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Rezensionen zu
Die Komödie von Charleroi

Pierre Drieu la Rochelle

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Bereits das zweite Mal haben wir einen Drieu für Euch gelesen. Heute mit der „Komödie von Charleroi“; ein Werk welches erstmals in deutscher Sprache im Manesse Verlag erschienen ist. Kurzgeschichten des 1. Weltkrieges Das vorliegende Buch besteht aus sechs Kurzgeschichten. Die Titelgeschichte handelt von der alten Frau Madame Pragen, welche ihren Sohn in den ersten Tagen des 1. Weltkrieges in dem kleinen Ort Charleroi verliert. Nach dem Krieg sucht sich die Spuren ihres Sohnes mit einem ehemaligen Kameraden, der sie auf die alten Schlachtfelder begleitet. Währenddessen betätigt sich in dem kleinen Ort als große Gönnerin. Das Buch wird aus der Ich-Perspektive des Kameraden erzählt, der mittlerweile schon als Sekretär der Madame Pragen arbeitet. In den verschiedenen Kurzgeschichten erlebt er verschiedene Begegnungen im Krieg und nach dem Krieg. Der Stil Drieus Kurzgeschichten sind facettenreich. Sie sind geprägt von der Sinnlosigkeit des Krieges und doch zugleich von einer Kriegsbegeisterung, die man bei anderen Schreiberlingen der Weltkriege nicht finden würde. Drieus Charaktere sind hin und her gerissen. Ähnlich ihrem Schöpfer sind sie Suchende, die keine abschließende Konsequenzen ziehen können, da ihr Handeln und Denken ambivalent ist. Die Geschichten sind bunt ausgeschmückt und begeistern durch ihren Charme, Zynismus und oftmals auch humoristische Züge. In der „Kömodie von Charleroi“ lernt der Protagonist dennoch schnell, dass der Krieg nicht wie vorgestellt verlaufen würde. Bitterböse und schonungslos verläuft demnach die „Kömodie von Charleroi“. Fazit Die „Kömodie von Charleroi“ ist jedem zu empfehlen, der sich in die Geisteswelt französischer Intellektueller in der Zeit des 1. Weltkrieges rein denken will. Es ist unglaublich, wie Drieus Charaktere in den Kurzgeschichten handeln und zueinander sprechen. Besonders ist die Kurzgeschichte, wo der Protagonist mit einem Deserteur über die Notwendigkeit zu Kämpfen redet. Lesenswert! Wer mit diesem Buch Blut geleckt hat, sollte sich das Werk „Die Unzulänglichen“ aus dem Hause des Jungeuropa Verlages zu Gemüte führen.

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Auf den ersten Blick wirkt das Buch auf mich sehr düster. Das Cover ist schwarz-weiß, lediglich der Titel ist farbig. Es ist sehr dunkel und schon fast etwas traurig. Allerdings heißt es im Titel, es sei "Die Komödie von Charleroi", ist es also doch ein fröhliches Buch? Ihr merkt, schon bevor man liest hat man mehrere Fragen an dieses Werk und das macht es noch spannender, als es das ohnehin bereits ist. Auch wenn das Cover so trostlos zu sein scheint, gefällt mir das äußere Aussehen des Buches sehr gut. Ich bin sowieso grundsätzlich in den Manesse-Verlag verliebt, was ihr bestimmt bereits mitbekommen habt. Der Schreibstil ist sehr interessant und authentisch. Der Zynismus gefällt mir sehr gut, da ich ein großer Fan davon bin. Ich musste jedoch wirklich in der richtigen Stimmung sein, um dieses Buch zu lesen. Es ist keine einfache Erzählung, die man mal eben nebenbei in der Trambahn lesen kann - man sollte sich mehr Zeit dafür nehmen. Die Thematik finde ich sehr interessant. Wenn man sich ausreichend Zeit für die Kurzgeschichten lässt, wird man mit diesem Buch sehr viel Spaß haben. Versucht es einfach selbst und erzählt mir nachher gerne in den Kommentaren, wie es euch gefallen hat und welche Kurzgeschichte euer Favorit ist. Fazit Ein sehr schönes Buch!

