt gespielt. Dabei werden natürlich auch Änderungen und Modernisierungen vorgenommen, die Grundidee adaptiert und in unsere Sprache und / oder Zeit transferiert.Die Protagonisten jedoch sind dieselben. Gerade diese Klasse spornt natürlich an, einen Stoff weiterzuentwickeln, neu zu übersetzen oder gar neu zu erzählen. Letzteres wurde durch das Hogarth Projekt initiiert, das acht namhafte Autor*innen anlässlich des 400. Geburtstages Shakespeares damit beauftragte, ihrem Lieblingsstoff aus des Dichters Feder einen neuen Schnitt zu verpassen. Da ich Edward St. Aubyn sehr verehre und vermutete, dass er mit dem Familienkonflikt König Lears aufgrund seiner eigenen Biographie recht gut zu Rande käme, habe ich mich mit Freude auf Dunbar und seine Töchter gestürzt und wurde nicht enttäuscht. Zunächst einmal hält sich St. Aubyn sehr nah an die Vorlage – Henry Dunbar allerdings ist nicht König eines Staates, sondern eines Medienkonzerns. Als er öffentlich auffällig wird, lassen ihn zwei seiner Töchter quasi aus dem Verkehr ziehen. Er soll den Weg frei machen, damit die beiden die Firma übernehmen und ihren Reibach damit machen können. Seine dritte Tochter, von ihm enterbt, weil für das Geschäft nicht für geeignet befunden, hat sich zurückgezogen und spielt das Spiel der Intrigen ihrer beider Schwestern nicht mit. Doch anders als Shakespeares König Lear, der erst zum Schluss seine Fehler einsieht und bereut, ist sich Dunbar dieser gleich zu Beginn bewußt. »Mit gehörte mal ein ganzes Reich«, sagte Dunbar »Hab ich Ihnen schon die Geschichte erzählt, wie es mir gestohlen wurde?« […] »Ich hab Wilson gesagt, dass ich den Aufsichtsratsvorsitz behalte« begann Dunbar, »ich behalte das Flugzeug, die Leute, die Liegenschaften und die mir zustehenden Privilegien, aber ich werde mich der Lasten« – er nahm die große Vase mit den Lilien und stellte sie behutsam auf den Boden –, »der Lasten entledigen, die die operative Führung des Konzerns mit sich bringt. von jetzt an, hab ich ihm gesagt, ist die Welt mein privater Spielplatz und, wenn es eines Tages an der Zeit ist mein privates Hospiz.« […] »›Aber der Konzern ist alles‹, hat mir Wilson gesagt.« Je tiefer Dunbar in die Geschichte vordrang, desto mehr erregte sie ihn. »›Wenn Sie den abgeben, hat er gesagt, dann bleibt Ihnen nichts mehr. Sie können nicht etwas abgeben und gleichzeitig behalten.‹« Während die beiden intriganten und überaus bösartigen Töchter Dunbar nicht nur wegsperren, sondern auch ruhigstellen lassen, sucht seine dritte Tochter Florence nach ihm. Denn er hat nicht nur seine Fehler erkannt, sondern auch die Absichten von Abbigail und Megan und ist kurzerhand und mithilfe des schwer Alkoholabhängigen Komikers Peter ausgebüchst. Mitten durch die unwirtliche, weil kalte cumbrische Landschaft – wunderbar beschriebene, nein gezeigte, Natur. Dort überkommen ihn Reue und Erkenntnis und schlussendlich aber auch eine Rettung. Doch diese ist nur von kurzer Dauer und Dunbar muss erkennen, dass all die Dinge, die er als Medienmogul sein Leben getan, den eigenen Töchtern vorgelebt hat, sich nun quasi durch diese gegen ihn selbst wenden. Manchen Rezensent*innen ist die Adaption des Dramas um König Lear zu nah am Original geblieben. Auch sprachlich sieht der eine oder die andere St. Aubyn weit hinter Shakespeare – doch mir ist dabei nie ganz klar, ob hier das Original oder die Übersetzung gemeint war. Meine Lektüre war eine durchaus intensive und beglückende. St. Aubyn hat es wieder einmal vermocht, die Familienstrukturen geschickt freizulegen und dabei gleichzeitig mit seinem unvergleichlichen Esprit Szenen zu schaffen, die einen laut auflachen lassen. Für mich ist Dunbar und seine Töchter eine durchweg äußerst gelungene Transformation des Shakespearschen Stoffes in unsere medial geprägte Welt, deren scharfsichtige und -züngige Analyse auch Leser*innen einen Heidenspaß bereiten dürfte, die sich sonst nicht an klassische Stoffe wagen.

