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Rezensionen zu
Dada-Almanach

Andreas Trojan, H. M. Compagnon

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Mein erstes Mal Dada habe ich im Alter von 17 Jahren erlebt und wie so oft im Leben bleibt das erste Mal von irgendwas einem besonders im Gehirn kleben. Lustigerweise war dieses Erlebnis in einem eher staubig-langweiligen Umfeld, denn es war zu meiner Abiturzeit – 11. Klasse. Es war der Deutschunterricht, die Stunde hatte eigentlich nicht wirklich begonnen, die Lehrerin hatte den Unterricht nicht wie sonst mit austauschbaren Phrasen der Begrüßung eröffnet. Sie stand einfach auf und schrie ganz laut „JOLIFANTO bambla ô falli bambla“. Damals vermutete ich, dass der Wahnsinn statt nur in meiner Familie und bei mir nun auch endlich in der Schule angekommen war. Ich hatte mich ein wenig getäuscht, denn meine Lehrerin gab uns lediglich eine Kostprobe des Lautgedichts „Karawane“ von Hugo Ball. Es war also der Wahnsinn einer längst vergangenen Zeit. Als ich den „Dada Almanach“ las, habe ich natürlich auch dieses Gedicht wieder für mich entdeckt und mich an den Deutschunterricht erinnert, der vielleicht nicht immer ätzendlangweilig war. Auf Youtube habe ich übrigens eine Rezitation der „Karawane“ gefunden: DADA bedeutet nichts. Nach der Live-Performance meiner Deutschlehrerin war ich neugierig auf Dada, ich versuchte es zu fassen, dada zu begreifen und ging dabei sogar soweit, dass ich nach der Schule ein wenig im Internet recherchierte. Das Ergebnis fiel für mich damals eher unbefriedigend aus, ich hatte es immer noch nicht verstanden – also geriet diese Episode meines Lebens in Vergessenheit. Jetzt, fast 10 Jahre später habe ich den „Dada Almanach“ gelesen und dieses Dada ist mir begreiflicher. In einer Erklärung von Richard Huelsenbeck steht: „Wir fanden Dada, wir sind Dada, und wir haben Dada. Dada wurde in einem Lexikon gefunden, es bedeutet nichts. Dies ist das bedeutende Nichts, an dem nichts etwas bedeutet. Wir wollen die Welt mit Nichts ändern, wir wollen die Dichtung und die Malerei mit nichts ändern und wir wollen den Krieg mit Nichts zu Ende bringen.“ (Dada Almanach, Seite 127) Plastischer wird Dada nicht als in dieser Erklärung. Dada ist Kunst und Literatur, steht für die Freiheit der Kunst und bringt das zum Ausdruck mit viel Tamtam und Blödsinn. So gesehen war der Dadaismus ein Aufbegehren gegen das Kunst-Establishment, eine Erneuerung der Kunst und vielleicht auch ein aufregendes Experiment. Ein Wunder, dass ich mich mit 17 daran nicht festgebissen habe. Gegründet wurde der Dadaismus 1916 in Zürich von den Künstlern Hugo Ball, Emmy Hennings, Tristan Tzara, Hans Arp, Marcel Janco und Richard Huelsenbeck. Treffpunkt der Szene war das Cabaret Voltaire. Der Hintergrund ist ziemlich interessant, warum gerade die Schweiz so beliebt war bei den jungen Künstlern: Die Schweiz nahm nicht am Ersten Weltkrieg teil. In allen anderen Ländern wurden die jungen Männer für den Kriegsdienst eingezogen. Der einzige Ausweg für Kriegsgegner war also, in die Schweiz überzusiedeln. Der „Dada Almanach“ Den „Dada Almanach“ gab es schon einmal, er wurde von Richard Huelsenbeck in Berlin veröffentlicht. Andreas Puff-Trojan und H.M, Compagnon, die Autoren des neuen „Dada Almanach“ aus dem Manesse Verlag, benannten ihr Buch genauso als Hommage an den ursprünglichen Almanach. Das Ziel der beiden Autoren war es, einen Querschnitt aus allen Bereichen des Dadas zu geben. Dada war eine internationale Kunstrichtung, deshalb achtete die Autoren auch sehr darauf, dass nicht nur die berühmten Künstler des Dada abgedruckt wurden, sondern auch die unbekannteren. Dieses Ziel spürte ich beim Lesen jedes Kapitels; der „Dada Almanach“ liefert sehr viel Abwechslung und dazu ist das Buch noch wunderschön. Die Texte wurden mit allen Mitteln der Typographie abgedruckt. Jeder Text bekommt genügend Raum und kann so für sich wirken. Für meine persönliche Erleuchtung über Dada war es auch sehr gut, dass Puff-Trojan und Compagnon sich die Mühe gemacht haben und am Ende des Buchs eine Art Lexikon zusammengestellt haben mit Kurzbiographien zu den Künstlern und zu den Orten der Kunstbewegung. Das war für das Verständnis sehr hilfreich! Bei manchen Kunstwerken des Dada erwünschte ich mir jedoch innerhalb des Buchs ein wenig Hilfe zur Deutung und Interpretation. Da hielten sich die Autoren weitgehend raus, sie kuratierten Dada lediglich. Nicht immer dichteten die Dadaisten bewusst unverständlich, im „Dada Almanach“ befindet sich auch ein „normales“ Gedicht von Hugo Ball (Totentanz 1916 auf Seite 49): So sterben wir, so sterben wir, Wir sterben alle Tage, Weil es so gemütlich sich sterben lässt. Morgens noch in Schlaf und Traum Mittags schon dahin. Abends schon zu unterst im Grabe drin. Hugo Ball bezog sich bei seinem deutlichsten Gedicht eindeutig auf den Ersten Weltkrieg und das sehr kritisch. Die Dadaisten waren Kriegsgegner und das merkt man nicht nur bei Hugo Balls Werk, sondern immer wieder an unterschiedlichsten Stellen im „Dada Almanach“. Es ist interessant diesen Atlas des Verrückten auch in dieser Hinsicht zu lesen. Fazit Der „Dada Almanach“ von Andreas Puff-Trojan und H.M, Compagnon ist ein hochinteressanter und sehr ästhetischer Überblick über die Werke des Dadaismus. Mit Sicherheit wird dieses Buch bei mir jetzt nicht im Schrank verstauben.

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