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Frankreich 1934 Die Komödie von Charleroi Originaltitel: La Comédie de Charleroi Autor: Pierre Drieu La Rochelle Deutsche Ausgabe: Manesse (Deutsche Erstübersetzung) Übersetzung: Andrea Springler, Eva Moldenhauer Nachwort: Thomas Lux Genre: Kurzgeschichten, Kriegsdrama, Satire "Die Armee begann auseinanderzufallen. In den ersten Feuerstürmen lösten sich ihre Teile voneinander. Schon jetzt sahen sie sich kaum; bald würden sie sich gar nicht mehr sehen. Vier Jahre lang würden ihre Mühen und Leiden parallel ablaufen, ohne sich je zu treffen. Artillerie und Infanterie suchten sich, und sie fanden sich nicht. Und die Generäle waren anderswo. Schon jetzt waren wir nur noch verlorene Haufen in der entsetzlichen Einsamkeit des modernen Schlachtfelds, jeder grub sich sein eigenes Grab, allein mit seinem Schicksal, das im Übrigen dem des Nebenmanns glich, denn die von der Wissenschaft regulierte Natur geht serienmäßig vor und sucht keine Abwechslung mehr." (Aus der gleichnamigen Kurzgeschichte "Die Komödie von Charleroi". Pierre Drieu La Rochelle, Manesse Verlag mit einer Übersetzung von Andrea Springler und Eva Moldenhauer) Pierre Drieu La Rochelle gilt gemeinhin als kontroverser Autor. Nicht unbedingt für die Texte, die er verfasste, sondern für seinen Werdegang. Drieu diente im ersten Weltkrieg für die französische Armee, wurde mehrfach verwundet und kehrte nach Kriegsende als Kriegsveteran, eine jener gezeichneten Figuren der damaligen Zeit, in die Heimat zurück. Wie viele Heimkehrer verarbeitete Drieu seine Erlebnisse in Geschichten, die er zu Papier brachte. Die Weltgeschichte ist natürlich bekannt, der zweite Weltkrieg ließ nicht lange auf sich warten. Drieu machte sich einen Namen als Autor, engagierte sich aber auch mit kritischen Texten gegen Hitler und dem deutschen Naziregime. 1935 sollte sich jedoch vieles für Drieu ändern, denn nach einem Besuch in Nazi-Deutschland, wo er eine regelrechte Reizüberflutung erlebt haben soll, konnte auch er der Indoktrination der Faschisten nicht standhalten und wurde selbst zu einem. Selbstmordgedanken begleiteten Pierre Drieu La Rochelle seit vielen Jahren, einige Monate vor Kriegsende und Deutschlands Kapitulation setzte der Autor seinem Leben ein Ende. "Die Komödie von Charleroi" sind selbstverständlich keine faschistischen Schriften. Die Kurzgeschichten in diesem Sammelband wurden einige Jahre verfasst, bevor Drieu zum braunen Glauben konvertierte. Trotzdem sind die Kurzgeschichten ein mehr als interessanter Blick auf das, was Lach Rochelle bis zu seinem Lebensende verfolgen sollte: Die bösen Geister des ersten Weltkrieges. Und La Rochelle schreibt nicht nur für sich, er wird für viele Heimkehrer geschrieben haben. Wie schwer es war, sich wieder in die Gesellschaft zu etablieren, wieder am alltäglichem Leben teilzunehmen. Drieu schreibt über diese Erlebnisse aber nicht mit Wehmut und übertriebenem Patriotismus für Vaterland und Flagge, stattdessen haftet seinen Geschichten ein frecher Humor an, ein lockerer Schreibstil ohne verklemmt zu wirken rundet es ab, dass die Geschichten des Franzosen einen schnell mitreißen. So kann man der Titelgeschichte der Sammlung (die vom Umfang her bereits einer Novelle gleichkommt), "Die Komödie von Charleroi", auch ihre satirischen, manchmal sogar leicht surrealen Züge nicht abstreiten. Die Geschichte handelt von einem Ich-Erzähler der, seit Kriegsende mittlerweile, bei der wohlhabenden Madame Pragen als Sekretär arbeitet. Natürlich nicht aus purer Güte der Hausherrin. Der Erzähler war Kriegskamerad des Sohnes der Madame, Claude Pragen. Claude, von seiner Mutter förmlich in den Krieg gedrängt (jedoch mit viel