Lesen Sie weiter

Das Hogarth Shakespeare-Projekt hat acht Autoren die Aufgabe gestellt seine oder ihre Lieblingsshakespeare-Geschichte neu zu interpretieren. Zu den Autoren gehören Literaturgrößen wie Margaret Atwood und Howard Jacobson. Jeder Roman ist in seinem ganz eigenen Genre entstanden und vor allem in einer ganz eigenen Art der Neuinterpretation. Ich hatte das Glück gleich vier der Romane vom Knaus-Verlag als Rezensionsexemplare zu erhalten – vielen Dank dafür! – und habe einen genauen Blick unter die Cover geworfen. Den Anfang macht heute Dunbar und seine Töchter von Edward St. Aubyn, bekannt für seine Romane Lost for Words. und Mother’s Milk. King Lear neu erzählt: Dunbar und seine Töchter Dunbar und seine Töchter ist eine moderne Interpretation von Shakespeares King Lear. St. Aubyn versucht dabei den König in die Neuzeit zu übertragen. In seinem Roman ist Lear der Herrscher des Medienkonzerns Dunbar. Doch mit dem Alter wird er immer zerstreuter und wird somit eine Gefahr für sein eigenes Imperium. Seine beiden Töchter Abby und Megan möchten daher schnell dafür sorgen, dass er auf der nächsten Vorstandssitzung zum Rücktritt gedrängt wird und sie endlich gemeinsam das Geschäft übernehmen können. Und wie könnte dies leichter erwirkt werden als den von Burnout belasteten Vater in ein Rehabilitationszentrum nach England zu schaffen, wo mehrere Ärzte bestätigen, dass der alte Dunbar eine Gefahr für sich selbst und andere darstellt. Doch mit seiner Sturheit haben die beiden nicht gerechnet, denn Dunbar beschließt kurzerhand mit zwei weiteren Patienten zu fliehen, sich nach London durchzuschlagen und sein Imperium zurückzugewinnen. Leichter gesagt als getan, denn Dunbar ist nicht mehr der jüngste und seine Ärzte haben nicht unbedingt einen Meineid begangen, als sie darauf hinwiesen, dass er auch mental nicht mehr der fitteste ist. Zum Glück begibt sich seine jüngste Tochter Florence auf die Suche nach ihm. Ihr ist nämlich – anders als ihren Schwestern – am Wohl ihres Vaters gelegen. Wenige Abweichungen zum Original, viele langatmige Monologe St. Aubyns Version von King Lear ist definitiv eine moderne Nacherzählung. Eine Nacherzählung, die sich bis ins kleinste Detail an das Original hält, bis zu dem Punkt, an dem Dunbar einen Narr – den Komiker Peter – benötigt, der ihm hilft zu erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben. Dazu kommen Szenenwechsel, die zwischen Dunbar und seinen drei Töchtern hin und her wechseln. Jeder Protagonist wird somit gleichsam zur Erzählstimme des Romans. Und auch wenn dieses Mittel in einem Theaterstück durchaus angemessen ist, muss nicht jede Figur innerhalb eines Romans seine eigenen Motive erklären. Zumal sich die Motive auch in den Erzählungen der jeweils anderen Figuren spiegeln. Auch übernimmt St. Aubyn jeden von Lears Monologen und davon gibt es im Originalstück nicht gerade wenige. In der Neuinterpretation wirken diese jedoch nicht wie große Meisterwerke der Literaturgeschichte, sondern wie langatmige Monologe, die sich immer wieder um die Frage drehen ob Dunbar in seinem Leben gescheitert ist. Ebenso wie die Erzählform, wirken auch diese Monologe wie eine schlechte Überführung von Theatermethoden in Romanform. Statt großem Pathos verpufft die Stimmung dadurch in sich im Kreis drehenden Passagen. Diese beiden Punkte allein zeigen das größte Problem von St. Aubyns Ansatz auf: Drama und Epik sind zwei unterschiedliche Gattungen, die sich nicht eins zu eins übertragen lassen. Wiederholungen und unterschiedliches Erzählstimmen wirken auf einer Bühne natürlich – oder zumindest so natürlich, wie sie im Rahmen eines Kunstobjekts wirken können –, während sie innerhalb eines Romans für Verwirrung sorgen oder gar vollkommen aus dem Rahmen fallen. Ebenso wirken Monologe vor allem im Rahmen des Theaters imposant. Doch nicht nur der Versuch eine Gattung in eine andere zu übertragen ist zu viel für St. Aubyn, auch das sehr genaue nacherzählen wirkt beinahe unkreativ. Die Geschichte wirkt fast wie ein Schulprojekt, bei dem alle Figuren aus King Lear in Anzüge gesteckt und mit moderner Sprache ausgestattet wurden. Die Dialoge zwischen den Schülern sind nah zu hörbar: „Wir brauchen hier noch einen Narr!“ – „Was ist ein Narr?“ – „Ein Komiker.“ – „Ah, okay.“ Zu nahe Interpretation verdirbt die Interpretation Genau an dieser zu nahen Interpretation scheitert Dunbar und seine Töchter. Ja, man kann positiv hervorheben, dass sich das Drama und der Roman nebeneinander legen lassen und beinah jede Szene eins zu eins übernommen wurde. Genau dies sollte einen guten Roman-Autor jedoch nicht ausmachen. Eine Interpretation sollte genau das sein: Eine Interpretation. Nicht eine haargenaue Übertragung in die moderne Welt, bei der Methoden des Theaters, Dialoge und Themen ohne eigenen Input übernommen werden. Dunbar und seine Töchter ist ein einigermaßen okay geschriebener Roman, der an seinem eigenen Anspruch scheitert. Die gewählte Erzählform ist zu langatmig und könnte nur dadurch gerettet werden, dass mindestens die Hälfte aller Dunbar-irrt-in-den-Bergen-umher-und-findet-sich-selbst-Szenen gestrichen werden.

