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Rezensionen zu
Sechzehn Wörter

Nava Ebrahimi

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Ab und zu wage ich es aus meiner Genre-Komfortzone zu entwischen und suche mir ein Buch heraus, das meinen Horizont erweitern soll. Die Wahl ist dieses Mal auf „Sechzehn Wörter“ gefallen. Den Iran kenne ich nur aus den Nachrichten, gelesen habe ich noch nichts über oder aus dem Land. Es wurde also höchste Zeit! Ich bin sehr froh, dass ich „Sechzehn Wörter“ gefunden habe. Der Roman ist sehr lesenswert. Der Beginn ist sehr leicht, Mona nimmt den Leser gut auf, erzählt von ihrer Großmutter, die ja auch der Grund ist, warum Mona aus Deutschland in den Iran fliegt. Die Großmutter ist herrlich unterhaltsam und witzig. Es ist wie eine Telenovela – ihre derben Sprüche, ihre traditionelle Denkweise und diese harte Ehrlichkeit. Sie spiegelt viele Iranerinnen der älteren Generation wider, da erkennt man im Laufe der Geschichte. Im Bezug auf die Erwartungen an eine junge Frau, die Regeln und Vorgaben entsprach es meinen Vorstellungen. Gleichzeitig war es auch anders. Lustiger, hinterfragender, menschlicher. Die Verbindung zwischen den Frauen, die gegenseitige Hilfe. Und die Modernität der jüngeren Frauen. Im Laufe des Romans lernte ich Mona näher kennen. Sie ist im Iran geboren, doch lebt in Deutschland. Sie vergleicht die Länder oft, sieht Parallelen und noch mehr die Unterschiede. Sie erklärt es anhand von Wörtern, die zu Szenen aus ihrem Leben führen. Der Ansatz war echt gut, denn es waren fast alles Wörter, die man in Deutschland nicht kennt oder nicht verwendet. Sie konnte die Wörter nicht einfach 1 zu 1 übersetzen, sondern sie zeigte es mit Momenten aus dem Leben. Ich tauchte ein in die Welt von Mona. Die Zerrissenheit zwischen zwei Länder. Sie war nirgends heimisch und vereinte doch beide Länder in sich. Es ist kein Roman über ihre Entwicklung als Charakter. Es ist ihre Geschichte, die sie erzählt. Und obgleich der Großteil des Romans aus Momenten bestand, ist es eine fortlaufende Geschichte. Es ist viel über die Beziehungen von Mona. Zu Ramin, ihrem alten Geliebten und zu ihrer Mutter. Das irritierte mich zunächst, da ich ihr Verhältnis nicht einschätzen konnte. Zum Ende hin war ich sehr gerührt. Die Entwicklung dieser Beziehung ist bittersüß. So durchlief ich verschiedene Phasen beim Lesen: Von Heiterkeit bis hin zu Melancholie. Dieser Roman bietet viele Einblicke. Ich lernte viel über den Iran und die Menschen dort. Doch gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass ich hier Monas Geschichte las und bin mir sicher, dass es viele Menschen gibt, die den Iran anders kennen. Vielleicht härter, vielleicht verständnisvoller. Dieser Roman war ein Einstieg und ich bin begeistert. Ich hoffe, die Autorin schreibt nach diesem tollen Debut viele weitere Werke! Fazit: „Sechzehn Wörter“ bietet eine melancholische, witzige und bittersüße Geschichte. Völlig offen ging ich an die Geschichte heran und wurde so positiv überrascht. Nicht nur über den Iran als Land habe ich viel gelernt, auch über die dortige Kultur und die Gepflogenheiten. Der Schreibstil ist locker, der Roman lässt sich super leicht lesen. Während der Inhalt ebenso leicht beginnt, entwickelt sich hier eine tiefgründige und so berührende Geschichte. Definitiv ein Lesetipp!