Tatendrang seinen Pflichten in der Armee nachkam), gilt seit der Schlacht von Charleroi, einer Großstadt in Belgien, als vermisst. Mittlerweile sind 4 Jahre durch die Lande gezogen und Claude ist nicht wieder aufgetaucht vermutlich längst tot wenn man den Berichten ihres Sekretärs glaubt. Doch Madame Pragen ist sich sicher, ihr Claude muss noch leben. Gemeinsam mit ihrem Sekretär und großem Anhang besucht Madame am 01. Juli 1919 Charleroi, um der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Bei der Rückkehr auf jenes Schlachtfeld von vor einigen Jahren erlebt der Erzähler der Geschichte noch einmal alles so, als hätten sich die seltsamen Ereignisse rund um die Schlacht von Charleroi gestern zugetragen. Drieus Erzähler ist hierbei nicht immer wirklich vertrauenswürdig, was natürlich gewollt ist. Seine Erzählung wird gerne mal abenteuerlich, wird oft zum Protagonist eines Gefechts, furchtlos und durch den Kugelhagel sprintend. Doch schnell erkennt Drieus Erzähler, der viele autobiografische Elemente mit sich bringt, der Krieg war nie das, wie er ihn sich vorstellte. Desillusioniert und träumerisch ist der Erzähler seinen Dienst angetreten nur um bereits in der ersten Nacht bereits beinahe der Paranoia zu verfallen. Mit Humor aber auch Charme zieht Drieu seine Leser schnell in seinen Bann. Etwas ermüdend dagegen wirken leider die relativ furios beschriebenen Gefechte, die einen oftmals aus den herrlich schnippischen Bemerkungen des Erzählers werfen. Insgesamt 6 Kurzgeschichten, alle von unterschiedlichem Stil, aber stets mit bekannter Thematik, erwarten uns. Da die Geschichten alle relativ komplex sind, habe ich mir vorgenommen, in dieser Besprechung ausschließlich auf die Titelgeschichte einzugehen, da diese auch den größten Umfang besitzt. Lasst euch aber nicht dadurch beirren, jede Kurzgeschichte im Band ist es auch wert, gelesen zu werden. Kommt man mit Drieus Stil aus der ersten Geschichte nicht zurecht, so wird man wohl aber auch leider keinen Zugang zu den restlichen Geschichten mehr finden. Ein Interesse für das Thema rund um den ersten Weltkrieg sollte vorhanden sein. Auch einiges an Ruhe sollte man mitbringen, wenn man sich "Die Komödie von Charleroi" vornimmt. In gewohnt hoher Qualität liefert der Manesse Verlag hier eine schöne Hardcover-Edition ab. Der Inhalt ist es aber, der hier das Prunkstück ist. Das ganze ist nämlich eine deutsche Erstübersetzung. Und die kann sich sehen lassen. Verantwortlich dafür waren die beiden erfahrenen französisch Übersetzerinnen Andrea Springler und Eva Moldenhauer, die Drieus Texte in ein flüssiges, modernes Deutsch übertrugen. Resümee Belletristik aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg dürfte heutzutage weniger gefragt sein. Dies liegt daran, dass leider nach dem ersten verheerenden Krieg direkt ein zweiter folgte, der in seiner Relevanz natürlich noch ein wesentlich größeres Ausmaß an Zerstörung annahm. Sich aber mal mit der Literatur von Pierre Drieu La Rochelle auseinanderzusetzen war eine für mich mehr als interessante Erfahrung. Ob man nach "Die Komödie von Charleroi" Drieu als Mensch besser versteht, oder man sich noch weiter von der Sichtweise des Autors entfernt, diese Erfahrung muss natürlich jeder Leser oder Leserin für sich selbst machen. Es darf nicht verschwiegen werden dass Drieu die letzten Wege seines Lebens als Faschist und Antisemit bestritt. Davor jedoch war Drieu ein begnadeter Autor der französischen Literatur, der es schaffte, auf eine sehr beeindruckende art und weise das Leben der Veteranen zu beschrieben, die in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Auch aus heutiger Sichtweise haben wir es hier noch mit sehr interessanter Literatur zu tun.