Lesen Sie weiter

Ohn' Macht

Von: Frau Lehmann

13.03.2018

Ein weiterer Band des Hogarth Shakespeare Projects im Knaus Verlag, der vierte für mich inzwischen. Dabei waren bisher Margaret Atwood, Jeanette Winterson und Howard Jacobson. Herausgekommen sind sehr unterschiedliche Interpretationen von Werken Shakespeares, mal als miterlebte Theateraufführung, mal fast soapartig, mal ein Diskurs zum Judentum gestern und heute, aber immer spannend, interessant oder auch lehrreich. Nun also Edward St Aubyn, einer der besten britischen Schriftsteller derzeit, bekannt dafür, den Finger in Wunden zu legen, die sonst eher im Verborgenen schwelen und kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Er hat "King Lear" gewählt, ein Familiendrama in höchsten Kreisen, also eigentlich für ihn fast ein Heimspiel. Der Medienmogul Dunbar, Vater von drei Töchtern, gibt den Firmenvorsitz an zwei seiner Töchter ab und verstößt die dritte. Diese Entscheidung war falsch, denn Abigail und Megan schieben ihn in ein Sanatorium ab und versuchen, Pläne durchzusetzen, die gar nicht in Dunbars Sinne sind. Dunbar entflieht. Und nun hängt sein Leben davon ab, wer ihn zuerst findet, die ihn liebende Dritte im Bunde, Florence, oder die beiden intriganten Biester, die vor nichts zurückschrecken. St Aubyn hatte definitiv Spass. Megan und Abigail sind die bösen Schwestern Cinderellas, getuned für die heutige Zeit, Karikaturen ihrer Art. Zehen fahren sie lieber anderen ab, statt sie selbst zu verlieren. Ihr Umfeld ist ebenso überzeichnet, der Arzt, der sein eigener bester Kunde ist, der Latino-Bodyguard, der für seine Süße auch mordet. Dagegen bleibt Florence blass. Was soll sie auch machen, sie ist die Gute im Stück und das Gute schillert nie so facettenreich wie der Gegenpart. Das muss auch der Autor so gesehen haben, denn rasanter sind definitiv die Szenen mit den Teufelsschwestern. Dunbar selbst ist gebeutelt, unter Medikamenteneinfluss und verstört von den Ereignissen. Ein armer, alter Mann, dessen Welt zerplatzt ist und der nun versucht,die Scherben zu finden. St Aubyn ist trotz aller Modernisierungen und Anpassungen recht nah am Stoff geblieben, der Fokus bleibt auf der Familie, darauf, was Macht in den falschen Händen ausrichten kann und wie man gerade denen besonders gut weh tun kann, die einem am nächsten sein sollten, zeigt aber auch die Leere, die diejenigen erfüllt, die Macht besessen und verloren haben. "Dunbar und seine Töchter" ist sicherlich das Werk aus der Reihe, das am leichtesten zugänglich ist, für das man eigentlich keine Shakespeare-Kenntnisse braucht, weil es auch eigenständig funktioniert. Keine Werkanalyse, keine anstrengenden Monologe, keine mühsamen Adaptionsversuche. St Aubyn hat einen bösen Unterhaltungsroman über die Medienwelt zum Einen und dysfunktionale Familien zum Anderen geschrieben und ist damit wahrscheinlich sehr nah dran an Shakespeares Intentionen. Gutes Theater, das durch die Darsteller lebt, ohne aus dem Zylinder gezogene Kaninchen, dafür mit einer großen Portion menschlicher Abgründe. Leider allerdings auch mit ein paar Längen. Das Tempo, das das Duo Infernale vorlegt, können die restlichen Mitwirkenden nicht halten. Das ist schade, fällt im Gesamtverlauf aber gar nicht so sehr ins Gewicht. Eine leichtfüssige Umsetzung eines schwerer wiegenden Themas, gute Unterhaltung und dafer definitiv lesenswert.