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Die Ich-Erzählerin Mona lebt in Deutschland, aber ist gebürtige Iranerin. Gemeinsam mit ihrer Mutter reist sie nach dem Tod ihrer Großmutter ein letztes Mal nach Maschhad im Nordosten des Iran. Durch den Tod der Großmutter wird Monas einzige Verbindung zum Land gekappt und die "anstrengende On-Off-Beziehung" der Ich-Erzählerin zu ihrer alten Heimat beendet. Eigentlich war nur ein kurzer Aufenthalt im Iran geplant und der Rückflug bereits gebucht, doch dann meldet sich Ramin, Monas Daueraffäre im Iran, bei Mona und lädt sie zu einer Abschiedsreise nach Bam ein, in die Stadt, die fünf Jahre zuvor bei einem Erdbeben vollkommen zerstört wurde. Monas Mutter schließt sich den beiden Reisenden an, und für Mona stellt der Ausflug nach Bam eine Reise in die eigene Vergangenheit, in die Geschichte ihrer Familie, in das Leben ihrer Großmutter, ihrer Mutter und ihren Vater dar. Anhand von 16 Farsi-Wörtern, die als Kapitelüberschriften und als roter Faden im jeweiligen Kapitel dienen, erzählt Nava Ebrahimi ihre Geschichte um Mona und die Vergangenheit ihrer Familie. Dabei entsteht ein ungewöhnlich erzählter Roman, bei dem die Ich-Erzählerin häufig die Zeitebene wechselt, den Leser so in verschiedene Epochen mitnimmt und ihre Geschichte mit großer Komplexität erzählt. Diesen Wechsel zwischen den Zeiten (z.B. Iran zu Zeiten des Schah-Regimes, Iran nach der Islamischen Revolution, Gegenwart) empfand ich stets als gelungen umgesetzt und nie als verwirrend oder unpassend. Ebrahimi ermöglicht durch ihren Debütroman ‚Sechzehn Wörter‘ tiefe Einblicke in die Gedanken und Gefühle der Protagonisten und in das Leben im Iran, aber auch in die Fallstricke eines Lebens im Exil und in Besonderheiten des Farsi. Schön fand ich in diesem Zusammenhang auch die zweisprachigen Kapitelüberschriften (Farsi/Deutsch), da ich Farsi lesen kann und so die Aussprache der Wörter und Phrasen jenseits der vereinfachten Transkription kennenlernen konnte. Für alle, die Farsi nicht lesen können, sind die zweisprachigen Überschriften nichtsdestoweniger ein schöner Einblick ins persische Alphabet sowie ein hübsches Layout-Detail. Nava Ebrahimi: Sechzehn Wörter. btb, 2017, 313 Seiten; 18 Euro.

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Auf der Suche...