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Wenn die Zeitzeugen nach und nach von uns gehen, fallen authentischen Zeugnissen und der Literatur eine größere Bedeutung zu. Sie erinnern, wenn es die Mahner nicht mehr gibt. Dies trifft wohl besonders auf die Zeit der beiden Weltkriege zu. Gerade in den vergangenen Jahren hat die Zahl der Publikationen zugenommen, so scheint es; wohl auch mit Blick auf die Jahrestage in 2014 und 2015. Der Band „Die Komödie von Charleroi“ mit sechs Erzählungen des Franzosen Pierre Drieu La Rochelle reiht sich ein und ist zugleich herausragend. Erstmals erscheint der bereits 1934 im Heimatland des Autors veröffentlichte Band in deutscher Übersetzung. Womöglich auch aus einem besonderen Grund heraus: Drieu zählt zu den umstrittenen Schriftstellern wie Knut Hamsun oder Louis-Ferdinand Céline, die sich zum Faschismus und Antisemitismus bekannt haben. Das endgültige Ende des Dritten Reiches hat Drieu nicht mehr erlebt. Er nahm sich mit Hilfe von Tabletten und Gas am 16. März 1945 das Leben. Der Autor, einer der bekanntesten Intellektuellen seines Landes, kollaborierte während der deutschen Besetzung Frankreichs und der Vichy-Regime offen mit den Nazis. Dabei hätte er es doch wissen müssen, was Krieg, konkret ein Weltkrieg in all seinen Ausmaßen bedeutet. Denn dieser Erzähl-Band basiert auf seinen eigenen Erfahrungen als Soldat im Ersten Weltkrieg. Er hat unter anderem selbst die Hölle Verdun erlebt, kämpfte auf den Dardanellen, war mehrfach verwundet. Details, die sich in jenen sechs Texten wiederfinden. Die namensgebende Erzählung ist zugleich die längste und umfasst nahezu die Hälfte des Buches. Darin lernt der Leser Madame Prager und ihren Sekretär kennen. Gemeinsam sind sie nach dem Ende des Krieges nach Charleroi gefahren, wo Pragers Sohn Claude als Soldat der französischen Armee in den ersten Tagen gefallen und begraben worden ist. Die Frau scheint nicht vom Verlust ihres Sohnes gezeichnet zu sein. Vielmehr war es ihr wichtig, dass er Ruhm und Ehre erhält. Mit dem Besuch der belgischen Stadt, in der die großbürgerliche Dame würdevoll empfangen wird, erinnert sich der Sekretär, aus dem intellektuellen Milieu stammend, an die Erlebnisse auf dem Schlachtfeld und die Soldaten, die von dem nervenaufreibenden Warten auf einen Angriff und letztlich der menschenvernichtenden Kriegsmaschinerie, die es bis dato in der Weltgeschichte nicht gegeben hat, seelisch und körperlich verausgabt werden. Die Todesfurcht, die übermenschliche Kraft und der Überlebenshilfe werden genauso schonungslos beschrieben wie der Geruch des Todes, die Überreste jener Männer, die von Kugeln, Granaten oder Bomben von einer Sekunde auf die nächste ausgelöscht, oft regelrecht zerrissen werden. Diese entsetzliche Gewalt ist ein Element, das in nahezu jeder Erzählung thematisiert wird. Das Aufeinandertreffen der verschiedensten gesellschaftlichen Schichten in der Armee, auch von Zivilist und Berufssoldat wird ebenfalls mehrfach beschrieben. Dabei hat jede Erzählung ihren eigenen Charakter, Schwerpunkt und Schauplatz. In „Der Hund der Heiligen Schrift“ wird von einem adligen Dragoner erzählt, dem es dank seines Standes gelingt, die Front zu verlassen. In „Der Oberleutnant der Tirailleurs“ wird in einem Gespräch zweier Soldaten in einer Bar die Geschichte der Kriege reflektiert. Keine der Erzählungen feiert die Kameradschaft. Im Gegenteil: Auseinandersetzungen zwischen den Soldaten mit ihren verschiedenen Charakteren und Eigenheiten reiben die Truppe auf. Gemein haben die Texte indes, das sie alle in der Ich-Perspektive geschrieben worden sind. Wer aufmerksam liest, wird zudem den Eindruck gewinnen, als ob dieser Erzähler ein und dieselbe Person ist, den man in den Jahren an verschiedenen Orten wieder trifft. Und dieser berichtet nicht nur von den Geschehnissen. Sein Gedankenstrom versammelt nachdenkliche wie nachdenkenswerte Reflexionen und