Lesen Sie weiter

Mit Dunbar und seine Töchter findet zusammen, was scheinbar zusammengehört: Edward St Aubyn und William Shakespeare. Dass mich die Idee des britischen Hogarth Verlags, Shakespeares Dramen durch zeitgenössische Autoren in ein modernes Gewand stecken zu lassen, absolut begeistert, habe ich euch ja bereits bei meiner Rezension zu Die störrische Braut (alias Der Widerspenstigen Zähmung) erzählt. Dass sie mit St Aubyn nun einen meiner Lieblingsautoren für das Projekt gewinnen konnten, brachte mich bereits bei der Ankündigung zum Jubilieren. St Aubyn wagt sich – es war nicht anders zu erwarten – an eines von Shakespeares intensivsten Dramen: König Lear. Arbeitete er sich in seiner fünfbändigen Melrose-Saga (bitte unbedingt lesen, gehört zum besten, was die Gegenwartsliteratur zu bieten hat) noch am eigenen Vater ab, widmet er sich mit Henry Dunbar einem fiktiven Übervater. Unsere Lears von heute Man liest ein paar Seiten des kurzweiligen Buches und weiß sofort, wer dieser Lear, wer dieser Dunbar ist. Dazu muss man König Lear nicht gelesen, ja nicht einmal von ihm gehört haben. Man muss dazu auch keine Romane gewälzt oder Filme verschlungen haben. Männer wie ihn finden wir hier. Hier im 21. Jahrhundert. Hier auf dieser Erde. Sie sitzen ganz weit oben und gucken mit kaltem Blick auf die da, auf uns da unten. Und alles, was zählt in ihrer eiskalten Welt, ist das Geld. Für diese Männer gibt es ein Wort: Mogul. Ich habe dieses Buch gelesen und jemanden wie Rupert Murdoch, wie Silvio Berlusconi, ja, wie Donald Trump vor mir gesehen. Dunbar und seine Töchter offenbart uns einen Blick in ihr Inneres und in das ihrer Kinder. Das sind keine schönen Orte. Aber sie schaffen ein gutes Buch. Was Macht mit Menschen macht. Das ist der Kern des Romans. Sie vergiftet alles und jeden, der von ihr umgeben ist. Und wer sie einmal mit den Fingerspitzen berührt hat, vergisst dieses Gefühl nicht mehr, der will sie ganz und gar in Händen halten. Die Fratzen der Macht So geht es auch den beiden ältesten Töchtern des alternden Medienmoguls Henry Dunbar. Abby und Megan wollen die ganze Macht im Konzern des Vaters für sich und lassen ihn mit kaum legalen Mitteln in ein Heim im englischen Lake District einweisen. Während die beiden durch und durch verlogenen, verschlagenen und von der Macht versauten Schwestern sich mit ihren männlichen Angestellten die Zeit vertreiben, bricht Dunbar aus dem Sanatorium aus und schlägt sich mit wirrem Kopf durch die wilde Seenlandschaft. Ein Worst-Case-Szenario für seine Töchter, die ihn mit kreisenden Hubschraubern suchen lassen und gleichzeitig versuchen, das Imperium weiter an sich zu reißen und vor weiteren Betrügern und Feinden zu schützen. Die Luft ist dünn an der Spitze eines Konzerns. Das heißt: Vertrauen, Schwäche und