Von: parden

23.06.2017

"Erst war es nur ein Wort. Das Wort, flink und wendig, überfiel mich, wie alle diese sechzehn Wörter, aus dem Hinterhalt. (...) Regelmäßig war ich ihnen ausgeliefert, diesen Wörtern, die nichts mit meinem Leben zu tun hatten. (...) Nichts hatten sie mit meinem Leben zu tun, trotzdem, oder gerade deshalb brachten sie mich immer wieder in ihre Gewalt. Doch dann, einer Eingebung folgend, übersetzte ich ein Wort, und es war, als hätte ich es entwaffnet. (...) Mit einem Schlag verlor es die Macht über mich. (....) Wir waren nun beide frei, das Wort und ich." (S. 7 f.) Die Iranerin Nava Ebrahimi hat sie genommen, diese sechzehn Wörter, und hat sie den Kapiteln ihres Buches vorangestellt, in arabischer Schrift und auf Persisch - und hat die Ich-Erzählerin Mona sich an diesen Wörtern entlanghangeln lassen auf ihrer Reise in den Iran, in die Vergangenheit, zu ihren Wurzeln, auf der Suche nach Antworten und sich selbst. Die 34jährige Mona erscheint als toughe Frau, die ihr Leben sicher nicht geradlinig führt, aber mit beiden Beinen fest darin zu stehen scheint. Doch tief im Innern schlummern Fragen, lauern Zweifel, bröckelt das Fundament. Dies ist Mona selbst gar nicht so deutlich - bis zu ihrer Reise in den Iran, zum Begräbnis ihrer Großmutter. "Bevor ich eine Moschee betrete, spüre ich jedes Mal Widerwillen. Bin ich drin, möchte ich sie nicht mehr verlassen. Ich fühle mich dann, wie sich ein Baby auf einer riesigen Krabbeldecke fühlen muss. Gestillt, gepudert, gewickelt. Ich würde am liebsten ganze Tage und Nächte auf den Perserteppichen herumkugeln. (...) In den Nächten bräuchte ich weder Kissen noch Decke, ich schliefe wie ein Neugebornes, das an der Brust der Mutter eingenickt ist und dessen Träume von warmer Milch beim ersten Augenaufschlag wahr würden." (S. 73) Der Leser reist mit Mona in den Iran, widerwillig eher, pflichtergeben, weil nun einmal die Großmutter verstorben ist. Maman-Bozorg starb in hohem Alter recht unspektakulär im Sessel vor ihrem Fernseher, der zuletzt ihr ein und alles war. Diese Großmutter ist in dem Roman überaus präsent und hat mich des öfteren den Kopf schütteln lassen, mich aber auch wirklich amüsieren können. Immer ein loses und oft ordinäres Mundwerk('Kämm dir mal die Haare. Du siehst aus wie ein verprügelte Nutte.'), lebte Maman-Bozorg von Klatsch und Tratsch, äußerte stets unverblümt ihre Meinung, nahm sich, was sie wollte und hatte ein heimliches Faible für nette Männer. Ihr Lieblingswort war 'Kos', was allen anderen die Schamesröte ins Gesicht trieb, doch nein, ich werde jetzt nicht übersetzen, um was für ein Schimpfwort es sich hierbei handelt. Die Großmutter gehörte irgendwie immer zu Monas Leben dazu, auch wenn sie sich oft nur einmal im Jahr sahen - meist kam Maman-Bozorg nach Köln, zu Mona und ihrer alleinerziehenden Mutter, reiste stets mit großem Übergepäck, Ezafebar. Mona selbst wurde im Iran geboren, lebt aber bereits seit frühester Kindheit in Deutschland - zwischen den Kulturen, wie ihr nun deutlich bewusst wird. Immer das Gefühl, irgendwie nicht dazu zu gehören: im Iran ist sie die Deutsche, in Deutschland ist sie die Iranerin. Wie ist es möglich, sich so irgendwo zu Hause zu fühlen? Doch Mona begibt sich auf ihrer Reise im Iran nicht nur auf die Suche nach sich selbst - auch ein langgehütetes Familiengeheimnis drängt hier zunehmend an die Oberfläche. "Glück? Nach drei Bier auf einer Tanzfläche, über mir viel Raum, durch mich hindurch ein Bass, der alles in Schwingung versetzt, um mich herum Menschen, deren Gesichter mir bekannt vorkommen, die ich manchmal zufällig streife, die genau wie ich darauf warten, dass der DJ sein Versprechen einlöst, dass er aufhört, sich und uns zu zügeln, und dann ist es endlich so weit, der Damm bricht, und uns erfasst eine riesige Welle. (...) und ich denke auch daran, dass, nachdem uns alle dieselbe Welle erfasst hat, jeder woanders angespült wird und jeder von vorne beginnt." (S. 186 f.) Ein Schreibstil, der eher nüchtern daherkommt, wechselnd zwischen leise-poetisch und derb-zotig, dabei nichts davon überstrapazierend. Wie auf einer Welle treibt Nava Abrahimi den Leser durch das Land, das einem bei aller Fremdheit und Befremdlichkeit plötzlich nahe kommt, wodurch aber auch deutlich wird, wie groß der Spagat der in Deutschland lebenden Mona sein muss, um sich zwischen den Kulturen nicht zu verlieren. Subtil dabei das Kreisen um das ominöse Familiengeheimnis, das letztlich nicht nur für Mona in einer gewaltigen Überraschung gipfelt. Eine leise Erzählung, melancholisch und poetisch, aber auch anarchisch und voll abgründigem Humor. Über die Fremde und das Fremde in uns. Für mich eine ganz besondere Entdeckung... © Parden