Kommentare zum Krieg. Zusammen sind sie eine mehr als deutliche Abrechnung gegenüber jenen Kräften, die diese Gewalt entfacht und befördert haben. Auch jene Personen, die weit von der Front entfernt und ohne Kenntnisse der tatsächlichen Ereignisse das Geschehen verherrlichen, werden bloßgestellt. Hier zeigt sich der Abscheu, den Drieu gegenüber dem Hochmut des Nationalismus und der Bewegung der Masse noch in der Entstehungszeit des Buch hegte. Der Zynismus, der immer wieder angesprochen wird, der sich auch stilistisch an einigen Stellen findet, scheint die einzig möglich Reaktion auf dieses absurde und größenwahnsinnige Irrenhaus Europa zu sein, in dem Millionen Menschen ihr Leben ließen – regelrecht zur Schlachtbank geführt wurden. In seinem Nachwort würdigt Thomas Laux die Authentizität dieser Erzählungen, verweist auch auf den Erfolg des Buches nach der Veröffentlichung: Drieu erhielt 1934 den Prix de la Renaissance. Zudem beschreibt Laux, wie die Rezeption von Drieus Werken in der Gegenwart erfolgen könnte – gerade mit dem Wissen um seine umstrittene Biografie und Rolle während des Vichy-Regimes. Auch im Fall Hamsun hat es in den vergangenen Jahren eine verstärkte Zuwendung und Aufarbeitung gegeben – gerade auch in dessen Heimatland Norwegen, wo nach dem Krieg die Werke des Nobelpreisträgers gemieden, sogar verbrannt wurden. Frankreich, konkret der renommierte Verlag Gallimard hat mit dem Bewusstsein um das literarische Erbe Drieus ein Zeichen gesetzt: 2012 wurde der Schriftsteller in die Bibliothèque de la Pléiade, eine Buchreihe mit Klassikern der Weltliteratur, aufgenommen. Mit dieser wunderbaren Ausgabe in deutscher Erstübersetzung hat der Manesse Verlag ein Meisterwerk voller Wucht und Klugheit auch hierzulande ins Bewusstsein gebracht.

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Die erste und längste Erzählung dieses Buchs beginnt mit einer Reise. Eine Pariser Witwe, die 1914 ihren Sohn in den Krieg geschickt hat, um einen Helden aus ihm zu machen, ist auf dem Weg ins belgische Charleroi. Auf dem Schlachtfeld, wo ihr Sohn fiel, will sie sich fünf Jahre später vor den Honoratioren der Stadt als Grande Dame inszenieren. Schon auf den ersten Seiten beschwört der Autor ein sehr präzises Bild der Madame und ihrer gesellschaftlichen Geltungssucht herauf und spart dabei nicht an sarkastischen Seitenhieben. Auch der Satz „Das Ehepaar erbebte in seinem Fett“ gibt einen guten Vorgeschmack auf die typisch drastischen Charakterisierungen der Figuren. Alle Erzählungen sind geprägt durch Drieus eigene Erfahrungen als Soldat im Ersten Weltkrieg an Orten wie Charleroi, Verdun und den Dardanellen. Die Protagonisten sind oftmals psychisch labil, haben jegliche Orientierung verloren und verhalten sich ambivalent – genauso wie der Autor, seine politischen Ansichten und Werke wahrgenommen wurden. An mehreren Stellen wird dies deutlich: Einerseits scheint für ihn zum Beispiel die Position des Anführers erstrebenswert zu sein, dann wieder stellt er Überlegungen an, zu desertieren. Er richtet sein Augenmerk weniger auf die Schlachten und Kriegsstrategien, sondern vielmehr auf die Soldaten als Individuen und ihre Ängste und Kämpfe an der Front, wenn sie von Angesicht zu Angesicht dem Feind gegenüberstehen. Am besten gefiel mir die Geschichte „Der Hund der heiligen Schrift“, in der der Erzähler in Paris die Premiere eines Kinofilms über Verdun besucht. Er übt harsche Kritik an der eitlen Gesellschaft und macht deutlich, dass auch das gelungenste Kunstwerk eine Enttäuschung für jeden ist, der die „elende Wahrheit“ selbst erlebt hat. Das Buch bietet keine vergnüglichen Lesestunden, gibt dafür aber interessante Einblicke in die Gedankenwelt eines ehemaligen Soldaten und umstrittenen intellektuellen Bourgeois, der sich sehr intensiv mit den Kriegsereignissen und -auswirkungen auseinandergesetzt hat.

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