Naivität können sie sich nicht leisten. Deshalb sind die Damen härter als hart. Im Büro genauso wie im Schlafzimmer. Wer sich für das Business entscheidet, tut das mit jeder Faser und verkauft dazu noch seine Seele. Da sie vor der Besatzung an Bord des Flugzeugs nicht offen sprechen konnten, hatten Abigail und Megan die Royal Suite in einem der feinsten Hotels von Manchester bezogen und Dr. Bob eingeladen, sie dort zum Lunch zu treffen. Das Wissen, dass die Schwestern nach immer höheren Dosen der Perversion gierten, um ihre abgestumpften Gelüste zu stimulieren, ermutigte ihn, den Gefahren des bevorstehenden wichtigen Telefonanrufs zu trotzen. Sein Körper, längst entstellt von heftigen Striemen und Kratzern, gelblich verfärben Blutergüssen und neuerdings der frischen schmalen Wundnaht auf seiner Brust, schrie nach Rache. Es kommt noch schlimmer für die schlimmen Schwestern: ihre Halbschwester Florence – einst vom Vater enterbt – betritt nach langer Abwesenheit die Bühne und will sich mit Dunbar aussöhnen. Sie wird zur Endgegnerin für Abby und Megan und für den Leser zu einer angenehmen Verschnaufpause. Florence ist nämlich ein Mensch. Ein Mensch mit klarem Kopf und einem gesunden Gefühlsleben. Eine Tochter, die ihren Vater liebt und ihm helfen will. Ein bisschen zu böse Das Spiel „Gut gegen Böse“ ist eine alte Masche – niemand gibt ihr so viel Kraft und Drama wie Meister Shakespeare. St Aubyn greift sie auf und schleift sie einmal gehörig durch den zeitgemäßen Dreck aus Sex, Drugs und fast ein bisschen wenig Rock’n’Roll. Das liest sich locker und das Wühlen im Schmutz und der zunehmenden Verrohung fast aller Charaktere fühlt sich bisweilen wie das Begaffen einer Katastrophe an: man will wegschauen, aber die Gier ist zu groß. Der Autor spielt mit unserer Lust nach Sensationen – und er weiß ganz genau, was er da tut und wie er es tut. Manchmal trägt er so dick auf, dass es zu gestelzt, zu konstruiert wirkt. Für meinen Geschmack zumindest. Dann sind mir die Bösen ein bisschen zu böse und die Guten ein bisschen zu gut. Vielleicht funktioniert die Tragödie aber auch nur so. Und vielleicht – ja, ich befürchte, es ist so – trägt er noch nicht dick genug auf, um der Realität das Wasser reichen zu können. Dieser Roman passt in diese Zeiten, in denen die Sprache immer roher zu werden scheint und Anstand sich im öffentlichen Raum zum seltenen Phänomen entwickelt. Man erträgt es nicht besser, wenn man ihn gelesen hat. Die „Elite“ – der Schlangenkopf aus Medienkonzernen und Politikern – zeigt hier seine hässlichste Fratze. Aber wer einen Blick hinter die Machtstrukturen von Trump und Co. werfen will, findet hier sein Buch. Das Hässliche kommt poetisch und unterhaltsam daher. Aber Vorsicht: die Bilder, die St Aubyn malt, wird man so schnell nicht wieder los.