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"Sechzehn Wörter" ist ein Roman, der mir die iranische Kultur ein klein wenig näher bringen konnte, In sechzehn Worten, die Monas leben prägen erhalten wir Einblicke in eine Welt, die mir fremd war und je mehr ich las nicht mehr unverständlich blieb, sondern beeindrucken konnte. Nach dem Tod der Großmutter setzt sich Mona mit ihren Wurzeln auseinander und dies geschieht zwar allmählich, wird aber von Seite zu Seite eindrücklicher. Gerade der Schreibstil konnte mich überzeugen, da die Worte fließen und mich mitnehmen konnte in eine sehr interessante Lebensgeschichte und eine Kultur, die mir irgendwann nicht mehr fremd erschien. Für mich war "Sechzehn Wörter" intensiv, da sich die Story hauptsächlich auf Mona konzentrieren konnte und natürlich auch auf Sitten und Gebräuche des besuchten Landes. Es ist ein Roman der nicht überfordert oder eigentümlich auf seine Leserschar wirkt, da es authentisch bleibt und mich dadurch besonders anrühren konnte. Hervorgehoben werden Familienbande, die auch zerbrechen können und dennoch bestehen bleiben, da Familie wertgeschätzt wird. Auch wenn man viele Meilen auseinander lebt bleibt man verbunden. Besonders herrlich sind die Rückblicke auf die Großmutter, die mir äußerst herzlich erschien und deren Lieblingswort "Kos" mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte. Für mich war "Kos" bisher eine Insel in Griechenland und nun werde ich sicherlich grinsen müssen, sobald jemand "Kos" sagen wird, da ich nun auch eine andere Bedeutung kenne. "Sechzehn Wörter" ist ein Roman mit dem ich mich gerne auseinandergesetzt habe, denn die mitunter naive analytische Suche nach Wahrheit und Erkenntnis konnten mich überzeugen. Mona steht zwischen zwei Kulturen und auch wenn ich dieser fremden Welt mitunter misstrauisch entgegenblicken konnte, war ich am Ende fasziniert und auch aufgeklärter was Begebenheiten und Traditionen betrifft. "Sechzehn Wörter" hat mich überzeugt und daher vergebe ich gerne eine Leseempfehlung. Die knapp 2000 Seiten waren fast schon zu zügig gelesen, denn mein Interesse an Land, Kultur und Tradition war geweckt und ich hätte hier und da gerne mehr Einblicke in Gepflogenheiten erhalten. Dennoch war die Story rund und ich finde nichts, was ich bemängeln müsste. Außergewöhnlich, warmherzig und interessant gestaltete sich jede Buchseite und nahm mich mit auf eine Suche nach Identität.

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Monas Großmutter ist gestorben, und so fliegt sie zusammen mit ihrer Mutter nach Teheran zur Beerdigung. Es wird eine Reise zu ihrer Familie, die sie lange nicht gesehen hat und zu einer Kultur, die auch die ihre ist, in ein Land, dass sie Heimat nennen könnte, auch wenn sie in Deutschland aufwuchs und hier ihr Leben hat. Ein Leben, das sie nicht aufgeben will. Der Rückflug in wenigen Tagen ist bereits gebucht. „Sechzehn Wörter“, so der Titel des Debütromans von Nava Ebrahimi, diese sechzehn Wörter stehen exemplarisch für die andere Seite von Monas Identität, für die persische Kultur im Großen und ihre eigene persönliche Familiengeschichte im Kleinen. Der Roman ist folgerichtig in sechzehn Kapitel eingeteilt, die jeweils mit einem dieser Wörter überschrieben sind und die uns immer tiefer hineinführen in Monas Geschichte und in ihre Vergangenheit. Einige Jahre zuvor hat Mona bereits ein paar Monate im Iran verbracht, als sie über den Fall eines Deutschen berichtete, dem wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs die Todesstrafe drohte. Aus dieser Zeit hat sie noch Kontakte: Zu Ramin, der ihr Liebhaber wurde, und auch zu Siabasch, mit dem sie zusammenarbeitete. Mona hat immer gespürt, dass beide Welten, ihre beiden Welten, nicht recht zueinander passten, dass es ihr nicht möglich war, sie auf welche Weise auch immer miteinander zu verbinden, sich ihrer gleichzeitig bewusst zu sein. „Sechzehn Wörter“ zeigt – wie schon andere Romane zuvor – eine Heldin, die zwischen den Stühlen sitzt: Sie kennt Deutschland und den Iran, die Eigenheiten beider Länder, die Gepflogenheiten ihrer Einwohner. Doch wo gehört sie hin? Hier ist sie die Iranerin, fällt durch ihre Haut- und Haarfarbe auf, dort sieht man in ihr die Deutsche, die dazu noch ein holpriges Persisch spricht. Ebrahimi greift in ihrem Roman ein Thema auf, das mir zur Zeit tatsächlich recht präsent erscheint, sodass man ihr vorwerfen könnte, nicht unbedingt Neues zu liefern: Man kann nicht umhin, an Shida Bazyars wunderbaren Roman „Nachts ist es leise in Teheran“ zu denken und gerade vor wenigen Tagen erst beschäftigte sich auch Jonas Hassen Khemiris „Alles, was ich nicht erinnere“ mit jungen Menschen, die zwischen den Kulturen aufgewachsen sind, auch wenn der Fokus dort auf anderem liegt. So stößt man als Leser, der diese oder andere Romane mit ähnlichen Plots kennt, unweigerlich auf Bekanntes. Andere werden etwas über den Iran lernen können, über die Menschen dort und über das Leben in einem Land, in dem eine Sittenpolizei überprüft, ob Kopftücher richtig sitzen und ob das junge Paar, das zusammen im Auto sitzt, auch wirklich verheiratet ist. Vor allem ist „Sechzehn Wörter“ aber eine persönliche Geschichte, die sich vollkommen auf ihre Hauptfigur konzentriert. Mona erzählt aus der Ich-Perspektive. Nach der Beerdigung der Großmutter machen sie und ihre Mutter eine Reise mit jenem Ramin, dessen Rolle in Monas Leben nicht ganz klar ist. Und auf dieser Reise erinnert sich Mona immer wieder zurück. An ihre Kindheit. An ihren Vater, der nicht mehr lebt. Daran, wie sie schon früh erkannte, dass sie sich von ihren Klassenkameradinnen unterschied, dass etwas an ihr anders war. An frühere Reisen in den Iran, an Ereignisse in ihrer Vergangenheit, die erst mit der Zeit Sinn ergeben. „Sechzehn Wörter“ ist ein sehr lebendiges Buch, und ein sehr kurzweiliges, selbst wenn dem Leser Geschichte und Kultur des Irans nicht gänzlich unbekannt sind. Ebrahimi zeichnet auf sensible Weise ein Porträt ihrer Hauptfigur, lässt sie immer wieder fragen und zweifeln, ohne Antworten parat zu haben. Sie hält dem Leser manches Mal einen Spiegel vor, entlarvt Klischees und Vorurteile. Nava Ebrahimis Roman regt zum Nachdenken an, auch dazu, sich selbst zu hinterfragen. Die Autorin erschafft eine Figur wie aus Fleisch und Blut, über die ich noch lange hätte weiterlesen können.