Lesen Sie weiter

Rezension 🌟🌟🌟 Zum Einstieg in diese Rezension möchte ich vorwegnehmen, dass ich ein wirklich leidenschaftlicher Shakespeare-Nerd und Puristin bin. An seine Einsicht in die menschliche Natur, seine ergreifende Sprache und die Kraft seiner Erzählung kommt in meinen Augen kein anderer Autor heran. Mit entsprechend großem Interesse verfolge ich die Hogarth Shakespeare Reihe: Namenhafte Autoren erzählen Shakespeares Werk nach - mit sehr gemischten Ergebnissen. Klares Highlight der Serie war für mich "Hexensaat" von Margaret Atwood (Nacherzählung von "The Tempest"), die Werke von Jeanette Winterton ("Der weite Raum der Zeit" ="A Winter's Tale") und Ann Tyler ("Die störrische Braut" = "The Taming of the Shrew") waren im unterhaltsamen Mittelmaß anzusiedeln. Einzig über Tracy Chevaliers Othello-Adaption möchte ich lieber den Mantel des Schweigens hüllen. Nun reiht sich also Edward St. Aubyn in die illustre Riege der Hogarth-Autoren ein und versucht sich an einer der größten Shakespeare'schen Tragödien, King Lear. St. Aubyns Lear ist Henry Dunbar, Medienmogul und skrupelloser Geschäftsmann, der sich zu Beginn des Romans in einem Sanatorium in Cumbria wiederfindet, unter Drogen in eine Episode des Wahnsinns getrieben durch zwei seiner Töchter, Abigail und Megan (alias Goneril und Regan). Ein Fluchtversuch an der Seite seines Mitinsassen Peter Walker führt Dunbar allein in die cumbrische Wildnis und auf eine Reise in sein Innerstes. Zeitgleich versuchen seine intriganten Töchter mit Hilfe von Dunbars Leibarzt, Dr. Bob, die Kontrolle über das Imperium ihres Vaters an sich zu reißen, während Florence (aka Cordelia), jüngste und einst liebste Tochter, versucht, ihren Vater zu retten. Liest man "Dunbar und seine Töchter" als Familiendrama und Gesellschaftsroman, so überzeugt die Geschichte und vermag zu unterhalten. Da es sich aber um eine Lear-Adaption handelt, muss sich St. Aubyn dem Vergleich zum Original aussetzen, dem sein Werk leider nur teilweise gerecht wird. Die Umsetzung Dunbars/Lears Wahnsinn, seine Verirrung im Selbst, sein verzweifeltes Begehren nach Vergebung ist meisterhaft dargestellt. Der Figur des Lear kommt der gealterte Henry sehr nah, die innere Zerrissenheit und Fragilität wird mit fast schon fieberhafter Intensität vermittelt. Auch Florence, Dunbars in Ungnade gefallene Lieblingstochter wird ihrem Pendant Cordelia gerecht. Ihre ehrliche Fürsorge und aufrichtige Liebe für ihren Vater, allen Widrigkeiten zum Trotz, ist bewegend, ohne je ins Kitschige abzudriften. Mit ihren beiden Halbschwestern Abby und Meg leistet St. Aubyn seinem Vorbild allerdings keinen Dienst. Während Shakespeare stets auch seine Antagonisten dreidimensional und ambivalent zeichnet, sind die Schwestern in "Dunbar" schlicht böse. Die meiner Meinung nach überzogene und der Geschichte wenig zuträgliche Fokussierung auf ihre perverse Sexualität, ihre stupide Grausamkeit und Verderbtheit schmälert ihre Boshaftigkeit mehr, als dass sie sie hervorhebt. Auch aus ihrem Mitverschwörer wider Willen, Dr. Bob (ich vermute, er soll Edmund darstellen, was in meinen Augen aber leider misslungen ist) wurde ich nicht so recht schlau. Ein echter Konflikt bleibt so leider nur angedeutet und das Potenzial dieser zwei sehr komplexen Charaktere ungenutzt. Das Ende ist angemessen tragisch, wobei die dem Original innewohnende Katharsis gänzlich fehlt. Unterm Strich bietet uns Edward St. Aubyn mit "Dunbar und seine Töchter" einen psychologischen, tragischen Familienroman, der durchaus zu unterhalten vermag, seiner großen Vorlage jedoch nicht in allen Punkten gerecht wird. Nichtsdestotrotz eine lesenswerte Geschichte, die die Leserin berührt und bewegt. Ich bedanke mich bei der Verlagsgruppe Randomhouse für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Meine ehrliche Meinung wurde hierdurch nicht beeinflusst.