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Bestimmt die Sprache das Denken, wie es die Sapir-Whorf-Hypothese besagt? Mona fällt auf, dass sie in ihrer persischen Muttersprache Wörter hat, die sie nie ins Deutsche übersetzt hat, denn sie waren an die inzwischen fremde Heimat gebunden, Erlebnisse und Konzepte, die sie nur mit dem Iran verband und für die es in Deutschland und in der deutschen Sprache keinen Platz oder adäquaten Ersatz gab. „Sechzehn Wörter“ sind es, die sie mit dem Land im Nahen Osten verbindet, aus dem ihre Eltern einst flüchteten und in das sie jetzt anlässlich der Beerdigung der Großmutter zurückkehrt. Von „Maman-Bozorg“, dem Kosewort für die Großmutter, über das Schimpfwort „Kos“, dem für Iraner typischen Übergepäck, „Ezafebar“, bis hin zur geliebten Frucht „Anar“ – mit allen Begriffen verbindet sie etwas und anhand dieser Begriffe lässt die Ich-Erzählerin nicht nur die aktuelle Reise Revue passieren, sondern auch ihre Familiengeschichte und die Zeit, die sie Jahre zuvor schon einmal im Iran verbracht hatte. Nava Ebrahimis Roman „Sechzehn Wörter“ ist eine eigenwillige Annäherung an ihre eigene Heimat. Ähnlich wie ihre Protagonistin ist auch die Autorin im Iran geboren und seit vielen Jahren in Deutschland und als Journalistin tätig, man kann vermuten, dass viele ihre persönlichen Erfahrungen eingeflossen sind in dieses Kaleidoskop-artige Bild des Landes. Zwei Dinge sind an dem Roman gleichermaßen faszinierend. Zum einen die junge Frau, die zwischen den beiden Kulturen steckt, sich einerseits typisch deutsch verhält und in jeder Hinsicht dem Bild einer unabhängigen, modernen, westlich geprägten Frau entspricht; andererseits aber auch ihre Wurzeln sucht, fasziniert ihre Cousinen beobachtet und messerscharf die sprachlichen Unterschiede auch die Differenzen zwischen den beiden Ländern begreift. Daneben bekommt man den ganz privaten, persönlichen Iran zu Gesicht. Politische Aspekte spielen nur eine ganz marginale Rolle, sie sind für diese Geschichte nicht von Relevanz. Die Familienstrukturen, die Erwartungen an die Kinder, insbesondere die Töchter, aber auch die Art und Weise, wie man sich innerhalb den strikten Grenzen der Sittenwächter mit den Gegebenheiten arrangiert, um trotzdem ein in gewissem Maße freies Leben leben zu können, wird hier deutlich. Der Erzählton ist lebendig und locker, er passt zur Erzählerin, schwankt er zwischen abgeklärt-analytisch und fasziniert-naiv, wie sie ihre Umwelt beobachtet und ihre eigene Familiengeschichte ergründet. Es gibt Dinge, die ihr auch jenseits der 30 noch nicht offenbar wurden, doch mit dem Tod der Großmutter ist der Zeitpunkt gekommen, Klarheit zu erhalten, weshalb die Ehe der Eltern scheiterte und wie diese überhaupt nur zustande kommen konnte. Andere Romane der letzten Monate, die ebenfalls im Iran spielen und uns das Land etwas näher bringen, wie etwa Shida Bazyars „Nachts ist es leise in Teheran“ setzen einen anderen Fokus, so dass hier eine neue Komponente gefunden wird, die nochmals das Bild des Lesers gewinnend ergänzt. Selten hat man einen so intimen Blick in das Land bekommen, der jedoch nicht skandalös-voyeuristisch ist, sondern schlichtweg persönlich und mich in jeder Hinsicht überzeugen konnte.

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