Lesen Sie weiter

Eines vorweg - das "Original" - Shakespeares König Lear habe ich nie gelesen. "Dunbar und seine Töchter" ist eine moderne Neuinterpretation. Henry Dunbar ist ein alternder Medienzar, ihm gehört ein großer Konzern, er ist Milliadär. Zwei seiner Töchter haben ihn in ein abgelegenes Altersheim abgeschoben mittels Pharmaka ruhig gestellt und versuchen nun auch die Firmenleitung an sich zu reißen. Doch sie haben nicht damit gerechnet, dass ihr Vater und ihre jüngere Halbschwester ihre Pläne durchkreuzen wollen. Denn Dunbar flieht aus dem Heim - die Suche der unterschiedlichen Schwestern nach ihm aus den unterschiedlichsten Gründen gerät zu einem Wettlauf mit Dunbars Leben. Der Roman führt psychologisch die ganze Bandbreite an Abgründen auf. Der alternde Egomane Dunbar, der sich am Ende seines Lebens wandelt, die Boshaftigkeit der älteren Schwestern, deren Grausaumkeiten keine (Schmerz-)Grenzen kennen, die "gute", jüngere Schwester, die den Vater nicht des Geldes wegen sucht, sondern der Familienbande wegen. Der Roman wurde gut geschrieben, die Sichtweisen wechseln, die Gefühle und Gedanken, die Abgründe des (modernen) Menschen werden detailliert ausgeführt. Macht und Mammon, Gier und Ehrgeiz, gepaart mit einer unterirdischen Hemmschwelle erschrecken. Dabei liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der "bösen" Seite, die "gute" Seite wird Nebenschauplatz. St. Aubyn weiß sich auszudrücken, die Situationen zu beschreiben, bildhaft, die krankhaften Züge seiner Protagonisten ausleben zu lassen, und dennoch ab und an mal auch Humor durchblitzen zu lassen. Im Laufe des Romanes flacht die Spannung ziemlich ab und manche der Ausführungen waren mir etwas zu ausgebreitet oder auch zu blaß, so dass ich lange schwankte, ob ich drei oder vier Sterne vergeben kann, dennoch, am Ende hat mich das Drama wieder gefangen genommen, so dass ich die 3,5 Sterne, die ich gerne verteilt hätte, gerne aufrunde. Denn eines ist sicher, das Erschrecken über die Abgründe hallt noch lange nach. Fazit: Moderne Neuinterpretation von Shakespeares König Lear. Interessant, psychologisch, durchdacht, detailliert,abgründig - aber gerade dadurch auch anstrengend zu lesen.

Lesen Sie weiter

REZENSION INHALT: Henry Dunbar, einer der Protagonisten war zeitlebens ein weltweit operierender, einflussreicher Imperienmogul in der Finanzbranche , der ehrgeizig Geld, Macht und sein Firmenwachstum als Lebensziel ersten Ranges gesehen hat. Mit seiner ersten Ehefrau und den zwei bösartig denkenden und handelnden Töchtern Megan und Abigail, die ihren Vater hassen, hat er ein monströses Familienleben geführt. Die dritte Tochter Florence, aus einer zweiten Beziehung hervorgehend, liebt zwar ihren Vater, aber die Beziehung von Vater und Tochter zueinander ist sehr kompliziert. Diese unguten Familienkonstellationen werden dominiert von kaltem Ehrgeiz nach Macht und Einfluss aller weiteren Familienmitglieder und Geschäftspartner , obskuren und grausamen Bösartigkeiten nach dem Motto *Jeder gegen Jeden* , perversen sexuellen Neigungen und Handlungen, weitab von jedem menschlichen, fürsorglichem Miteinander und Wertschätzung der anderen Person. Alles verändert sich, als der schon etwas verwirrte , alte Henry Dunbar mit seinem Freund Peter versucht, daß von den Töchtern ausgesuchte Pflegeheim für alte , wohlhabende Personen heimlich zu verlassen und dadurch jeder Bevormundung von Megan und Abigail zu entgehen. Während seiner Flucht durchlebt Henry Dunbar eine seelische Veränderung und überdenkt sein Leben. Schmerzlich wird ihm bewusst, dass er ALLES verloren hat was wichtig ist im MENSCH-SEIN und zwar durch eigene Machtgier und Rücksichtslosigkeit,,,, sogar die Zuneigung seiner ihn eigentlich liebenden Tochter Florence,,,,, MEINE MEINUNG: Edward St Aubyn gehört zu den acht bekannten Autoren die beim „Hogarth Shakespeare-Projekt“ des Knaus Verlag mitmachen und indem die Autoren neuzeitliche Fassungen alter Shakespeare Dramen bearbeiten und diese unterschiedlichen Themen in einem eigenen Roman veröffentlichen. Der Autor hat das Drama *King Lear* von William Shakespeare als Vorlage gewählt. Zu Beginn dieser Lektüre war ich etwas durch den doch recht anspruchsvollen und auch kunstvollen Schreibstil des renommierten Autor verunsichert. Ein Buch für den intellektuellen Leser ? DIESEN Eindruck konnte ich einfach nicht abschütteln und loswerden. Nach ca. 80 Seiten hatte ich mich aber eingelesen und dieses zeitlose Familiendrama mit Entsetzen verfolgt. Von Harmonie, Frieden und liebevoller Zuwendung war nichts zu erlesen. Henry Dunbar’s Flucht mit Peter hatte mich beeindruckt und seine Wahnvorstellungen und einsame Flucht durch die kalte, abgelegene Landschaft haben Mitleid mit ihm in mir hervorgerufen. Diese seelische Veränderung durch die Flucht hat der Autor eindrucksvoll dargestellt und war für mich der beste Teil des Romans. Trotzdem konnte ich zu keinem der Protagonisten eine positive Lesebeziehung aufbauen, da mich JEDE Charakterdarstellung abgestossen hat. Das Buch ist halt keine Familiengeschichte im üblichen Sinne, sondern ein grausames Drama über Kaltherzigkeit und Unmenschlichkeit - dem Drama *König Lear* von William Shakespeare eben nachempfunden und spiegelt realistisch unser unmenschliches Finanz- und Gesellschaftssystem und die möglichen Auswirkungen dieser Einflüsse auf die Psyche. Ich war froh, als ich das Buch beendet hatte und möchte es sicher nicht noch einmal lesen oder mich mit diesem Thema beschäftigen. Viele Leser werden dieses Buch sicher anders erlesen und beurteilen und ich hoffe, sie können diese ungewöhnliche Lektüre positiver geniessen als ich. Für mich kann es nur VIER **** STERNE in meiner persönlichen Wertung geben. Dankeschön für das interessante Leseexemplar an den Autor und den Knaus-Verlag in der Random House Group!

Lesen Sie weiter

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.